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VW lehnt Kretschmers 100-Millionen-Plan ab – Personalabbau in der Gläsernen Manufaktur

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer will den Automobilstandort Sachsen sichern. Ein Brief enthüllt nun konkrete Forderungen über eine strategische Kooperation zwischen dem Freistaat und VW. Doch der Konzern blockt - und offenbart in der Antwort erstmals konkrete Folgen für die Gläserne Manufaktur.

Lesedauer: 3 Minuten

Nora Miethke

Dresden. Ende des Jahres ist Schluss mit der Fertigung in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen (VW) in Dresden. Noch immer ist unklar, wie es dort im kommenden Jahr weitergehen soll. Nicht nur unter den noch 280 Beschäftigten wächst die Unruhe.

Hinter den Kulissen verhandelt der Freistaat Sachsen mit der Marke Volkswagen darüber, wie die Gläserne Manufaktur künftig als Innovationszentrum gemeinsam von VW und der Technischen Universität Dresden genutzt werden kann. Nach Plänen des Freistaats soll die TU Dresden auf der Hälfte der Fläche (rund 25.000 Quadratmeter) mit ausgewählten Excellenzbereichen rund um KI, Robotik, Mobilität der Zukunft und digitaler Zwilling einziehen. Auch ist vorgesehen, dass die vom Bund geförderte Startup Factory „BoOst“ ihren Sitz am Großen Garten findet. Und offenkundig geht das Bestreben der Landesregierung dahin, dass Volkswagen die notwendige Infrastruktur bereitstellt und den Umbau bezahlt.

Forschungsaufträge in Höhe von 100 Millionen Euro gefordert

Diesen Eindruck erweckt zumindest der „Letter of Intent“, den die Sächsische Staatskanzlei am 20. September an VW schickte. Er liegt SZ und LVZ vor. Darin heißt es, „VW übernimmt für die Nutzung durch den Freistaat Sachsen erforderliche bauliche Anpassungen inklusive erforderliche bauliche Anpassungen im Innenbereich“.

Zudem soll der Autobauer zusichern, Forschungs- und Entwicklungsaufträge im Umfang von mindestens 100 Millionen Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren an wissenschaftlichen Einrichtungen des Freistaats Sachsen zu finanzieren – Beginn im Jahr 2026. Alternativ könnte VW auch zehn Stiftungsprofessuren in Höhe von einer Million Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Damit soll in der Gläsernen Manufaktur nicht nur eine „räumliche Verbindung“ zwischen VW und der sächsischen Wissenschaftslandschaft hergestellt werden, sondern auch eine „inhaltliche Zusammenarbeit“. Als Themenschwerpunkte für die Zukunftsforschung werden in dem Brief Schlüsseltechnologien von Künstlicher Intelligenz über Mikroelektronik bis Kreislaufwirtschaft aufgelistet.

VW soll Mindestproduktion von 250.000 Fahrzeugen in Zwickau zusichern

Kretschmer fordert in dem Brief eine „Gesamtlösung für den Automobilstandort Sachsen“. Nicht nur Dresden ist in Gefahr, auch das reine E-Auto-Werk von VW in Zwickau. Nach der Tarifeinigung Weihnachten 2024 fühlen sich viele der rund 9000 Beschäftigten als Verlierer, obwohl der Standort dem Vernehmen nach zu den rentabelsten VW-Werken in Deutschland gehört. Dennoch sollen in Zwickau die Fertigung der Modelle ID.3 und Cupra Born ab 2027 an andere Standorte verlagert werden. Auch für das Motorenwerk in Chemnitz fehlen Zukunftsperspektiven nach dem Verbrenner.

VW galt zu Beginn des Wiedervereinigungsprozesses vor 35 Jahren als Symbol für den Aufbau Ost. Jetzt droht der Autobauer zum Symbol für den Abbau Ost zu werden. Das will Kretschmer verhindern, kennt er doch die politische Gefahr, dass die AfD das als Thema ausschlachten würde.

