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Wie die Energiewende in Sachsen jetzt weitergeht

Die Sächsische Energieagentur Saena zeigt bei der jährlichen Tagung Schlaglichter der Energiewende. Leag-Projekte an den bisherigen Kraftwerksstandorten gehören dazu - und die Kernfusion.

Lesedauer: 4 Minuten

Die Landesgrenzen von Sachsen und Brandenburg sind grafisch blau dargestellt. Die Kohlekraftwerke der LEAG sind in gelb eingezeichnet.
Der Braunkohle-Verstromer Leag will an seinen Kraftwerksstandorten auch künftig Energie erzeugen. Was sonst geplant ist, sagten Experten beim jährlichen Saena-Symposium in Dresden.

Von Georg Moeritz

Dresden. Ist die Energiewende gescheitert, weil das billige russische Gas als erhoffte Brückentechnologie nicht mehr strömt? Beim jährlichen Fachsymposium der Sächsischen Energieagentur Saena in Dresden war von Braunkohle kaum noch die Rede, von Erdgas und Wasserstoff umso mehr. Staatssekretär Gerd Lippold (Grüne) aus dem sächsischen Energieministerium sagte am Mittwoch, die Energiewende sei nicht gescheitert, sondern „well and alive“, also lebendig. Der Ausstieg aus der Kohle werde vom Markt getrieben, „schneller als wir gedacht haben“. Experten stellten Beispiele für die Energiewende vor.

Staatssekretär Lippold sagte, Sonne und Wind seien die mit Abstand günstigsten Energiequellen. Zur Ergänzung würden flexible Kraftwerke benötigt. Das bisherige Braunkohleunternehmen Leag habe Gaskraftwerke mit drei Gigawatt Leistung in Genehmigungsverfahren. Deutschland habe bei der Energiewende einen „erheblichen Wettbewerbsvorteil“, weil es früh eingestiegen und besonders weit sei.

Zur Diskussion um die Erneuerung von Haushaltsheizungen sagte Lippold, bei der Wärmewende seien jetzt teils schmerzhafte Entscheidungen getroffen worden. Doch entschlossenes Handeln zur CO2-Vermeidung sei nötig. Die Planung von Windenergieanlagen über Forstgebieten werde in Sachsen „vorsichtig“ angegangen. Die heimische Solarindustrie müsse gestärkt werden: „Wir dürfen nicht 55 Abhängigkeit von russischem Gas ersetzen durch 90 Prozent Abhängigkeit von chinesischer Solarindustrie.“

Größter deutscher Solarpark entsteht bei Leipzig

Der größte deutsche Solarpark entsteht derzeit in Sachsen: in Witznitz bei Leipzig mit 650 Megawatt installierter Leistung. Er könne helfen, die Spannung im Stromnetz zu stabilisieren, sagte Cornelius Heck, Fachgebietsleiter für Großprojekte beim ostdeutschen Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz. Heck sagte, ohne Netzstabilität würden die nötigen zusätzlichen Leitungen nichts nützen. Derzeit nutze 50 Hertz die knappen Hochspannungsleitungen je nach Witterung so stark aus wie möglich: An einem kalten Wintertag hänge die Leitung nicht so stark durch und könne mehr Strom transportieren.

Leag will alle Kraftwerksstandorte erneuern

Leag-Manager Thomas Hörtinger wiederholte Zusagen des Konzerns, die Energiewende in der Lausitz mit Milliarden-Investitionen mitzugestalten. Der Leiter für Steuerung und Optimierung des Cottbuser Konzerns versprach, jeder Kraftwerksstandort werde erneuert. Schwarze Pumpe und Lippendorf bekämen Gaskraftwerke mit 600 bis 900 Megawatt Leistung – und zwar „H2-ready“, also geeignet für die Umstellung auf Wasserstoff. Solche Gaskraftwerke seien aber im Moment nicht wirtschaftlich, Unterstützung werde nötig.

Die Leag hat laut Hörtinger jetzt 7.200 Beschäftigte, darunter 380 Auszubildende. Es waren 8.000, bevor die ersten Braunkohlekraftwerke heruntergefahren wurden. Doch voriges Jahr hat die Leag nach Angaben des Managers 1.000 Menschen eingestellt, weil zwei Kraftwerksblöcke in Brandenburg aus der Reserve wieder hochgefahren wurden und auch die Tagebaue mehr liefern mussten.

Die Leag habe das Ziel, grüne gesicherte Grundlast bereitzustellen und „preisstabilen“ Strom zu liefern. Für Boxberg in Sachsen sei ein „grünes modular erweiterbares Flexibilitätskraftwerk“ geplant, als Kombination aus Stromspeicher und Wasserstoffanlage samt Elektrolyse und Verstromung. Auf den Stromspeicher „Big Battery Lausitz“, der Ende 2020 im Schwarze Pumpe mit 53 Megawattstunden Speicherkapazität in Betrieb ging, werde in Boxberg im kommenden Jahr die „Big Battery Oberlausitz“ mit 137 Megawattstunden folgen. Der Speicher bestehe aus Lithium-Ionen-Batterien.

