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Wie der Traditionsbetrieb Von Ardenne jetzt seine Zukunft sichert

Was mit Manfred von Ardenne begann, ist heute ein Lieferant der Energiewende. Unter Leitung von Pia von Ardenne hat das Unternehmen gerade eine andere Dresdner Firma gekauft.

Lesedauer: 4 Minuten

Manfred von Ardenne, in schwarz-weiß vor einem großen Eichenholzschrank an seinem Schreibtisch sitzend.
Der Erfinder Manfred von Ardenne starb 1997 in Dresden-Weißer Hirsch. Sein Unternehmen wächst weiter und übernimmt eine andere Dresdner Firma.

Von Georg Moeritz

DresdenWeiße Blockbuchstaben auf dunklem Grund: Der Firmenname Von Ardenne dehnt sich in Dresden aus. Nach dem Firmensitz in Dresden-Weißig hat die Firmengruppe jetzt ihren zweiten „Campus“ in Niedersedlitz eingerichtet. Von Ardenne hat dort das Unternehmen VTD Vakuumtechnik Dresden gekauft und drei benachbarte Hallen dazugemietet. Damit wächst die Belegschaft des Traditionsunternehmens auf mehr als 1.000 Mitarbeiter.

Von Ardenne entwickelt Beschichtungsanlagen und lebt heute vor allem von Kunden in den Branchen Fotovoltaik und Architekturglas. Doch bekannt geworden ist der Name durch den Erfinder Manfred von Ardenne, der mit 16 Jahren sein erstes Patent anmeldete.

Er interessierte sich für Fernseh- und Medizintechnik und erfand 1937 das hochauflösende Rasterelektronenmikroskop, das mit einem Elektronenstrahl Oberflächen abtastete. Auf dem Weißen Hirsch in Dresden durfte Manfred von Ardenne die größte privatwirtschaftliche Forschungseinrichtung im Ostblock aufbauen, mit bis zu 500 Mitarbeitern.

Vakuumtechnik beschichtet in Dresden Kfz-Kolbenringe

Der prominente Erfinder ist 1997 in Dresden gestorben, doch der Betrieb unter seinem Namen ist weiterhin ein Familienunternehmen: Den Verwaltungsrat der Firmengruppe leitet Pia von Ardenne, die in den vergangenen Jahren die Geschäftsberichte als Pia von Ardenne-Lichtenberg unterschrieb. Ihr Stellvertreter ist Dr. Benjamin von Ardenne. Dem dreiköpfigen Aufsichtsrat der Holdinggesellschaft gehört Johannes von Ardenne an.

Heute beschäftigt die Firmengruppe Von Ardenne allein in Dresden 800 Menschen und bietet weltweiten Service mit Mitarbeitern unter anderem in China, Indien, den USA und Vietnam. Auch Standorte in Chemnitz und Frankfurt am Main beschäftigen sich mit Anlagenbau. Dazu gehört nun auch die bisherige Vakuumtechnik Dresden mit rund 60 Beschäftigten, die in den Konzern eingegliedert wurden. Auch die E-Mail-Adressen wurden schon umgestellt, etwa auf vtd@vonardenne.biz.

Der neue Name steht schon dran: Von Ardenne hat die VTD Vakuumtechnik Dresden an der Niedersedlitzer Straße übernommen – und damit viel Hallenfläche.

André Korn, zuständig fürs Beteiligungsgeschäft der Firmengruppe, nennt die Technologien der beiden Unternehmen „komplementär“ – sie ergänzen einander. Die Kernkompetenz von VTD ist die Hartstoffbeschichtung, vor allem für die Automobilindustrie. Mit VTD-Anlagen beschichtet zum Beispiel das Unternehmen Federal-Mogul in Dresden Kolbenringe, um den Abrieb zu verringern. „Das hatten wir bisher nicht im Portfolio“, sagt Korn.

Ardenne und Vakuumtechnik belieferten Stahlwerk Freital

Dieser Kunde soll Von Ardenne erhalten bleiben, auch wenn der US-Konzern Tenneco als Besitzer von Federal-Mogul dessen Tochterfirma VTD nun verkauft hat. Zuvor war Tenneco von einem Finanzinvestor übernommen worden. „Wir schauen uns solche Chancen immer genau an“, sagt Beteiligungsexperte Korn, der froh über den Zukauf ist. VTD beschichtet auch Reflektoren im Automobilbau und in der Lichtindustrie.

