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Unabhängigkeit bei Rohstoffen – Freiberger Forscher wollen alte Halden nutzen

Deutschland ringt um mehr Unabhängigkeit bei Rohstoffen. Dass dies wichtiger wird, zeigen Beschränkungen beim Export von Gallium und Germanium aus China. Freiberger Forscher sehen dabei alte Deponien und Bergbauhalden als Schatz.

Lesedauer: 3 Minuten

Blick auf eine Bergbau-Abraumhalde
Blick auf eine Bergbau-Abraumhalde. Aus solchen Halden wollen Freiberger Forscher zuvor nicht nutzbare Rohstoffe gewinnen. © Matthias Bein/dpa (Symbolbild)

Freiberg. Das Halbmetall Germanium wurde einst in Freiberg entdeckt. Wusste man zunächst wenig damit anzufangen, ist es heute immens wichtig etwa für Infrarot- und Glasfasertechnik. Weltweit werden davon nur wenige Hundert Tonnen pro Jahr produziert, überwiegend in China. Nur etwas mehr sind es bei Gallium, das für Mikrochips auch in der sächsischen Halbleiterindustrie verarbeitet wird. Die EU stuft beide als kritische Rohstoffe ein und will unabhängiger von Importen werden. Das Potenzial sei da, sagen Wissenschaftler der Bergakademie Freiberg. Um diese Rohstoffe hierzulande mehr zu gewinnen, müssten noch nicht einmal Stollen in den Berg getrieben werden.

„Wir sind kein rohstoffarmes Land“, sagt Martin Bertau, Direktor des Instituts für Technische Chemie der Bergakademie. Sie würden bisher nur zu wenig genutzt. Dabei denkt er gar nicht an Vorkommen in den Tiefen der Erde, die aufwendig mit Bohrungen genauer erkundet werden müssten. Bertau nimmt stattdessen alte Halden in den Blick. Gallium etwa komme in höherer Konzentration in Bauxit vor, dem Grundstoff für Aluminium. Bei dessen Herstellung bleibt Rotschlamm übrig, der auf Deponien landet – und mit ihm das Gallium. „Rotschlamm haben wir in sagenhafte Mengen in Deutschland herumliegen.“

Wie aus einer solchen Halde wieder Kapital geschlagen werden kann, wird in Lauta in der Lausitz geprüft. Dort stand einst das größte Aluminiumwerk Europas, mit der Wiedervereinigung wurde die Fabrik stillgelegt. Geblieben sind zig Millionen Kubikmeter Rotschlamm als Produktionsabfall. „Wir wollen ein Pilotprojekt entwickeln und arbeiten an einer Machbarkeitsstudie“, erklärt Sylvio Piatke von der Stabsstelle Strukturwandel im Rathaus der Stadt. Einen genauen Zeitplan gebe es aber noch nicht. Die Idee sei, nicht nur Rohstoffe wie Gallium zu gewinnen, sondern den Rotschlamm komplett zu verwerten – etwa als Geopolymer, das als Baustoff genutzt wird.

Beschränkungen lassen Preise steigen

Dass Deutschland und Europa gut beraten sind, neue Quellen für solche Rohstoffe zu erschließen, hat im Sommer eine Nachricht aus China gezeigt. Seit Anfang August sind Ausfuhren von Gallium und Germanium dort genehmigungspflichtig und werden von den Behörden kontrolliert. Das spürt das Unternehmen Freiberger Compound Materials mit 350 Beschäftigten. Dort werden Kristalle aus Galliumarsenid gezüchtet, die zu Wafern für die Halbleiterindustrie verarbeitet werden. Daraus werden später Bauteile für Smartphones oder Laser.

Das Unternehmen habe seit Längerem eine strategische Reserve angelegt, sagt Technikvorstand Stefan Eichler. Allerdings habe sich der Preis seit der Lizenzierung außerhalb Chinas um 30 bis 40 Prozent erhöht – Tendenz weiter steigend. „Das eigentliche Risiko ist, dass China den Hahn jederzeit zudrehen kann.“ Das Unternehmen selbst arbeite daran, das Recycling von Produktionsabfällen zu forcieren. Das Potenzial werde bisher etwa zur Hälfte ausgenutzt. Ziel sei, diese Quote auf zwei Drittel zu erhöhen. Den Jahresverbrauch seines Unternehmens an Gallium beziffert Eichler auf „einige zehn Tonnen“.

Im Vergleich zu anderen Rohstoffen ist die Produktion von Gallium und Germanium freilich eine Nische – für viele moderne Anwendungen etwa in der Optoelektronik sind sie dennoch unverzichtbar. Gallium etwa wird laut Deutscher Rohstoffagentur nur in geringen Mengen gewonnen und eingesetzt. Produziert werde es als Beiprodukt bei der Herstellung von Aluminium oder Zink.

Mikroorganismen und Pflanzen sollen helfen

Gallium hierzulande aus Rotschlamm zu gewinnen, schätzt der studierte Physiker Eichler als machbar ein, doch müsse dies zu erträglichen Kosten geschehen. Ziel sei, das Ganze emissionsfrei zu machen, ohne dass dabei neue Halden entstehen, betont Bertau. So könnten neben Gallium auch andere Rohstoffe wie Eisen gewonnen und die Reste in Form von Geopolymeren als Baustoffe Verwendung finden, die wiederum mit weit weniger Energieaufwand hergestellt werden könnten als die klimaschädliche Produktion von Zement. Bertau: „Unser Ziel ist: Am Ende soll von so einer Halde nichts mehr übrig sein.“

Um Gallium und Germanium etwa aus Produktionsrückständen und Halden zu gewinnen, setzen die Forscher auf Mikroorganismen sowie Pflanzen, die solche Stoffe herauslösen und anreichern. Was im Labor funktioniere, werde nun Stück für Stück in größeren Maßstäben erprobt, erklärt der Wissenschaftler. Dazu wurde mit Unterstützung über das Gründungsförderprogramm Exist des Bundes eigens ein Unternehmen ausgegründet.

Mit solchen an der Bergakademie entwickelten Verfahren, ließen sich Versorgungsprobleme für strategisch wichtige Metalle „elegant verringern“, sagt Rektor Klaus-Dieter Barbknecht. „Wir sind längst in einem Stadium, in dem wir Deponien und Bergbauhalden als technische Lagerstätten für Rohstoffe begreifen, die damals nicht wirtschaftlich zu gewinnen waren“, ergänzt Bertau. „Heute haben wir die richtigen Technologien dafür.“ (dpa)

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