Kühle Antwort von VW-Markenvorständen

Konkret fordert die Landesregierung in dem Brief eine garantierte Mindestproduktion von 250.000 Fahrzeugen pro Jahr in Zwickau, den ergänzenden Aufbau eines Recyclingzentrums für Altfahrzeuge mit mehr als 200 Beschäftigten sowie eine Gewährleistung der Auslastung des Motorenwerks in Chemnitz und damit die Sicherung der 2000 Arbeitsplätze dort. Nur so würden sich „Domino-Effekte vermeiden lassen, die eine ganze Region in eine industriepolitische Krise stürzen“ könnten, heißt es in dem Schreiben.

Die Antwort der VW-Markenvorstände Thomas Schäfer, Christian Vollmer und Arne Meiswinkel vom 25. September fällt kühl aus. Der Vorschlag eines „Letter of Intent“, der alle VW-Standorte in Sachsen einbezieht, „überrascht“, heißt es. Die geforderte „Gesamtlösung“ sei nicht Inhalte der Gespräche gewesen. Dafür sieht der Autobauer auch keine Notwendigkeit.

Aus diesem Grund besteht keine Notwendigkeit, diese Inhalte in einem weiter gefassten LoI zwischen der sächsischen Landesregierung und Volkswagen zu vereinbaren.

VW-Markenvorstände im Antwortbrief vom 25. September 2025

Zu den Produktionsvolumina in Zwickau, der Werkbelegung und Belegschaftsentwicklung hätte man mit der Arbeitnehmervertretung eine „eindeutige Vereinbarung“ getroffen. „Aus diesem Grund besteht keine Notwendigkeit, diese Inhalte in einem weiter gefassten LoI zwischen der sächsischen Landesregierung und Volkswagen zu vereinbaren“, heißt es in der einseitigen Antwort.

Bei der Gläsernen Manufaktur gilt für die VW-Manager nach wie vor der erste „Letter of Intent“ vom August 2025. Sie bieten die Finanzierung von Forschungsaufträgen von Volkswagen an die TU Dresden in Höhe von 1,5 Millionen Euro pro Jahr über sieben Jahre an. Eine Unterstützung der Hochschullandschaft mit 100 Millionen Euro über zehn Jahre „kommt nicht in Betracht“.

Gläserne Manufaktur soll künftig nur noch 135 Beschäftigte haben

VW verweist auf den Kostendruck, unter dem die Marke stehe. Deshalb könne man über eine „Beschäftigungsperspektive für 135 Mitarbeitende“ in der Gläsernen Manufaktur gemäß dem aktuell diskutierten Konzept nicht hinausgehen. Derzeit arbeiten in der Gläsernen Manufaktur noch 280 Menschen.

Der Autohersteller hatte einst rund 187 Millionen Euro in die Errichtung der Schaufabrik mitten im Stadtzentrum von Dresden investiert, um dort die Luxuslimousine Phaeton zu bauen. 74 Millionen Euro kamen als Fördermittel vom Staat. Die versprochenen 800 Arbeitsplätze wurden allerdings bei weitem nie erreicht.

Unter gewaltigem finanziellen Druck steht allerdings auch Sachsen. Dresden hat eine Haushaltssperre für 2026 verhängt. Auch im Doppelhaushalt des Landes für die Jahre 2025 und 2026 klafft eine Lücke von vier Milliarden Euro. Nachgefragt in der sächsischen Staatskanzlei, wie dort die Antwort von VW bewertet wird, betont Regierungssprecher Ralph Schreiber nur: „Wir verhandeln noch und kommentieren keine Zwischenstände“.

Am 9. Oktober trifft sich laut dem Handelsblatt das sogenannte Executive Board, in dem das VW-Management um Markenchef Schäfer und Betriebsratschefin Daniela Cavallo über das weitere Vorgehen in Dresden beraten wollen.

SZ

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