Im Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ stehen 62 Sofortmaßnahmen für Sachsen. Einige davon lesen sich ganz allgemein und wie Selbstverständlichkeiten. Die Unterstützung von Existenzgründungen in der Lausitz zum Beispiel, oder auch Förderprogramm Sonderzulage ländlicher Raum. Aber einige Punkte klingen schon recht konkret.
Dazu gehören ein Aufbaustudium „Intelligente Fertigung“ an der Staatlichen Studienakademie Bautzen, ein Stundentakt auf der Bahnstrecke Dresden–Bautzen–Görlitz und die Schaffung eines sorbischen Kompetenzzentrums für Wirtschaft und Strukturwandel. Und ein Projekt, das Königswarthas Bürgermeister Swen Nowotny (CDU) sehr aufmerksam gelesen hat: Wehrtechnisches Instandsetzungs- und Versorgungszentrum Ost (Mechanische Werkstätten Königswartha – Defence GmbH).
Der Ort würde attraktiver
Was Bürgermeister Nowotny bisher erfuhr, hält er „für unsere Gemeinde als sehr vorteilhaft“. Demnach sollen die Mechanischen Werkstätten Königswartha Militärtechnik warten und instandsetzen. „Dadurch besteht die Chance, vorhandenes Wissen in der Firma zu nutzen und zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Somit würde auch die Attraktivität der Gemeinde Königswartha als Grundzentrum im Landkreis Bautzen weiter steigen“, hofft der Bürgermeister. Die zusätzlichen Arbeitsplätze könnten für Bergleute entstehen, die jetzt noch in Lausitzer Kohletagebauen arbeiten. Genau darum ging es auch der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, oft verkürzt als Kohlekommission bezeichnet: Wenn Deutschland bis 2038 nach und nach aus der Kohle aussteigt, brauchen die Reviere neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze. „Dennoch ist es bis zur Umsetzung noch ein weiter Weg“, ahnt der Bürgermeister.
Genau deshalb hält sich das von der Kommission genannte Unternehmen im Moment auch noch sehr zurück. Bodo Pflugner als Beauftragter der Mechanischen Werkstätten Königswartha (MWK) übt sich in Geduld: „Unser Vorschlag, ein Instandsetzungs- und Versorgungszentrum Ost für die Bundeswehr in der Oberlausitz aufzubauen, liegt im Sächsischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und wird geprüft. Eine Entscheidung zur Fortführung soll bis Ende Mai 2019 erfolgen.“ Pflugners Formulierung „unser Vorschlag“ deutet darauf hin, dass die Idee für ein militärisches Instandsetzungs- und Versorgungszentrum aus dem Unternehmen selbst kam und von der Kohlekommission aufgegriffen wurde.
Erfahrung auf diesem Gebiet bringen die Mechanischen Werkstätten reichlich mit. Als Munitionsanstalt der Deutschen Wehrmacht errichtet, produzierte der Betrieb auch zu DDR-Zeiten mit mehr als 1 000 Beschäftigten Waffen und Munition für die Nationale Volksarmee (NVA). Das Betriebsgelände galt damals als eines der am besten bewachten im ganzen Land.
Ab 1990 drehten sich dann die Maschinen in umgekehrter Richtung. Jetzt wurden Granaten, Patronen und Geschosse vernichtet, die zuvor hier hergestellt worden waren. 1992 kaufte der US-amerikanische Konzern General Atomics den Treuhandbetrieb in Königswartha. Der Name der Investoren löste im Ort Besorgnis aus, die neuen Besitzer könnten auf dem Betriebsgelände Atommüll lagern. Das wollten sie nicht, sondern eine Vernichtungsanlage für alte Munition errichten. Doch mit dem Widerstand aus der Bevölkerung im Rücken lehnte der Gemeinderat seinerzeit den Bau der Anlage ab. General Atomics zog sich aus Königswartha zurück und verwirklichte seinen Plan in Lübben. Bei MWK gingen daraufhin vorübergehend die Lichter aus, bis einheimische Investoren das Unternehmen 2010 wiederbelebten. Es fertigt jetzt unter anderem Ersatzteile für Wehrtechnik.
Strukturwandel ist jetzt Chefsache
Ob und ab wann die Königswarthaer Militärtechnik auch warten und reparieren, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Das Ganze liegt jetzt nicht mehr im sächsischen Wirtschaftsministerium, sondern direkt in der Staatskanzlei, wo Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) den Strukturwandel im Kohlerevier zur Chefsache gemacht hat. Der für Revierkommunikation zuständige Referatsleiter Stephan Gößl erwartet von der Bundesregierung ein Maßnahmengesetz, „für welches bis Ende April 2019 die Eckpunkte erarbeitet werden sollen. Konkrete Einzelheiten oder Vorgaben des Bundes liegen uns dazu allerdings noch nicht vor.“ Für alle Vorschläge in dem 336 Seiten langen Abschlussbericht der Kohlekommission werde am Ende das Geld nicht reichen – was aber im Moment weder eine Zu- noch eine Absage an die Königswarthaer Idee ist.
So lange nichts entschieden ist, wird sich auch die Armee nicht äußern. Stabsfeldwebel Michael Seidel vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz erklärt nur: „Die Bundeswehr wächst. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Personal, das Material und die Infrastruktur.“
Von Tilo Berger
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