Von Irmela Hennig
Bautzen. Senf gibt es noch nicht. Dafür Honig aus Bautzen, Bautzen-T-Shirts, Tassen und Teller mit sorbischen Motiven, ein Stadtspiel, aber unter anderem auch Eierlikör, Nudeln, Schmuck oder Taschen. Was im ersten Moment nach Sammelsurium klingt, ist ein durchdachtes Laden-Konzept. Es nennt sich „Lokalregal“. Anfang Dezember 2024 wurde das Geschäft in der Bautzener Karl-Marx-Straße eröffnet, nahe dem Altstadtkern. Unternehmer Beno Brězan, der unter anderem das Online-Jugendmagazin „Bautzen.Rocks“ herausgibt, betreibt es mit seinem Team. Hier können regionale Künstler, Kunsthandwerker, Lebensmittelhersteller, Designer und andere ein Regal mieten, ihre Produkte präsentieren und verkaufen lassen. Dafür zahlen sie eine Regalmiete. Manches werde vom Ladenbetreiber auch direkt ein- und dann weiterverkauft.
Das „Lokalregal“ ist eine Idee, um Leerstand zu begegnen. Aber auch, um Anbietern eine Möglichkeit zu schaffen, Kunden zu gewinnen, ohne selbst in einen Shop investieren zu müssen. Die Idee dazu hatte Annett Scholz-Michalowski. Seit zwei Jahren ist sie Innenstadtmanagerin von Bautzen. Die Fotografenmeisterin hatte im Advent zudem auf dem Bautzener Wenzelsmarkt, so heißt hier der Weihnachtsmarkt, eine Pop-up-Hütte eingerichtet. Ähnlich dem Pop-up-Store, also einem Kurzzeitladen. Nacheinander boten dort neun Händler und Hersteller wie Bäcker, Schneider, Kunsthandwerker Waren an. „Das ist sehr gut angekommen“, so Annett Scholz. 2025 soll es eine Fortsetzung geben. Doch die Bautzenerin wollte nicht nur „Kurzzeit“, sondern etwas schaffen, was nachhaltiger, langfristiger ist. Darum das „Lokalregal“. Keine komplette Neuerfindung; im Erzgebirge beispielsweise gibt es Ähnliches. Beno Brězans Erfahrung nach den ersten Monaten: Vor allem Dinge mit Bautzen-Bezug beziehungsweise Souvenirs verkaufen sich gut. „Davon hätten wir gern mehr.“ Vor Weihnachten sei auch Schmuck gefragt gewesen.
Gute Ideen spannend präsentieren
Menschen vernetzen, Veranstaltungen unterstützen, Partner für spannende Ideen finden – das gehört zum Aufgabenspektrum von Annett Scholz. Fast 30 Jahre lang hat sie in Bautzens Innenstadt ein Fotoatelier betrieben. Hat zudem Messen und Veranstaltungen zu den Themen Hochzeit, Reisen und Genuss auf die Beine gestellt. Kennt durch beides viele Leute.
Als die Stadt Bautzen das Projekt Innenstadtmanagement ausschrieb, habe sich das Radeberger Planungsbüro Schubert mit ihr als Managerin beworben und den Zuschlag erhalten. 400.000 Euro Bundesfördermittel stehen dafür bis 2027 zur Verfügung.
Als es losging, waren nach Angaben der Stadt 92 Innenstadt-Geschäfte ohne Nutzer. Fast 20 Leerstände habe man inzwischen beseitigen können, so Annett Scholz. Man müsse nicht immer eins zu eins ersetzen, was vorher drinnen war. So lädt in einem ehemaligen Café nun die Volkshochschule zu Workshops, Lesungen, Diskussionen und Vorträgen ein. Ein Ex-Laden wurde zum Ferienapartment umgestaltet – eine Annett-Scholz-Idee. Gäste können dort urlauben mit Blick aufs städtische Treiben, werden selbst – eine spezielle Schaufensterbeklebung macht es möglich – nicht gesehen. In ihrem früheren Atelier hat Annett Scholz als Akquise aus dem Innenstadtmanagement heraus mit weiteren Künstlern die Lauengalerie ins Leben gerufen. Hier stellen zwölf Kunstschaffende ihre Werke aus, für die es sonst kaum Plattformen gebe. Ein Verein sei in Gründung. Leerstand mit Kunst beleben, die Innenstadt mit Vernissagen und Veranstaltungen bereichern, ist das Anliegen. Ausprobieren ist bei all dem ein wichtiger Punkt, auch wenn die Gefahr bestehe, zu scheitern. Annett Scholz wünscht sich, dass dies in Deutschland einfacher wäre; doch eine Niederlage könne Mutige auch finanziell langfristig in große Schwierigkeiten bringen.
