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Wasser, Säure, Dreck: Was Nachbarn den Chef der ESMC-Fabrik in Dresden fragen

Bald ist Richtfest für die ersten Bauten der künftigen Mikrochipfabrik ESMC in Dresden. Im Container empfängt der Firmenchef zur Bürgersprechstunde. Manche bleiben skeptisch.

Lesedauer: 3 Minuten

Georg Moeritz

Dresden. Wer mit dem Auto zur Bürgersprechstunde kommt, muss am Wachhäuschen neben Baustellentor 5 halten: Eine Wachhabende mit Warnweste und Helm bittet freundlich, in Reihe 3 zu parken. Ihr Kollege hält den Gästen die Tür zu einem Container auf. Im Innern hängen Luftbilder von Dresdens größter Baustelle, der künftigen Mikrochipfabrik ESMC.

Etwa 40 Plastestühle sind mit Blick auf einen Bildschirm aufgestellt, hinter ihnen ein Modell der künftigen Fabrik. Bitte lächeln, einige Besucher machen erst mal ein Selfie vor dem Modell. Dann füllen sie die Sitzreihen, wenige Plätze bleiben frei.

Richtfest mit Tradition aus Deutschland und Taiwan

Manche haben sich über die Internetseite der Firma angemeldet, teilweise Fragen eingereicht. Pflicht war das nicht. Zur Bürgersprechstunde darf jeder kommen. Auch der Vertreter einer Solardachfirma, der dem Fabrikchef eine Angebotsmappe in die Hand drücken will. Der dankt freundlich, er bekommt viele Angebote.

Der promovierte Physiker Christian Koitzsch hat schon die benachbarte Bosch-Mikrochipfabrik geleitet, nun ist er Chef der European Semiconductor Manufacturing Company (ESMC), der europäischen Halbleiterfabrik. Die Dresdner Firma hat 60 Beschäftigte, es sollen mal 2000 werden.

Torsten Seiler, Gebietsleiter für Investitionen der Stadtentwässerung Dresden, stellt als Gast bei ESMC die geplanten Leitungen vor.
Torsten Seiler, Gebietsleiter für Investitionen der Stadtentwässerung Dresden, stellt als Gast bei ESMC die geplanten Leitungen vor.
Quelle: SZ/Georg Moeritz

Koitzsch zeigt auf dem Bildschirm Texte in der Firmensprache Englisch, erläutert sie aber auf Deutsch. Der Bau liege „gut im Plan“, sagt der Geschäftsführer. In der ersten Dezemberwoche wird er das erste Richtfest feiern, für die Bürobauten. Bei der Etappenfeier sollen zwei Traditionen kombiniert werden: der deutsche Richtkranz und die taiwanische Gewohnheit, das letzte Bauelement zu signieren und hochzuheben.

Der taiwanische Konzern TSMC besitzt 70 Prozent des Dresdner Unternehmens, die anderen Anteilseigner sind die Chipkonzerne Infineon, Bosch und NXP. Sie werden bei ESMC Mikrochips in Auftrag geben. Um den Bürobau kümmert sich ein Gemeinschaftsunternehmen der Firmen Drees & Sommer und Max Bögl, für den Fabrikbau ist Exyte zuständig.

Wir liegen gut im Plan, nächste Woche ist Richtfest für die Büros. – Christian Koitsch, Geschäftsführer ESMC

Bau und Maschinen kosten nach früheren Angaben gut zehn Milliarden Euro, Koitzsch spricht nun von 10,5 Milliarden – „die größte Investition in der Geschichte Sachsens“. Fünf Milliarden davon zahlt der Staat. Koitzsch fasst die Begründung für die Subvention zusammen: Anderswo ließen sich Mikrochips billiger herstellen, aber die Europäische Union wolle weniger abhängig von anderen Regionen sein.

Die Gäste der Bürgersprechstunde haben keine Frage zu den Subventionen. Schon bei der ersten Sprechstunde im August fragten die Teilnehmer vor allem nach Verkehrsbelastung, Flächenversiegelung und Wohnungsbau. Weil die geplanten Leitungen vielen Nachbarn Sorgen machen, hat ESMC diesmal Fachleute von Sachsen-Energie und Stadtentwässerung dazugeholt.

Christian Koitzsch ist Geschäftsführer des Dresdner Mikrochip-Unternehmens ESMC, das 2027 die Produktion aufnehmen soll.
Christian Koitzsch ist Geschäftsführer des Dresdner Mikrochip-Unternehmens ESMC, das 2027 die Produktion aufnehmen soll.
Quelle: SZ/Georg Moeritz

Die erste Wortmeldung aus dem Publikum kommt nach einer halben Stunde, als Sachsen-Energie-Projektleiter Steffen Klinger den Netzknoten Volkersdorf erwähnt. Der soll die Stromversorgung der Fabrik sichern, weil das Umspannwerk Altwilschdorf nördlich der Globalfoundries-Chipfabrik erst Ende 2030 fertig werden dürfte. Die Produktion bei ESMC soll 2027 beginnen.

Der Netzknoten sei „uns in Volkersdorf als Übergangslösung verkauft“ worden, sagt ein Mann. „Wird er wirklich wieder abgebaut?“ Klinger sagt, die Stromleitung bleibe bestehen, aber aus aktueller Sicht gebe es keinen Grund, den Netzknoten dauerhaft zu betreiben. Wenn das Umspannwerk fertig sei, werde es die 380-Kilovolt-Leitungen des Unternehmens 50Hertz mit den 110-Kilovoltleitungen der Sachsennetze verbinden.

Chipfabriken mit Energiehunger und Wasserbedarf

Klinger spricht von „großem Energiehunger“ der Chipfabriken und erinnert daran, dass auch Infineon und Globalfoundries ihre Produktion ausbauen und Bosch Platz für einen Erweiterungsbau habe. Torsten Seiler, bei der Stadtentwässerung Gebietsleiter für Investitionen, rechnet künftig mit 40 Prozent des Abwassers in Dresden aus der Chip-Industrie.

Die Bürgersprechstunde verlagert sich an Info-Tische der beiden kommunalen Unternehmen. Doch auch bei Koitzsch stellen sich Bürger an. Eine Frau klagt über Schlamm auf der Radeburger Straße, ihr Mann spricht von faustgroßen Steinen. Außerdem blende das Baustellenlicht. Koitzsch verspricht: „Das nehme ich mit“, so habe er das noch nie gehört.

Ein Paar aus Klotzsche hat gehört, dass in seiner Nähe jemand Wohnungen für ESMC-Beschäftigte bauen wolle, und sorgt sich um die Grünflächen. Der Fabrikchef versichert, ESMC plane selbst keinen Wohnungsbau. Ein Mann möchte wissen, ob bei der Fabrik Gift auslaufen könne. Koitzsch sagt, dass die Tanklaster beispielsweise Schwefelsäure nur über einer „Tanktasse“ entladen würden; bei einer Havarie werde alles aufgefangen.

Zwei Männer aus Volkersdorf beklagen die Flächenversiegelung und wollen von Koitzsch hören, ob die Regenrückhaltebecken der Fabrik ausreichen, „damit wir nicht absaufen“. Der Geschäftsführer klappt seinen Laptop auf und zeigt Daten, die er schon im Radeburger Stadtrat vorgetragen habe: Auch an Starkregen sei gedacht worden. Die Männer bleiben skeptisch.

ESMC plant die nächste Bürgersprechstunde für Februar, möglicherweise mit einem Schwerpunkt auf Verkehrsfragen. Der Termin soll auf esmc.eu angekündigt werden.

SZ

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