Von Ulrich Langer
Klingenthal. Klingenthal – weltweit ein Begriff für hochwertigen Musikinstrumentenbau. Bekannt sind etwa die Akkordeons der Marke Weltmeister. Aber wer denkt schon an das idyllische Städtchen im Vogtland, wenn er im Labor Blut abgenommen bekommt oder eine Gewebeprobe zur Untersuchung entnommen wird? Wohl kaum jemand. Dennoch ist dies gar nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn schließlich werden bei der Firma Injecta GmbH Klingenthal jährlich mehrere Millionen Spezialkanülen und Präzisionsfeinröhrchen für medizinische und technische Anwendungen gefertigt. Und das zu großen Teilen durch vollautomatische Verfahren. „Ein Weltmarktführer auf diesem Gebiet“, lobt Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter unlängst bei einem Firmenbesuch. Rasch fügt der 51-Jährige hinzu: „Das ist nicht nur beachtlich, das ist herausragend.“
Damit sich diese Erfolgsgeschichte auch in den nächsten Jahren fortsetzt, modernisiert das Unternehmen seine Produktionsabläufe. Es wird ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag investiert. Frank Riemer-Keller (60), Injecta-Geschäftsführer, konkretisiert: „Im Mittelpunkt stehen dabei digitale Prozesse, die Steigerung von Effizienz und die weitere Automatisierung – Themen, die wir konzernweit vorantreiben. Davon versprechen wir uns einen großen Wettbewerbsvorteil.“ Nicht zuletzt auch vom großen Engagement der 260 Beschäftigten des Unternehmens, das 1921 in Berlin gegründet wurde und seit 81 Jahren in Klingenthal beheimatet ist. „Die Vogtländer zeichnen sich durch Pfiffigkeit und Verlässlichkeit aus. Das kommt unserem Unternehmen mehr als zugute“, lobt Riemer-Keller. Diese Eigenschaften seien auch nötig, weil Injecta hoch innovativ agiere. Das schließe eben ständige Verbesserungen der überaus komplexen Prozesse ein – heißt, sich immer wieder auf Neues einzustellen. „Nur so gelingt es uns, den höchsten Anforderungen an unsere Produkte gerecht zu werden.“
Das beginnt bei der Herstellung der Standard- und Sonder-Kanülen – etwa für Biopsien mit Kronen- oder Franseenschliff, Epidural- oder Spinalkanülen, Butterfly-Kanülen und geht bis hin zu speziellen Präzisions-Rohrteilen für Medizin und Technik. „Im Schnitt stellen wir jährlich hunderte verschiedene Teile her. Dabei ist von enormem Vorteil, dass wir stückzahlmäßig von wenigen bis zu vielen Millionen bieten können, je nach Bedarf der Kunden.“
Und die finden sich in der ganzen Welt. Nicht zuletzt, weil Injecta seit 1990 zur international agierenden Sarstedt-Gruppe, einem weltweit führenden Familienunternehmen der Labor- und Medizintechnik mit Stammsitz in Nümbrecht im Oberbergischen Kreis in Nordrhein-Westfalen, gehört. Es produziert mit mehr als 3000 Mitarbeitenden an über 30 Standorten in Europa, Australien und Amerika und verfügt über 34 Vertriebsorganisationen – und bietet somit eine starke Basis. Sein Jahresumsatz liegt im Schnitt im mittleren dreistelligen Millionenbereich.