Jetzt ist Halbzeit für das neue Innenstadtmanagement. Man schaue „auf zwei sehr erfolgreiche Jahre zurück“, sagt Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt. „Uns ist es gelungen, die Innenstadt wieder deutlich zu beleben und Leerstand zu beheben.“ Es bleibe ein großer Kraftakt, da sich nicht zuletzt auch das Kaufverhalten der Konsumenten verändert habe. Er erinnere sich an einige sehr kreative Projekte, aber auch interessante Neueröffnungen im Zentrum. „Zugleich freue ich mich, wenn Bautzen Magnet für vielfältige Geschäftsideen in dieser Branche wird“, so Vogt.
Gründer brauchen langfristige Begleitung
Leben in die Stadt bringen, allzumal im ländlichen Raum? Ungenutzte Läden füllen?! Ein hoher Anspruch für Innenstadt- oder Citymanagement. Ein zu hoher vielleicht? Nein, sagt Michel Reink vom Handelsverband Deutschland. Er ist zugleich Präsident des Citymanagerverbandes Ost. Das Management könne da einiges leisten. Es müsse aber genügend Geld zur Verfügung stehen.
Reink verweist auf ein Programm in der niedersächsischen Stadt Lohne, wo es gelungen sei, Leerstände zu hundert Prozent zu beseitigen. Für freie Räume wurden Gründer gewonnen, beschreiben die Verantwortlichen. Allerdings gab es 100.000 Euro an Fördermitteln. Im Fazit nennt Lohnes Verwaltung auch Stolpersteine. So brauchen gerade Gründer, die Neues aufbauen, eine langfristige Begleitung. Und man müsse Eigentümer von Immobilien überzeugen, den Startwilligen mal bei der Miete entgegenzukommen. Gespräch also ist ein Stichwort. Auch, um Ausgleich zu suchen, wenn sich die einen auf den raren freien Flächen mehr Parkplätze, die anderen da mehr Außengastronomie wünschen, so Michael Reink. Er sieht Innenstadtmanager darum als „Scharnier zwischen allen Zielgruppen“. Die Zahl solcher Akteure in Deutschland schätzt er auf rund 500. Bei der Stellengestaltung sei das Spektrum breit. Manche seien städtische Mitarbeiter, treffen Entscheidungen in der Verwaltung mit. Andere seien in Vereinen ehrenamtlich engagiert.
Auch Anne Hasselbach ist Citymanagerin – und zwar für die Stadt Kamenz. Sie findet das grundsätzlich „eine feine Sache“. Menschen bräuchten Ansprechpartner vor Ort, die sich auskennen, gut vernetzt seien. In Kamenz hat sie positive Erfahrungen gemacht mit Beteiligungsformaten unter anderem für „schwierige“ Straßen. „Wichtig ist immer eine vorausschauende Stadtentwicklung.“ Das gehe nur Hand in Hand mit der Kommune, so Anne Hasselbach. Allerdings bremse da beispielsweise auch in Kamenz die Haushaltslage manches aus.
Geld spiele natürlich eine Rolle, wie Michael Reink einräumt. „Es wäre schön, wenn Citymanager Geld zur Verfügung hätten, um Dinge auszuprobieren“, meint er als jemand, der zehn Jahre selbst in Stralsund den Manager-Job innehatte. Er spricht also aus Erfahrung.
Die lehrt auch, dass es Rückschläge gibt. So wenn, wie Annett Scholz erzählt, plötzlich der einzige echte Bastelladen der Stadt ankündigt, zu schließen. Auch da sieht sie sich gefragt, will das Gespräch suchen. Kooperationen, sich einen Shop teilen, sei in solchen Fällen eventuell eine Möglichkeit für Ladenbetreiber, um Wege zum Weitermachen zu finden.