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Was Sachsens zweitgrößte Nahrungsmittelfabrik Anona jetzt vorhat

Anona in Colditz hat schon wieder angebaut und Maschinen für Fitnesspulver bestellt. Wie der Betrieb mit seinen anonymen Produkten wachsen will.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht eine Maschine in einem Betrieb.
Hier wird Fitnesspulver automatisch in Tütchen verpackt. Anona-Mitarbeiter Ronny Bauch stellt die neue Maschine ein - der Betrieb in Colditz hat einen Anbau bekommen. © dpa/Hendrik Schmidt

Von Georg Moeritz

Colditz. Erst riecht es ein wenig nach Kakaopulver. Ein paar Schritte weiter, zwischen den vielen weißen Plastesäcken ohne Aufschrift, duftet es etwas fruchtiger. Ist auch etwas Vanille dabei? Wer die Nahrungsmittelfabrik von Anona in Colditz im Kreis Leipzig besucht, der darf sich zwischen vielen Geschmacksrichtungen orientieren. Schließlich mischen die 609 Beschäftigten von Anona rund 2.000 verschiedene Zutaten. Ein Teil davon rieselt aus den Säcken durch Siebe und Löcher im Boden ins darunterliegende Geschoss, wo Verpackungstechnik fast automatisch arbeitet.

Die Anona-Geschäftsführer Matthias Dietzsch und Wolfram Strauch haben am Freitag den jüngsten Anbau eingeweiht, mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und viel Eis aus der firmeneigenen Softeispulver-Strecke. Von Anona kommt nämlich auch das Eis mit dem Pinguin als Werbefigur. Bei Softeis ist der Betrieb mit rund 50 Sorten laut Dietzsch Marktführer in Deutschland.

Im Westen müsse die Marke aber noch bekannter werden, im Osten gab es das Softeis aus Colditz seit 1970. Bäcker und Eisverkäufer müssen das Pulver nur mit Wasser anrühren, mit den richtigen Maschinen ist es nach zehn Minuten fertig. Die Anona-Beschäftigten bekommen im Sommer jeden Mittwoch einen Lieblingseisbecher.

Sportlernahrung kommt seit 1994 aus Colditz

Das Hauptgeschäft macht Anona aber mit anderem Pulver: Nahrungsergänzungsmittel, Fitnesspräparate. Als „Sportlernahrung“ kamen die ersten Colditzer Pülverchen 1994 auf den Markt. Das Nährmittelwerk der Familie Schlobach musste sich damals neu erfinden, nachdem der Betrieb im neuen Wirtschaftssystem von 120 auf 30 Beschäftigte geschrumpft war. Heute ist Anona die zweitgrößte Nahrungsmittelfabrik im Freistaat nach Sachsenmilch. Allein im letzten Jahr hat Wolfram Strauch, auch fürs Personal zuständig, mehr als 100 Menschen eingestellt. Die Belegschaft ist gewachsen, obwohl automatisiert wurde.

In die neue Halle samt Technik investierte Anona 16 Millionen Euro. Vorzeige-Anlagen sind die beiden Hochgeschwindigkeits-Abfülllinien. Jede kann pro Schicht 100.000 Folientüten (Sachets) mit Pulver füllen, bedrucken, verschließen und in Kartons packen. Auf denen stehen dann auch schon das Mindesthaltbarkeitsdatum und eine Nummer für die Rückverfolgbarkeit. Die Handelskunden in aller Welt wollen wissen, woher ihr „Power Cocktail“ oder ihre Tüte „Vitamin Power“ kommt.

Großkunde aus Luxemburg bringt Anona in alle Welt

Anona steht nämlich nicht auf den Packungen. In den Supermärkten und Drogerien stehen Fantasienamen der Handelsketten auf den Tüten und Riegeln. In Fitnesscentern gibt es auch bunte Flüssigkeiten und Pillen aus Colditz. Ein wichtiger Kunde ist die PM-International Gruppe aus Luxemburg, für die gerade das „Nahrungsergänzungsmittel Restorate Citrus“ abgefüllt wird. Laut Aufschrift enthält es Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamin D.