Die schönste Station des Berufslebens
Aber nicht nur diese globale Ausrichtung ist ein Markenzeichen von Injecta. Vielmehr kommt es auf höchste Qualität in jedem Fertigungsschritt an. „Wir haben es ja mit Medizintechnik zu tun – da sind Präzision und Sauberkeit das A und O“, betont Riemer-Keller. Der diplomierte Maschinenbauer – er hat an der TU Chemnitz studiert – spricht nicht ohne Hochachtung über die enormen Herausforderungen. „Gleichzeitig ist es unser Anspruch, Produkte kontinuierliche weiterzuentwickeln und zu verfeinern.“ Neue Schliffformen kämen etwa ins Spiel. „Bei einer Kanüle tut es weh, wenn die Spitze in die Haut sticht. Deshalb ist vor allem die spezielle Oberflächenrauheit des Materials außerordentlich wichtig. Das heißt, wir vermindern die Reibungsschmerzen durch Haftungsminimierung der Oberfläche“, erklärt der Firmenchef. Eine weitere Besonderheit ist das maximale Reinheitsgebot. Reinstraumfertigung ist angesagt. „Nur so können wir den Höchststandards, die in der Medizin gelten, gerecht werden“, betont Riemer-Keller. Deshalb wird jede Kanüle zum Schluss nochmals 100prozentig geprüft. „Eine Kontrolle, die computergesteuert erfolgt, und erst dann wird an die Kunden ausgeliefert.“ Derzeit wird ein zweites, automatisiertes Schleifzentrum eingerichtet sowie modernste Laserbearbeitungstechnik installiert. „Damit stärken wir nicht nur unsere Fertigungstiefe, sondern können Abläufe noch effizienter und digitaler gestalten“, erklärt Riemer-Keller. Und sichere damit „seine Basis für nachhaltiges Wachstum.“ So könne „die Sarstedt-Gruppe auch künftig ihren Umsatz- und Ertragszuwachs fortsetzen“.
„Dienst am Menschen“
Innovation als Antrieb – „das ist das Tolle an unserem Beruf“, schwärmt Riemer-Keller. Der gebürtige Glauchauer, der in Grünhain bei Aue-Schwarzenberg wohnt, weiß, wovon er spricht. Immerhin führt er seit 25 Jahren international tätige Unternehmen. Beim Automobilzulieferer Borsal-Oris Stuttgart ist er zugange gewesen, später bei Thyssen-Krupp in Bilstein bei Trier. „Jetzt hier in Klingenthal ist die schönste Station meines Berufslebens.“ Daran „schuld“ sei auch die Medizintechnik. „Es ist ein Dienst am Menschen, den wir leisten. Diesen immer weiter zu verbessern, ist nicht nur ein herrliches Gefühl, sondern auch eine große Verantwortung.“ Dass dies auch mit beeindruckenden Fertigungsverfahren verbunden ist – von der eigenen Rohrherstellung, über die weitere Verarbeitung und Veredlung bis hin zur Säuberung und Verpackung in Reinräumen – „das macht schon in gewisser Weise stolz, dies alles zu beherrschen“, betont der Geschäftsführer. Und das noch möglichst umweltgerecht. So garantiert die neue, vollautomatisch betriebene Abwasseranlage, dass nur unbedenkliches Wasser in die Kanalisation gelangt. Gleichzeitig reduzieren innovative Bearbeitungsmaschinen beim Schleifen die Abwassermenge deutlich. Umweltschonender zu produzieren ist ein hoch zu schätzender Aspekt, nicht zuletzt mit Blick auf die nahe gelegene Vogtland-Arena mit der bekannten Sprungschanze in herrlicher Naturumgebung.
Beeindruckt ist auch Wirtschaftsminister Panter von den Neuerungen bei Injecta. Mit der Werkserweiterung im Jahr 2021 verfügt der Betrieb nun über 16.500 Quadratmeter Produktionsfläche auf drei Etagen. Nicht zuletzt mit Blick auf die Digitalisierung der Produktionsprozesse ist der SPD-Politiker des Lobes voll: „Das ist ein Quantensprung. Ich wünsche dabei allen Erfolg der Welt. Hier in Klingenthal ist ein Weltmarktführer par excellence am Wirken – das ist sehr beeindruckend.“ Geschäftsführer Riemer-Keller greift den Gedanken auf: „Unsere Stärke entsteht vor Ort. Wir investieren in den Standort – in Menschen, moderne Technik und nachhaltige Prozesse. Damit schaffen wir langfristig Sicherheit für unsere Beschäftigten und positionieren das Vogtland als leistungsfähigen Standort innerhalb der Sarstedt-Gruppe.“


