Andreas Dunte
Leipzig. Sachsens VW-Beschäftigte bangen um ihre Zukunft. Tausende zogen deshalb an diesem Montag vor die Werktore in Zwickau und Chemnitz sowie vor die Gläserne Manufaktur in Dresden. Auch an anderen VW-Standorten bundesweit gab es Warnstreiks.
Auf Transparenten stand „Mehr Geld“, „Für bezahlbare Miete“ oder „Gemeinsam für 7 Prozent“. „Aktuell können wir nur für eine Tarifeinigung kämpfen“, erklärt Martin Lehmann vom Gesamtbetriebsrat der Volkswagen Sachsen GmbH. Nur das lasse die zum Wochenende ausgelaufene Friedenspflicht zu. Gegen die Sparpläne des Vorstandes dürfe man offiziell erst Anfang kommendes Jahres auf die Straße gehen.
Doch die riesige Anzahl von Beschäftigten von VW, von Zulieferern und Sympathisanten an allen drei sächsischen Standorten zeige, dass es um weit mehr geht, so Lehmann weiter.
Sauer ist man, dass VW den neuen Flächentarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie nicht übernimmt. Dabei habe man zur Güte vorgeschlagen, die geforderte Lohnerhöhung in einen solidarischen Zukunftsfonds einzubringen. Dieser ermöglicht Volkswagen, bei Bedarf die Arbeitszeit abzusenken. Doch das lehnt VW Sachsen nicht nur ab – das Management pocht auf massive Tarifeinschnitte.
Der Vorstand spielt mit der Angst aller Beschäftigten von Volkswagen in Deutschland.
Uwe Kunstmann, VW-Betriebsratschef in Sachsen
Und über allem schwebt das Damoklesschwert von Werksschließungen, betriebsbedingten Kündigungen und einer Lohnkürzung von zehn Prozent, wie Gesamtbetriebsratschef Uwe Kunstmann sagt. „Der Vorstand spielt mit der Angst aller Beschäftigten von Volkswagen in Deutschland. Wir fordern eine Zukunftsperspektive für alle deutschen Volkswagenstandorte. Wenn es sein muss, war das heute der Anfang eines heißen Winters.“
Unterstützung signalisiert die Politik: VW wieder auf Vordermann zu bringen, sei richtig und wichtig, sagte Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). „Aber das darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten passieren.“ Jetzt bereits auf E-Mobilität umgerüstete Standorte wie den in Zwickau infrage zu stellen, sei unverantwortlich.
Linke will an das Geld der VW-Eigentümerfamilien
Er begrüße es, dass bei Volkswagen wieder gestreikt und damit Druck für berechtigte Forderungen aufgebaut wird, sagte der Leipziger Linken-Politiker Sören Pellmann. Die Standorte in Sachsen sollten erhalten und so viele Arbeitsplätze wie möglich gesichert werden.
In einem Brief an den VW-Vorstand haben mehrere Politiker der Linken dazu aufgefordert, auch die VW-Eigentümerfamilien an den Lasten zu beteiligen. Ferner seien eine für den Massenmarkt taugliche Modellpalette und der Ausbau des Stromnetzes nötig, um die Infrastruktur für die E-Mobilität voranzubringen.
Autoexperte: Opel-Werk Bochum sollte als Vorbild dienen
VW stecke in einer tiefen Krise. Ohne Einschnitte werde es nicht gehen, meint Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Um wieder für Aufschwung bei Volkswagen zu sorgen, sollten sich der Konzern und das Land Niedersachsen ein Beispiel am Opel-Werk Bochum nehmen.
Das Werk in Nordrhein-Westfalen, wo die Modelle Kadett, Manta, Astra und später Zafira vom Band liefen, wurde 2014 geschlossen, weil Opel insgesamt weniger Fahrzeuge absetzte. Auf dem ehemaligen Werksgelände in Bochum seien blühende Landschaften entstanden, so Dudenhöffer.
Den Anfang habe der Logistiker Deutsche Post DHL mit einem Paketzentrum gemacht, gefolgt von Volkswagen Infotainment – ein Unternehmen, das Software für Autos herstellt. Angesiedelt haben sich auf dem Gelände bis heute Dutzende weitere Firmen wie die Bosch-Tochter ETAS, die Produkte rund um die Sicherheit im Automobilbereich entwickelt und produziert, sowie öffentliche und private Forschungseinrichtungen.
„Land Niedersachsen soll Aktien verkaufen“
„Die Familien der ehemaligen Opelaner, ihre Kinder und auch Enkel haben eine neue Perspektive“, fasst Dudenhöffer zusammen.
Die Werke in Niedersachsen seien zu groß und in ihren Kostenstrukturen nicht wettbewerbsfähig. Statt weiter Front gegen die Pläne des Managements zu machen, sollte das Land Niedersachsen als größter VW-Aktionär seine Aktien verkaufen und mit dem Geld eine neue Zukunft für Teile der VW-Mannschaft ermöglichen.
Laut Dudenhöffer könnte der Aktienverkauf rund fünf Milliarden Euro bringen. „Die blühenden Landschaften bei Opel wurden mit rund 50 Millionen Euro aufgebaut.“ Niedersachsen hätte somit deutlich mehr Geld für die Ansiedlung zukunftsträchtiger Firmen als Bochum.