Großschönau. Die Nachricht, dass sich die traditionsreiche Damast-Weberei Damino von 30 ihrer zuletzt rund 100 Mitarbeiter trennt, ist erst ein paar Tage alt. Nach Unternehmensangaben war der Schritt notwendig geworden, da es sich bei der betroffenen Textilveredlung um einen besonders kostenrelevanten Teil der Produktion handelt und die Firma nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. September alle Hebel in Gang setzen muss, um wieder in die Erfolgsspur zurückzukehren.
Die Damino-Krise schwelt aber schon länger. Bereits im Juni hatte der Textilbetrieb das Insolvenzverfahren eingeleitet, nachdem das früher gut laufende Geschäft mit dem Afrika-Damast wegen Währungs- und Wirtschaftskrisen in den Abnehmerländern stark rückläufig war und sich auch andere Kunden – zum Beispiel aus der Hotel- und Luftfahrtbranche – wegen der insgesamt unsicheren Wirtschaftslage zurückhielten.
Würde die Textiltradition verschwinden, wäre das der Supergau für Großschönau
In Großschönau wird die Entwicklung mit Sorge betrachtet, ist man doch stolz auf die Textiltradition im Ort. Würde sie ins Wanken geraten oder gar verschwinden, wäre das der Supergau. „Es geht um Arbeitsplätze in der Gemeinde, familiäre Existenzen, Lebensleistungen, Brüche in Biografien“, stellt Bürgermeister Frank Peuker (parteilos) den Ernst der Lage klar. „Um Menschen, die oft drei, vier Jahrzehnte in den Unternehmen arbeiten, sicher mehr Tiefen als Höhen erlebt haben und deren Jobs leider nicht zu den gutbezahlten zählen.“ Aber es gehe auch um die Verantwortung der Firmeninhaber, der Gesellschafter.
Damino gehörte bisher vermutlich zu den größeren Gewerbesteuerzahlern in der Gemeinde. Zahlen nennt der Bürgermeister nicht. Allerdings gab es auch in den vergangenen Jahren ein Auf und Ab. Laut Peuker habe es nach dem verheerenden Hochwasser 2010 bis 2020 „eine spürbare Erholungsphase“ gegeben. Seiner Kenntnis nach seien damals rund 150 Menschen bei Damino beschäftigt gewesen.
Die Corona-Schutzmaßnahmen hätten dann einen massiven Auftragseinbruch mit sich gebracht, vor allem das Geschäft mit Tisch- und Bettwäsche für Hotellerie und Gastronomie sowie die Lieferungen für Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe seien zum Erliegen gekommen, erklärt der Gemeindechef. Nach Corona hätten Energie- und Wirtschaftskrisen zu weiteren Turbulenzen geführt. Fazit: „Das Gewerbesteueraufkommen der Damino GmbH entspricht diesen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.“
Die jetzige Krise dürfte alles bisher Dagewesene aber übertreffen. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht das. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Sachsen nahm Großschönau 2024 insgesamt 1,43 Millionen Euro Gewerbesteuer (brutto) ein. Übers Jahr gesehen gab es ein Auf und Ab: 594.105 Euro im ersten Quartal, folgten 258.271 Euro im zweiten und 154.843 Euro im dritten Quartal, ehe es mit 427.479 Euro im vierten Quartal wieder aufwärts ging. Welche Unternehmen wie hoch dazu beigetragen haben, ist nicht bekannt – Steuergeheimnis. Damino – und auch Frottana, der zweite große Großschönauer Textilbetrieb – dürften aber beteiligt gewesen sein.
Gewerbesteuereinnahmen im ersten Quartal 2025 rückläufig
Ein Vergleich der Gewerbesteuereinnahmen der ersten Quartale 2024 und 2025 legt nahe, dass Damino schon einige Monate vor der Insolvenz in Schwierigkeiten geraten war oder aber andere Großschönauer Unternehmen geschwächelt haben. Zahlen dazu sind nicht bekannt. Denn statt der 594.105 Euro für Januar bis März 2024 gingen auf dem Konto der Gemeinde für den gleichen Zeitraum ein Jahr später nur noch insgesamt 257.446 Euro ein – weniger als die Hälfte des früheren Betrages, wohlgemerkt von allen Gewerbesteuerzahlern. Die verschärften Probleme des Textilbetriebes dürften im Jahresverlauf nicht gerade förderlich für die Großschönauer Steuereinnahmen sein. Für die Gemeinde bedeutet das: Rückläufige Einnahmen schränken perspektivisch ihre finanziellen Möglichkeiten ein, freiwillige Aufgaben, aber auch Eigenmittel für Bauprojekte könnten darunter leiden.
Auswirkungen wird die Damino-Krise wahrscheinlich auch auf den Abwasserpreis in Großschönau haben. Laut Statistischem Landesamt bezahlen die Einwohner mit 0,90 Euro je Kubikmeter am wenigsten im Freistaat für das Ab- und Schmutzwasser. Der Wert stammt von 2019, hatte bisher aber Bestand. Einer der entscheidenden Gründe für den niedrigen Preis waren die beiden großen Textilbetriebe. Ihre Produktion verbrauchte sehr viel Wasser, deshalb führten sie auch jede Menge Abwasser ab. Ein entscheidender Kostenfaktor in diesem Metier: Je größer die Abwassermenge, desto niedriger der Preis.
Durch optimierte Betriebsabläufe, aber auch die Turbulenzen bei der Textilproduktion sei das Schmutzwasseraufkommen bereits in den letzten Jahren „leicht rückläufig“ gewesen, erklärt Bürgermeister Peuker. Ob und welche Änderungen sich nach der Damino-Krise ergeben, „werden wir zum Jahresende wissen.“ Bis dahin müssten die Gebühren für den nächsten Kalkulationszeitraum berechnet werden. Dass die Abwassermengen weiter sinken, scheint inzwischen klar. Immerhin hat Damino die Textilveredlung geschlossen. Wasserintensive Arbeitsschritte wie Waschen und Färben fallen damit weg.
Und Frottana? Im Juni hatte die SZ von einer seit Anfang März geltenden tageweisen Kurzarbeit berichtet. Details über den aktuellen Stand nennt das Unternehmen nicht. Geschäftsführer Norbert H. Vossen teilt auf Anfrage lediglich mit: Oberste Priorität habe es, „unsere Kräfte auf die erfolgreiche Weiterentwicklung und Ausrichtung des Unternehmens sowie auf das für uns besonders wichtige Herbst-/Wintergeschäft zu konzentrieren.“ Man arbeite an der Erschließung neuer Geschäftsfelder, der Weiterentwicklung bestehender Vertriebskanäle und dem Ausbau der Markenbekanntheit. Man wolle den Standort Großschönau weiterentwickeln und den Mitarbeitern „eine verlässliche Perspektive“ bieten.