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Turbo für den Arbeitsmarkt?

Mehr als 10.000 Geflüchtete nehmen derzeit in Sachsen an Integrationskursen teil. Das Ziel: Sie möglichst schnell in Lohn und Brot zu bringen. Doch dafür müssen auch Unternehmen mit ins Boot.

Lesedauer: 3 Minuten

Männer sitzen mit dem Rücken zur Kamera in einem Unterrichtsraum.
Integrationskurse sollen Flüchtlingen das Ankommen und möglichst auch einen schnellen Berufseinstieg ermöglichen. Foto: Adobestock

Von Annett Kschieschan

Dresden. Die Zahl ist kaum vorstellbar: Mehr als 89 Millionen Menschen sind weltweit von Flucht und Vertreibung betroffen. So viele wie noch nie zuvor. Vor allem Kriege, aber auch die Zerstörung der Umwelt und der Klimawandel sorgen dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen. Diese Entwicklung verändert die Welt – auch die der Arbeit. Wo etwa Kriegsflüchtlinge wie zuletzt aus der Ukraine in Größenordnungen in anderen Ländern Fuß fassen müssen, steht neben den ganz persönlichen Fragen irgendwann auch die nach einem Einstieg ins Berufsleben. Bundesweit wurde dafür im Herbst vergangenen Jahres der „Job-Turbo“ gestartet. Das Ziel: „Alle Geflüchteten, unabhängig von ihrem Herkunftsland, die einen Integrationskurs absolviert haben, sollen so schnell wie möglich Arbeitserfahrung sammeln und weiter qualifiziert werden.“ So formuliert es auch die sächsische Arbeitsagentur in einer ersten Zwischenbilanz. „Die Erfahrungen belegen, dass Sprache der Schlüssel zur Integration ist. Daher nehmen aktuell fast 10.000 Geflüchtete in Sachsen an Integrationskursen teil und erwerben dort mindestens deutsche Grundsprachkenntnisse“, so Michaela Ungethüm, Geschäftsführerin operativ und Vizechefin der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit. Gleichzeitig seien knapp 28.000 Geflüchtete aktuell in Lohn und Brot, die meisten in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen.

Kompetenzen einbringen
„Nun heißt es, allen anderen zu helfen, schnell eine Arbeit zu finden – mit Perspektive zur dauerhaften beruflichen Integration. Wir wollen, dass die Geflüchteten ihre fachlichen Kompetenzen einbringen und gleichzeitig ihre Sprachkenntnisse vor allem im beruflichen Kontext ausbauen können“, so Michaela Ungethüm weiter. Niemand soll sich und seine Fähigkeiten unter Wert verkaufen müssen, so der Ansatz. Dafür brauche es aber auch Unternehmen, die „Chancengeber“ sein wollen und auch Menschen einstellen, deren Deutschkenntnisse noch begrenzt sind.
Alle ins Boot zu holen – das ist ebenso wichtig wie schwierig in einer Zeit, in der die gesellschaftlichen Verwerfungen immer sichtbarer werden und wirtschaftliche Sorgen die Bereitschaft zur Hilfe dämpfen. Auch deshalb ist hier zunächst auch der Staat selbst gefragt, etwa wenn es um den Abbau bürokratischer Hürden bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen, oder ausreichende Möglichkeiten zur Kinderbetreuung geht.

Bürokratische Hürden abbauen
Auch der sächsische Arbeitsmarkt braucht Fachkräfte aus dem Ausland. Aus eigener Kraft ist der Bedarf in vielen Branchen schon jetzt nicht mehr zu decken. „Es ist wichtig, dass Geflüchtete zügig in den Arbeitsmarkt vermittelt werden. Auch wenn die Deutschkenntnisse vielleicht noch nicht perfekt sind. Dies trägt entscheidend zu einer schnelleren Integration in die Gesellschaft bei. Arbeit integriert!“, so Sachsens Sozialministerin Petra Köpping. Daran bemesse sich nicht weniger als „die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Job-Turbos“. Arbeitsagentur, Jobcenter, Kammern, Unternehmen, Träger – sie alle müssen nach Ansicht der Ministerin an einem Strang ziehen. „Ich setze große Hoffnungen auf die neuen berufsbegleitenden Angebote der Bundesregierung wie zum Beispiel der berufsbegleitende Sprachkurs. Sprache lernen, die im Berufsalltag gebraucht wird – idealerweise direkt im Berufsalltag in den Betrieben: Das ist für mich genau der richtige Ansatz“, sagt sie.

Bislang – auch das besteht weitgehend Einigkeit – werden die Potenziale in Sachen Arbeitsmarktintegration noch nicht voll ausgeschöpft. „In immer mehr Branchen und Berufsgruppen fehlen Menschen mit passenden Qualifikationen. Unsere Priorität hat die Hebung der vorhandenen Potenziale in Sachsen und geflüchtete Menschen gehören zu diesem Potenzial“, betont Thomas Kralinski, Staatssekretär und Amtschef vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Die derzeit 78 Arbeitsmarktmentoren unterstützen dabei. „Seit Januar 2020 haben sie über 4.200 Geflüchtete und andere Menschen mit Migrationshintergrund sowie mehr als 1.800 Arbeitgeber begleitet. Über 2.300 Teilnehmende konnten in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder Berufsausbildung vermittelt werden“, so der Staatssekretär. Er verweist auf die Initiative „Tandem Sachsen“, die Familien als Ganzes im Blick hat und neben den beruflichen Chancen der Eltern auch die Bildungsperspektiven der Kinder verbessern will. Ein neuer arbeitsplatzorientierter Berufssprachkurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge soll hier weitere Chancen schaffen.
Im Januar waren in Sachsen 10.394 Menschen aus den acht Asylherkunftsländern und 12.278 Ukrainerinnen und Ukrainer arbeitslos gemeldet. 9.843 geflüchtete Frauen und Männer nehmen derzeit an Integrationskursen teil.

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