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Wasserstoff-Straßenbahn kommt: Was das für den Görlitzer Nahverkehr bedeutet

Überraschung: Trotz Wasserstoff-Förderstopp erhalten die Forschungen zu Europas erster Wasserstoffbahn in Görlitz Unterstützung. Es gibt einige alte Ideen, die mit einer solchen Bahn Renaissance feiern könnten.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht eine Bahn in Görlitz.
So könnte sie aussehen, die erste Wasserstoffbahn Europas. Getestet werden soll sie ab Ende 2026 in Görlitz. © Hörmann Vehicle Engineering

Von Susanne Sodan

In knapp drei Jahren soll in Görlitz Europas erste Wasserstoff-Straßenbahn auf den Schienen stehen und getestet werden. Das hatte der Chef der Görlitzer Verkehrsbetriebe (GVB), André Wendler, bereits zum Neujahrsempfang der Stadt angekündigt. Doch jetzt ist das Projekt greifbarer geworden: Rund acht Millionen Euro Fördermittel hat der Bund für die Entwicklung einer wasserstoffbetriebenen Straßenbahn zugesagt.

Den Hut auf hat bei dem Projekt die Hörmann Vehicle Engineering GmbH in Chemnitz, die mit Görlitz, mit dem Leipziger Straßenbahn-Unternehmen Heiterblick, dem Robotik-Unternehmen Flexiva im Erzgebirge und der TU Chemnitz zusammenarbeitet. „Wasserstoffantriebe werden zukünftig fester Bestandteil neuer Fahrzeugentwicklungen sein“, teilt Volkmar Vogel von Hörmann Vehicle Engineering mit. Mit Blick nach Asien, wo Wasserstoff-Trams bereits im Einsatz sind, hatte er 2019 die Projektidee für eine Straßenbahn mit Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Antrieb entwickelt, die ohne Oberleitung auskommt. Es gehe also nicht um eine Konkurrenz zu üblichen Oberleitungsbahnen, sondern: Wasserstoff-Bahnen könnten eine Alternative sein für Strecken, auf denen Oberleitungen nicht nötig oder nicht sinnvoll sind, erklärt Vogel.

Wo eine Wasserstoffbahn in Görlitz Sinn hätte

Neue Stadtteile oder Randgebiete könnten so einfacher und mit geringeren Kosten für den Bau der Infrastruktur erschlossen werden. Für Görlitz könnte das ganz neue Optionen bedeuten. Oder besser: Alte, bislang nicht umsetzbare Vorhaben könnten eine Renaissance erleben. Görlitz will klimaneutrale Stadt werden, Verkehr spielt dabei eine große Rolle. So hatten die GVB voriges Jahr auch moderne Busse mit Elektro- und mit Wasserstoffantrieb getestet. Immer wieder gab es, teils seit Jahrzehnten, aber auch Ideen, das Straßenbahnnetz zu erweitern, etwa zum Klinikum Görlitz. Früher gab es auch eine Straßenbahnlinie nach Rauschwalde, die aber kurz vor der politischen Wende eingestellt wurde. Drittens war immer die Anbindung in die Görlitzer Schwesternstadt Zgorzelec Thema.

Bus nach Zgorzelec stark nachgefragt

Seit Anfang 2023 gibt es die grenzüberschreitende Buslinie A zwischen Görlitz und Zgorzelec, die gut angenommen wird, sagt Ulf Klimke, Sprecher der Görlitzer Verkehrsbetriebe. „Wir sind mit der Entwicklung der Europastadt-Linie und dem Europastadt-Ticket sehr zufrieden.“ In den ersten zwölf Monaten seien über 26.000 Tickets verkauft worden. „Erfreulicherweise hat sich der Ticketverkauf nach dem Start positiv entwickelt – sogar trotz Einführung des Deutschlandtickets, das auch auf der Europastadt-Linie gilt und damit gewissermaßen ein ‚Konkurrenzprodukt‘ darstellt.“ Eingependelt hat sich der Verkauf bei rund 2.100 Tickets monatlich.

Gegen die Idee einer grenzüberschreitenden Straßenbahn würde das Interesse freilich nicht sprechen. Zumal auch beim Zgorzelecer Bürgermeister Rafal Gronicz der Ausbau des Nahverkehrs auf der Vorhabenliste, wegen finanzieller Schwierigkeiten aber auch auf der Warteliste steht. Zgorzelec, Klinikum, Rauschwalde: Auf Görlitzer Seite wurde bereits vor drei Jahren in der Debatte um die neuen Niederflurbahnen angedacht, in einem zweiten Schritt das Görlitzer Schienennetz in diese drei Richtungen auszubauen. Wenn es dafür nicht den Bau neuer Oberleitungen bräuchte, wäre eine Umsetzung sicher leichter. Eine Großinvestition wäre es trotzdem. Für die neuen Niederflurbahnen und die nötigen Modernisierungen in der Infrastruktur hatte Görlitz über 60 Millionen Euro aus den Kohleausstiegs-Millionen erhalten.

Wasserstoff-Förderung gerade gestoppt

Die Forschungen für die Wasserstoff-Tram selbst werden derweil vom Bundesministerium für Verkehr und Digitales unterstützt. Von den acht Millionen Euro gehen 1,2 Millionen an die TU Chemnitz, wo Thomas von Unwerth die Professur für Alternative Fahrzeugantriebe innehat. „Wasserstoff kann seine Voreile in Zukunft vor allem dort ausspielen, wo große Massen über lange Strecken transportiert werden“, zum Beispiel auch im Personenverkehr, schildert er. Viele technische Fragen gilt es aber noch zu klären. Und: Ein praktikabler Einsatz von Wasserstoff-Trams ist freilich auch davon abhängig, dass Wasserstoff-Tankstellen verfügbar sind.

Doch für viele andere Wasserstoff-Projekte könnte für eine Weile erst mal Pause herrschen. Am Mittwoch hat das Verkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) in der „Klüngel-Affaire“ um einen Abteilungsleiter und die Vergabe von Fördermitteln die Reißleine gezogen und die Wasserstoff-Förderung gestoppt. Daher war die Nachricht, dass die Förderung für die Forschungen für die erste Wasserstoffbahn Europas durchgegangen ist, eine schöne Überraschung für Görlitz. Es herrschte schon mal Pech für das Projekt, wie der Heiterblick-Chef Samuel Kermelk kürzlich der SZ erzählte: Ein Förderantrag für einen Prototyp traf auf die Haushaltssperre des Bundes. Umso größer ist jetzt die Freude.

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