Weißwasser. Der Salat gedeiht prächtig, die Petersilie gleichfalls. Schnecken kommen den Kräutern und dem Gemüse nicht zu nahe. Denn alles wächst nach oben. Angebaut wird vertikal und nicht im Beet, sondern im Gemüseturm. Beim Findlingspark Nochten kümmert sich Pawel Brac um einen der drei Anbautürme im Norden des Landkreises. Viel Gießen muss der Parkmitarbeiter nicht. Dafür wird nun fast täglich geerntet.
Die UNU-Flores Außenstelle Weißwasser hatte für die ungewöhnliche Anbaumethode Partner im Umfeld gesucht. „VerFarming“ heißt das Projekt, das Ende Mai startete. Geforscht wird dabei zu einem zukunftsweisenden Ansatz für die Landwirtschaft, getestet werden so genannte Anbautürme.
„Wir haben uns beworben, weil auch für unseren Förderverein der Gedanke von Nachhaltigkeit und innovative Lösungen von Bedeutung sind“, sagt Anita Schwitalla, Geschäftsführerin des Vereins Lausitzer Findlingspark Nochten.
Gemüseanbau auf kleinem Platz
Das Projekt untersucht, wie der Anbau frischer Lebensmittel Teil des täglichen Lebens und der Arbeit in der Stadt Weißwasser werden kann – von der Aussaat bis zur Ernte. Es geht dabei unter anderem um die Unterstützung lokaler Lebensmittelproduktion in der Zukunft, Nachhaltigkeit und Ökologie. Bis Oktober noch werden die Daten wie Wasser- und Nährstoffverbrauch der Gemüsetürme gesammelt und später ausgewertet.
Beim Findlingspark machen erfahrene Gärtner wie Pawel Brac mit. Der Verein möchte, dass das Projekt über die Region hinaus bekannter wird. Immerhin kommen jede Saison zwischen 50.000 und 60.000 Besucher, die den grünen Turm bestaunen können. Naschen ist aber noch nicht erlaubt: Bei so vielen Gästen wäre der Turm sonst schnell leer.
Für die Versorgung der Gastronomie bräuchten wir wahrscheinlich mehrere Gemüsesäulen.
Anita Schwitalla, Geschäftsführerin des Vereins Lausitzer Findlingspark Nochten
Tomaten und Co. lassen sich die Parkmitarbeiter in ihrer Frühstückspause schmecken. „Für die Versorgung der Gastronomie bräuchten wir wahrscheinlich mehrere Gemüsesäulen“, blickt Anita Schwitalla schon ein wenig voraus.

Quelle: Findlingspark/Anita Schwitalla
In Nochten wachsen neben verschiedenen Salatsorten und Petersilie auch Lauch, Basilikum, Tomaten, Gurken, grüne Erbsen, Spinat, Rotkohl und Kohlrabi. Erste Erfahrung der Mitarbeiter: Die Tomaten und Salate wachsen besonders gut. „Es ist erstaunlich, dass die Erträge doch relativ hoch sind. Dabei ist der Pflegeaufwand klein“, schätzt Anita Schwitalla ein. Noch ein Vorteil der Türme: Das mühsame Unkraut jäten entfällt in diesem Fall komplett. Und die Methode spart vor allem Platz, aber auch Wasser. Umstellen auf den Gemüseanbau will sich der Findlingspark dennoch nicht. „Wir bleiben bei unseren bisherigen Aufgaben.“
Gemüse vor der Werkstatt-Tür
Frisches Gemüse auf diesem Weg baut auch Unternehmer Sören Flint seit einer Weile an. Die ersten zwölf Tomaten von der Größe eines Tischtennisballs sind geerntet. „Beworben habe ich mich bei dem Projekt aus privatem Interesse heraus“, sagt der 58-Jährige. Sein Turm steht am Eingangsbereich der Werkstatt von Reifen Tripke auf der Jahnstraße in Weißwasser. Das Unternehmen hatte Sören Flint vor 13 Jahren von seinem Vorgänger und damaligem Chef Hans Joachim Tripke übernommen.

Quelle: privat
Nun sprechen seine Kunden Flint nicht nur rund um das Thema Reifenservice und Räder, sondern des Öfteren auf seinen speziellen Gemüseanbau, an. Viele fänden das spannend, auf diese Weise platzsparend und in der Höhe gesundes Essen anzubauen. Dass das Projekt VerFraming durchaus auf Interesse stößt, zeigt sich für Sören Flint unter anderem darin: „Es gab mehr als 20 Meldungen aus dem Raum Weißwasser für die Teilnahme“, sagt er. Überlegt hat sich Sören Flint bislang nicht genau, ob er sein Gemüse künftig und dauerhaft auf Türmen anbaut. Das Forschungsprojekt stecke noch in den Kinderschuhen. Um eine komplette Versorgung mit heimischem Gemüse zu sichern, seien außerdem mehrere Türme notwendig.
Und wie schmeckt ihm und seinem Mitarbeiter das Gemüse, was nicht auf Erde angebaut, sondern mit einer Nährlösung berieselt wird? „Auf jeden Fall intensiver als aus dem Supermarkt und eigentlich so, wie aus dem eigenen Garten.“
Auch die Kita experimentiert
Gekostet haben auch schon die Knirpse der Kindertagesstätte „Zwergenland“. Da steht der dritte, etwa 1,60 Meter hohe Gemüseturm. Den Kindern macht das Gärtnern auf diese Art viel Freude, wie Kita-Mitarbeiterin Dana Schimmank berichtet. Schnittlauch und Co. wurden für die selbst gemachte Kräuterbutter geerntet, der Kürbis braucht noch eine Weile, bis er reif ist.
Das Thema gesunde Ernährung spielt in der Integrationseinrichtung, die mehr als 50 Mädchen und Jungen besuchen, eine wichtige Rolle. Bislang wird Frisches für die Kita auf dem Hochbeet angebaut. Nun steht da der mit Essen begrünte Turm zwischen Wiese und Terrasse. Die ersten Becher, in denen das Gemüse angebaut wird, beginnen sich zu leeren. Im Spätherbst ist vorerst Schluss mit dem Kita-Projekt. Dana Schimmank sagt: „Nach der Ernte werden wir den Turm wieder zurückgeben.“
SZ