Leipzig plant eigene Wasserstoff-Elektrolyse

Die Stadt Leipzig hat 2019 ihren Kohleausstieg beschlossen. Stadtwerke-Abteilungsleiter Thomas Brandenburg berichtete, das Heizkraftwerk Süd sei auf Erdgas umgestellt und wasserstofffähig gemacht worden. Die Gasturbine könne innerhalb von fünf Tagen auf Wasserstoff umgerüstet werden. Für 2027 sei die erste Wasserstoff-Beimischung geplant, schrittweise solle es weiter in Richtung 100 Prozent gehen. Die Nutzung des teuren Gases ergebe aber „wirtschaftlich noch keinen Sinn“. Die Industriepartner Siemens und EDF würden den Großteil stemmen müssen, den kommunalen Kunden dürfe durch die Kosten kein Nachteil entstehen.Das Leipziger Kraftwerk soll per Pipeline an das bestehende Wasserstoffnetz um den Speicher Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt angeschlossen werden. An die Stelle des alten Kohlekraftwerks würden die Stadtwerke eine eigene Elektrolyse mit 105 Megawatt Kapazität bauen. Daneben steht schon ein 60 Meter hoher Wasserspeicher. Auf die Frage aus dem Publikum, ob denn künftig ausreichend Wasserstoff hergestellt werden und dieser vielleicht aus der Sahara kommen solle, erwiderte Brandenburg: „In Deutschland darf jeder sagen, was er will – wir haben einfach nicht die gleiche Meinung.“

Architektur-Forscher: Künftig CO2-Bilanzen einplanen

Mit der Verbesserung der Wärme- und Kälteversorgung von Wohnungen beschäftigen sich unter anderem die Professoren Thomas Naumann von der Fakultät Bauingenieurwesen der HTW Dresden und Professor John Grunewald von der Fakultät Architektur der TU Dresden. Naumann hat übliche Bauten wie WBS-70-Sechsgeschosser auf Verbesserungsmöglichkeiten gegen Überhitzungen untersucht. Zusätzliche Rollläden an Südfenstern, aber auch nach Osten, bringen demnach viel Entlastung, ebenso wie zusätzliche Nachtlüftung zum Beispiel über die innenliegenden Bäder.

Grunewald sagte, bei der Bauplanung müsse künftig mehr mit Simulationen und CO2-Kostenbilanzen für den gesamten Lebenszyklus gearbeitet werden. Lange Zeit hätten Architekten sich kaum um energetische Optimierung bemüht und überdimensionierte Anlagen gebaut. Am Beispiel einer Neubausiedlung in Hessen zeigte Grunewald die Nutzung oberflächennaher Geothermie und Erdeisspeicher zum Kühlen. Wärmepumpen alleine sind nach Ansicht des Dresdner Forschers wegen des Stromverbrauchs nicht die ideale Lösung.

Großstädte planen Abfall als Brennstoff ein

Städte wie Chemnitz und Dresden denken über Abfall als zusätzlichen Brennstoff für ihre Kraftwerke nach. Matthias Funk, Technik-Vorstand der Stadtwerke Gießen, berichtete von guten Erfahrungen mit einem Neubau. Dank guter Informationen bei der Planung habe es in der Universitätsstadt keinen nennenswerten Widerstand gegen das Bauprojekt gegeben. Das Kraftwerk liefere auch Kälte an die benachbarte Universität Gießen.

Forschung an Kernfusion geht in Deutschland weiter

Nach dem deutschen Ausstieg aus der Atomenergie geht die Forschung an der Kernfusion weiter. Im Dezember hatten die USA einen Fortschritt bei dieser Technologie gemeldet, die ohne schädliche Nebenprodukte auskommen soll. Dr. Axel Klix von KIT Karlsruher Institut für Technologie gab einen Überblick über Versuchsanlagen für die Kernfusion mit Deuterium und Tritium bei Temperaturen um 100 Millionen Grad. Der nötige Plasma-Einschluss wird nach der Methode Tokamak unter anderem in Garching bei München und als Stellarator namens Wendelstein in Greifswald erprobt.

In Frankreich soll das europäische Gemeinschaftsprojekt Iter in einigen Jahren in Betrieb gehen, aber als Versuchsreaktor noch keinen Strom liefern. Einer der beiden großen deutschen Neutronengeneratoren für Teil-Experimente steht in Dresden. Eine Jahreszahl für den Beginn einer möglichen Energiegewinnung aus Kernfusion wollte Klix auf Nachfrage nicht schätzen. Es handle sich um „mittel- bis langfristige“ Forschungsprojekte.

Die landeseigene Sächsische Energieagentur Saena informiert regelmäßig über Themen der Energiewende und berät auch die sächsischen Gemeinden. Auf ihrer Internetseite sind Veranstaltungen angekündigt.

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