In der 1960er-Jahren hatte VTD schon mit dem damaligen Forschungsinstitut Manfred von Ardenne in der Entwicklung zusammengearbeitet – etwa bei Hochvakuumtechnik für Elektronenstrahlöfen für das Stahlwerk Freital. VTD lieferte auch Maschinen für Prestigeprojekte wie die riesigen Teleskope der europäischen Forschergemeinde in Chile, deren Spiegel immer wieder beschichtet werden müssen.

Vorgänger war der Staatsbetrieb Hochvakuumtechnik Dresden mit zeitweise 2.500 Mitarbeitern und eigener Glasbläserei. Technologien und Patente von VTD sind nun auf Von Ardenne übergegangen. Von Ardenne möchte den bisherigen VTD-Standort in Dresden-Niedersedlitz langfristig ausbauen. Schon mehrmals musste die Firmengruppe Hallen mieten, nun hat sie erst einmal reichlich Platz. Eine Erweiterung neben der Zentrale in Weißig sei damit nicht ausgeschlossen, sagt Korn.

Wasserstoff-Technologie braucht Beschichtungen

Der Zukauf stärkt das Vakuumtechnik-Cluster Dresden, sagt Mark Offermann, Leiter der Kommunikation bei Von Ardenne. In Deutschland gebe es noch ein zweites Cluster für Vakuumtechnik, am Main im Raum Frankfurt/Hanau. Die Technologie sei wichtig für viele Anwendungen, nach denen die Nachfrage steigt: Erzeugung erneuerbarer Energien, energiesparende Bauelemente und Smartphones.

Von Ardenne ist Spezialist für Beschichtungen, mit denen mikro- bis nanometerdünne Funktionsschichten auf Glas, Metallband oder Folie aufgebracht werden können. Diese Materialien sind die Grundlage für Solarmodule, Architekturglas oder Smartphone-Displays. Auch für E-Mobilität wird Beschichtung laut Offermann wichtiger. Oberflächen werden damit zum Beispiel leitfähig oder kratzfest – in mehreren Prozessschritten.

Das Archivbild von 2015 gibt Einblick in eine der Vakuumbeschichtungsanlagen, mit denen mikro- bis nanometerdünne Funktionsschichten auf Glas, Metallband oder Folie aufgebracht werden können.

Hoffnung setzt Von Ardenne auch in die Wasserstofftechnologie: Elektrolyseure und Brennstoffzellen brauchen beschichtete Elemente. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in den USA bringe der Firmengruppe Rückenwind. Laut Geschäftsbericht für 2021 wird Von Ardenne bis auf Weiteres keine Kunden mehr in Russland, der Ukraine und Belarus bedienen, weil eine vertragskonforme Abwicklung nicht mehr unabhängig sichergestellt werden könne. Die Projekte dort im Bestand stünden ohnehin für Umsätze im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

Manfred von Ardenne hatte sich auch mit Exportfragen beschäftigt: In einem Vorwort zur Schrift „10 Jahre Forschungsinstitut Manfred von Ardenne“ schrieb er 1965: „Beim Handel mit den befreundeten Völkern sollten wir nie beanspruchen, dass uns Aufträge aus politischer Freundschaft gegeben werden … Wir müssen weiter einkalkulieren, dass uns in absehbarer Zeit auch solche Aufträge aus dem sozialistischen Lager nicht mehr bevorzugt gegeben werden, welche uns heute infolge der Abschirmwirkung des noch bestehenden westlichen Embargos zufallen.“

Dutzende neue Patente in einem Jahr angemeldet

Beschlossen wurde 2021, eine zusätzliche Service-Niederlassung in Indien zu eröffnen. 2002 war Von Ardenne in den chinesischen Markt für Glasbeschichtungsanlagen eingestiegen. Mitarbeiter von Von Ardenne Vacuum Equipment (Vave) in Schanghai betreuen bei Kunden Beschichtungsanlagen für Architekturglas und Metallband sowie für die Fotovoltaikbranche.

Allein im Jahr 2021 hat Von Ardenne 39 Patente in Deutschland und 27 im Ausland angemeldet. Der Konzernlagebericht für das Jahr nennt 219 Millionen Euro Umsatzerlöse, davon 64 Prozent in Asien und elf Prozent in Nordamerika. Der Auftragseingang verdoppelte sich auf den Rekordwert von 368 Millionen Euro. Zuvor hatte es zeitweise Kurzarbeit gegeben – die Auslastung des Unternehmens schwankt.

Von Ardenne beteiligt sich auch an Entwicklungsprojekten mit staatlicher Förderung, die auf der Internetseite des Unternehmens aufgeführt sind – zum Beispiel an einem großformatigen Parabolrinnenreflektor mit Spiegeln aus präzise gebogenem Trägerglas, auf das ein spiegelnd beschichtetes Flachglas laminiert wird. Das kann nicht jeder.

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