Die Firmenchefs sagen auf Nachfrage, dass sie selbst gerne mal einen der Eiweißriegel aus der eigenen Produktion essen. Aber natürlich sei es Geschmackssache, ob man alle der jährlich 1.000 Neuheiten aus dem firmeneigenen Labor möge. Die Beschäftigten bekämen jedenfalls auch regelmäßig Obst angeboten, außerdem Jobrad, Zuschuss für Kinderbetreuung, und für die kaufmännischen Beschäftigten seien zwei Tage mobiles Arbeiten pro Woche erlaubt.

Auch Anona muss sich inzwischen umschauen, um Personal zu halten und zu finden. Wer 75 Millionen Riegel pro Jahr herstellen und 20.000 Tonnen Pulver verarbeiten will, kann keine Lücken in der Produktion brauchen. Der Produktionsmitarbeiter Ronny Bauch stellt gerade eine Verpackungsmaschine ein, die Zahlen etwas zu kräftig auf die Tütchen gepresst hat. Mithilfe eines deutsch-vietnamesischen Personalbüros in Leipzig kamen die Colditzer an ihre beiden ersten Auszubildenden aus Vietnam. Die kamen mit ihrer Freundlichkeit so gut an, dass vier folgen durften. Nächstes Jahr will Anona 20 Auszubildende auf diesem Weg gewinnen. Auf Azubi-Tagen und anderen Messen bemüht sich das Unternehmen weiterhin auch um einheimische Bewerber, neun Berufsakademie-Studierende sind im Betrieb.

Neue Technik: Faltschachtelpacker für Vierrandsiegelbeutel

Der neue Werksteil soll die Pulver-Produktion von Anona konzentrieren, die bisher auf drei Standorte im Städtchen verteilt war. Der Bau bietet Platz für 14 Linien. Dazu gehört auch der Faltschachtelpacker für Vierrandsiegelbeutel. Die Anlagen drücken auch überflüssige Luft aus den Folienbeuteln und verschließen sie. 686 Solarmodule auf dem Dach zeigen nach Süden und bringen den Strom für Kühlung und Lüftung. Der Umsatz von Anona ist voriges Jahr um 15 Prozent gewachsen, auch durch Preissteigerungen. Die Summe ist geheim, doch der Geschäftsbericht nennt für 2022 ein Rohergebnis von 44 Millionen Euro und 3,8 Millionen Gewinn. Die Chefs erwarten weiteres Wachstum: Lifestyle-, Wellness- und Fertigprodukte seien gefragt.

Hier fährt ein Gabelstapler auf den Fotografen zu. Rund um die Bigpacks im Lager duftet es nach Kakao und Vanille.© dpa/Hendrik Schmidt

Anona sieht sich als Spezialist für innovative Sporternährung, Diätprodukte und Nahrungsergänzung. „Funktionelle Lebensmittel“ kommen aus Colditz. Mit Pulvern macht Anona den meisten Umsatz. Pulver lässt sich in Proteindrinks, Shakes und Suppen verwandeln. In den Handel kommt es zum Teil in bauchigen Kunststoffbehältern, etwa als „Super-Mega-Masse“ zum Muskelaufbau beim Training. Das Unternehmen bietet nach eigenen Angaben „Wellnessprodukte“ für Sportler und Aktive, die sich modern und gesund ernähren möchten.

Das sächsische Unternehmen kümmert sich um Entwicklung, Produktion und Verpackung. Da gibt es Kapseln und Kekse, Tabletten und Ampullen mit Flüssigkeiten in vielen Farben. Auch wenn Anona mit seinem Namen keine Markenwerbung beim Endverbraucher macht – gegenüber seinen direkten Kunden nennt sich Anona selbstbewusst „der Nahrungsmacher“. Mehr als 30 Menschen arbeiten in der Entwicklungsabteilung. Sie kombinieren mehr als 2.000 Rohstoffe und kommen dabei auf 1.000 neue Produkte pro Jahr. Die Entwickler kennen nach eigenen Angaben die Märkte weltweit: „Wir erspüren Entwicklungen, bevor sie zu Trends werden“, heißt es auf der Internetseite.

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