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Warum Dresdner Arzneimittel kaum in Deutschland landen

Das Dresdner Pharmaunternehmen Menarini – Von Heyden presst täglich Tonnen von Pillen gegen Herzschwäche. Doch die wenigsten davon landen in der Region. Ein Problem für viele mittelständische Pharmaunternehmen in Sachsen.

Lesedauer: 4 Minuten

Luisa Zenker

Dresden. Weißer Kittel, ein Netz auf dem Kopf, eine Maske um den Bart und viel desinfizieren – für den Industriemechaniker Kai Richter ist das die tägliche Vorbereitung auf die Schicht. Tausende Tabletten laufen jeden Tag an seinem prüfenden Blick vorbei. Werden verpackt und versiegelt. Versagt die Maschine, muss Richter einspringen, die beschädigten Tabletten herausholen, dem Fehler auf die Schliche kommen.

Richter ist einer von 450 Beschäftigten beim Dresdner Arzneimittelhersteller Menarini – Von Heyden. In dem Werk arbeiten Pharmazeuten und Mechaniker eng zusammen, damit rund 10 Tonnen Tabletten täglich hergestellt werden können. Doch nur ein Bruchteil landet in der Region.

Warum der deutsche Markt für Menarini – Von Heyden schwierig ist

Denn nach dem Verpressen, Prüfen und Packen werden die Schmerztabletten aus Dresden in die Welt verschickt. Ein Drittel geht nach Italien, zwei Drittel in über 100 Länder. Rund ein Prozent sind für den deutschen Markt. Warum? „Die Rabattverträge der deutschen Krankenversicherungen“, nennt Geschäftsführer Haitham Siam als einen Grund. Es ist ein Problem, dass viele mittelständische Pharmaunternehmen in Deutschland betrifft:

Die gesetzlichen Krankenversicherungen schließen Mengenverträge mit den Pharmaunternehmen ab, die besonders günstige Medikamente anbieten, erklärt Sprecher Hannes Hönemann vom Verband der Pharmaindustrie.

Dresden: Kai Richter prüft täglich Tausende Tabletten, die in die Welt hinausgeschickt werden.
Dresden: Kai Richter prüft täglich Tausende Tabletten, die in die Welt hinausgeschickt werden.
Quelle: Juergen Loesel

Zu starke Abhängigkeit vom Ausland

In China und Indien sei die Produktion durch niedrige Lohn- und Energiekosten preiswerter, deshalb erhalten sie oft den Vorrang. Der Verband fordert daher, dass Krankenkassen nicht nur auf den günstigsten Anbieter schauen, sondern auch die regionale und nachhaltige Produktion mit einbeziehen.

Hönneman bemerkt, dass die Problematik langsam in der Politik ankommt. Die vorherige Ampelregierung habe einen Pharmadialog mit den Unternehmen gestartet, die aktuelle Bundesregierung will das nun fortsetzen. Corona habe offenbar gelehrt, dass bei Krisen eine zu starke Abhängigkeit zu Lieferengpässen führen kann.

Geschäftsführer Haitham Siam leitet seit einem Jahr das Unternehmen Menarini – Von Heyden in Dresden.
Geschäftsführer Haitham Siam leitet seit einem Jahr das Unternehmen Menarini – Von Heyden in Dresden.
Quelle: Juergen Loesel

Geschäftsführer Siam kann dem nur zustimmen, ergänzt aber, dass auch die steigenden Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Umwelt zu höheren Produktionskosten in der Branche führen.

Dresden: Der Ursprung der Produktion liegt im 19. Jahrhundert

Die Produktion an der Leipziger Straße blickt auf eine lange Tradition. Hier entwickelte der Chemiker Friedrich von Heyden 1874 erstmals ein Verfahren, um Salicylsäure, den Ausgangsstoff für Aspirin, chemisch rein im industriellen Rahmen herstellen zu können. Zu DDR-Zeiten gehörte der Standort zum Arzneimittelwerk Dresden, damals wurde hier noch alles selbst gemacht.

2006 übernahm das italienische Pharmaunternehmen Menarini den Standort, der international agierende Konzern mit Sitz in Florenz beschäftigt heute mehr als 17.800 Personen und hat einen Umsatz von 4,6 Milliarden. Menarini hat 18 Produktionsstandorte, mit Schwerpunkt in Italien und Spanien. In Deutschland ist er mit 2400 Beschäftigten in Berlin und Dresden aktiv.

Dresden: Die Arzneimittelproduktion an der Leipziger Straße blickt auf eine lange Geschichte.
Dresden: Die Arzneimittelproduktion an der Leipziger Straße blickt auf eine lange Geschichte.
Quelle: Juergen Loesel

Um an die historische Arzneimittelgeschichte Dresdens zu erinnern, führt der Konzern den Standort in der Landeshauptstadt als Menarini – Von Heyden GmbH fort.

Aspirin wird in Dresden nicht mehr produziert

Aspirin wird hier aber nicht mehr hergestellt, dafür Tabletten und Filmtabletten gegen Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Schmerzen, Magen-Darm-Krankheiten und Erektionsproblemen bei Männern.

Wir könnten 2500 Tonnen Tabletten im Jahr produzieren. – Haitham Farouk Siam, Geschäftsführer

Seit der Übernahme hat der Konzern über 100 Millionen Euro in den Standort investiert und die Jahreskapazität von 500 Tonnen Tabletten auf das Fünffache erweitert. „Wir könnten 2500 Tonnen Tabletten im Jahr produzieren“, erklärt der Geschäftsführer Haitham Siam. Der 48-Jährige leitet seit einem Jahr das Unternehmen, der Ägypter hat vorher für andere namhafte Pharmaunternehmen wie Novartis und Sandoz gearbeitet, mit seinen Beschäftigten spricht er auf Englisch.

Grundstoffe für Tabletten kommen aus dem billigeren Asien

Dieser internationale Flair ist auch in den Laborgängen zu spüren, die Beschäftigten kommen aus über 22 verschiedenen Ländern. „Man kann sich an verschiedene Tische in der Kantine setzen, und bekommt ganz unterschiedliche Kulturen zu spüren“, sagt Personalleiter Christian Redlich.

Auch die Produktionsleiterin Vania Rori wuchs eigentlich in Italien auf, seit 12 Jahren aber überwacht die studierte Apothekerin die Herstellung der Tabletten in Dresden. Sie läuft nach ganz oben, denn dort beginnt die Produktion.

Weißes Pulver wird in einer lärmenden Maschine durchmischt. „Mehl muss auch zu Pasta verarbeitet werden“, erklärt sie den Vorgang. Die Wirkstoffe werden meist aus Asien in die Dresdner Hallen in großen Packungen geliefert, denn dort sei die Produktion in Hinblick auf Lohn und Energie günstiger.

Diese Wirkstoff-Mischung wird dann in Dresden in mehreren komplexen Schritten zu Tabletten verpresst. Ein Viertel der Beschäftigten ist allein dafür zuständig, im Labor die Tabletten auf ihre Qualität zu kontrollieren.

Menarini von Heyden in Dresden: Hier lösen sich die Tabletten in Magensäure auf.
Menarini von Heyden in Dresden: Hier lösen sich die Tabletten in Magensäure auf.
Quelle: Juergen Loesel

Im nächsten Jahr feiert das Unternehmen 20 Jahre am Standort Dresden. Siams Wünsche: „Mehr Unterstützung der Regierung für regionale mittelständische Pharmaunternehmen, damit wir auch in Zukunft hier produzieren können.“

SZ

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