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Warum ein IT-Betrieb Hauptschülern eine Chance gibt

Bei der Dresdner IT-Beratung ITM arbeiten Menschen mit Studien-, aber auch mit Hauptschul- abschluss. Mit ihrer Philosophie des lebenslangen Lernens wurde die ITM nun als Arbeitgeber der Zukunft ausgezeichnet.

Lesedauer: 3 Minuten

Ausbildung bei den Eltern – das kann schiefgehen, muss aber nicht. Studentin Lisa Hoogestraat jedenfalls will bei ihrem Vater Klaus in der Gesellschaft für IT-Management einsteigen. Die ITM wurde erst kürzlich als Arbeitgeber der Zukunft ausgezeichnet. Foto: SZ/Veit Hengst

Bei der Dresdner IT-Beratung ITM arbeiten Menschen mit Studien-, aber auch mit Hauptschul-
abschluss. Mit ihrer Philosophie des lebenslangen Lernens wurde die ITM nun als Arbeitgeber der Zukunft ausgezeichnet.

Von Lucy Krille

Dresden. Der Geschäftsführer der Dresdner Gesellschaft für IT-Management (ITM) Klaus Hoogestraat erzählt fast ein bisschen stolz von der Weihnachtsfeier, die bis morgens halb sieben ging. Man könnte also zumindest vermuten, dass die Stimmung in seinem Team passt. Dieses ist bunt zusammengewürfelt: ausgebildete Fachinformatiker arbeiten mit Werkstudentinnen zusammen, auch Menschen ohne Realschulabschluss gibt Hoogestraat eine Chance.
Das ist einer der Gründe, weshalb die ITM im Dezember zum „Arbeitgeber der Zukunft“ durch das Deutsche Innovationsinstitut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung (DIND) in Hamburg ausgezeichnet wurde. Als eines von vier sächsischen Ausgezeichneten gilt das Unternehmen neben großen Namen wie der Otto Group oder der Deutschen Telekom nun offiziell als „zukunftsfähig“. DIND ist ein privates Institut, das nach einem zweistufigen Prüfverfahren ein Siegel vergibt. Dabei fließen eigene Angaben des Unternehmens mit ein, sowie die Einschätzung des Instituts.

Der Fokus der Auszeichnung liegt auf den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die beiden Begriffe sind für Hoogestraat nicht neu. Das Wort Nachhaltigkeit mag er nicht mal, da es von vielen missbraucht würde. Sein Büro sei schon seit Jahren papierfrei, zudem wurden LED-Licht und Thermostate eingebaut.
Digital ist die ITM zudem schon seit ihrer Gründung 2006, da ihr Geschäftsmodell auf eben solchen Lösungen aufbaut. Mitarbeitende aus den Bereichen Consulting, Informatik, Technik und Systemadministration betreuen die Hard- und Software von deutschen und internationalen Betrieben.
Ein junger Mann in der Hard- und Softwarebetreuung kam mit einem Hauptschulabschluss zur ITM und fragte nach Arbeit. Hoogestraat suchte gerade Leute und gab dem Hauptschüler eine Chance. Knapp drei Jahre später betreut dieser große Kunden, darunter einen mit 130 Arbeitsplätzen, der mit seiner Technik umgezogen ist. Das Wissen, das er in der anspruchsvollen IT-Branche braucht, erwirbt der junge Mann berufsbegleitend durch gezielte Schulungen, etwa zum Einrichten von Windows-Servern.

Sprachkenntnisse fehlen oft
Das größte Problem sind fehlende Englischkenntnisse, erzählt Hoogestraat, was in der IT-Branche schwierig ist, da viele Seiten auf Englisch sind. „Aber er kniet sich da so rein“, sagt der Chef über seinen Schützling, der jetzt einen Sprachkurs auf A3-Niveau absolvieren soll. Nach fünf Jahren Berufserfahrung will er dann seinen Lehrabschluss als Fachinformatiker in der Systemadministration nachholen. Durch die Beschäftigung im Betrieb kann er sich bei der IHK auch ohne Ausbildung für die Prüfung anmelden. Für die ITM hat es sich also ausgezahlt, nicht nur auf das Schulzeugnis zu schauen. Vor Kurzem hat Hoogestraat es erneut gewagt und einen Jugendlichen aufgenommen, der den Bewerbungszeitraum für eine Ausbildung verpasst hatte. Nun hilft er im Servicebereich aus, wenn zum Beispiel Kunden und Kundinnen das Passwort vergessen haben. Auch mit ihm funktioniere es gut.

Immer wieder neue Geschäftsmodelle im Fokus
Bei ITM sollen junge Menschen sich ausprobieren – auch wenn dabei mal Fehler passieren. Doch die gehören zum Leben und Lernen dazu – so das Motto. Das Team sitzt in einem schlichten Obergeschosses im Dresdner Stadtteil Pieschen. Gegenüber vom Eingang steht eine Sitzecke mit blauen und weißen Sofas. Hier verbringen die Mitarbeitenden ihre Pausen, wenn sie nicht mit der Murmelbahn aus dem 3D-Drucker spielen. Das Spiel ist Teil der lockeren Atmosphäre, die Hoogestraat schaffen will. Die geräumige Küche kann zum gemeinsamen Kochen genutzt werden, das Team will dafür nun auch gerettete Lebensmittel nutzen.
Hoogestraat beschreibt sich selbst als kreativen Typ, der viel ausprobiert. Auch während der Arbeit setzt sich das Team immer wieder mit neuen Themen und Geschäftsmodellen auseinander. Bundesweit hat ITM fast 60 Kunden und Kundinnen aus 30 verschiedenen Branchen. Neben der Soft- und Hardwarebetreuung berät die ITM zu Informationssicherheit, Datenschutz und Arbeitsschutz.
Kunden und Kundinnen wie TÜV Süd, den Bremer Senat oder den sächsischen Windradhersteller Enercon treiben vor allem Fragen zum Datenschutz um. Die ITM profitiert gewissermaßen davon, dass viele Unternehmen und Organisationen verunsichert sind, da immer wieder neue Regeln kommen, vor allem während der Corona-Pandemie. „Darf man den Impfstatus speichern und wie lange?“, nennt Hoogestraat eine der Fragen, die aufkamen. Zusammen mit Juristen und Juristinnen wurden dann individuelle Regelungen aufgestellt.
Da sich die Anforderungen auch an sein Team immer wieder verändern, legt Hoogestraat großen Wert auf Weiterbildung. „Vor zwei Jahren habe ich 35.000 Euro in die Ausbildung meiner neun Mitarbeiter gesteckt“, nennt er eine Kennzahl. „Wenn Geld gebraucht wird, wird das investiert.“ Alle bekommen einen individuellen Plan, wann und in welchen Bereichen sie weitergebildet werden. ITM arbeitet dafür mit der Haufe Akademie oder der IHK Chemnitz-Zwickau zusammen. Sie organisiert aber auch selbst Schulungen für das Team und Externe. Inzwischen hat das Unternehmen fast 7.000 Leute geschult und plant nun eine eigene Akademie mit Angeboten für den öffentlichen Bereich.
Davon profitieren auch die fünf Werkstudenten und Studentinnen aus dem Bereich Informatik, die an den Projekten selbstständig mitarbeiten. „Gerade als Studentin fehlt ja oft diese Praxis“, sagt eine von ihnen, Lisa Hoogestraat. Sie ist die Tochter von Klaus Hoogestraat und will nach dem Studium voll ins Unternehmen einsteigen, das dann zum klassischen Familienbetrieb werden könnte. Auch Hoogestraats Frau ist bei der ITM beschäftigt.
Tochter Lisa arbeitet gern mit ihren Eltern und ist gleichzeitig unter vielen Gleichaltrigen. Das Durchschnittsalter unter den 19 Mitarbeitenden liegt in etwa bei 30. Das junge Team ist stark gewachsen: In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Zahl der Mitarbeitenden verdoppelt. Davon können andere Betriebe nur träumen.

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