Suche
Suche

Wie die Windkraft in Sachsen in Schwung kommen soll

Bei der Windenergie ist Sachsen Entwicklungsland. Die Akzeptanz für Windräder schwindet. Vielerorts protestieren Bürger. Mit neuen Regeln will die Regierung mehr Zustimmung gewinnen. Es gibt ja durchaus schon erfolgreiche Beispiele.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht drei Männer auf einem Feld.
Der Windpark Streumen bei Riesa als Positivbeispiel? Martin Schramm, Sachsen Energie Abteilungsleiter Neue Energien, Wirtschafts- und Energieminister Dirk Panter (SPD) und Frank Brinkmann, Vorstandsvorsitzender Sachsen Energie, sehen das zumindest so.

Luisa Zenker

Ein Acker, ein Bierzelt und 26 sächsische Windräder. Fleißig drehen sie sich auf einem Feld bei Riesa. 166 Meter über dem Erdboden. Vor einem davon steht eine Delegation von 15 Personen, denen der Wind um die Ohren saust. Mehrere haben sich schon einen zweiten Pullover übergezogen. Darunter der sächsische Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD), der sich an diesem Tag ein Bild von der Windkraft im Freistaat machen will. „Beim Wind sind wir in Sachsen ein Entwicklungsland“, sagt der Minister, als er sich ins Bierzelt verzogen hat. Dem stimmt auch Frank Brinkmann, der Chef des Energieversorgers Sachsen-Energie, zu.

Tatsächlich ist Sachsen im Vergleich mit den anderen Bundesländern das bundesweite Schlusslicht beim Windradausbau. Lediglich fünf Windräder wurden laut Bundesnetzagentur in diesem Jahr bisher in Sachsen installiert. Und trotzdem sinkt die Akzeptanz für Windräder. Das spürt auch Sachsen-Energie. Für so manche Informationsveranstaltungen muss das Unternehmen inzwischen sogar Wachschutz organisieren.

Für mehr Akzeptanz Betroffene beteiligen

„Betroffene wollen wir deshalb zu Beteiligten machen“, heißt Panters Lösung für dieses Problem. Um die Akzeptanz gegenüber der Windenergie zu erhöhen, haben sich CDU und SPD auf einen neuen Gesetzentwurf verständigt. Damit könnte der Windkraftausbau in Sachsen verlangsamt werden, indem die Ausbauziele um fünf Jahre auf 2032 verschoben werden.

Windpark Streumen: Bürger erhalten 140.000 Euro

Zudem sollen die Anwohner Geld für Windräder erhalten, die in ihrer Nähe errichtet werden. In diesem Windpark im Landkreis Meißen gelingt das schon. Die umliegenden Gemeinden Zeithain, Glaubitz, Wülknitz, Röderaue und Nünchritz verdienen an den Windrädern mit.

Sie erhalten insgesamt 140.000 Euro pro Jahr. „Wir hatten Glück und damals eine höhere Akzeptanz“, erklärt Bürgermeister Rico Weser (parteilos) von Wülknitz. Das füllt die Gemeindekassen, etwa um einen Rastplatz im angrenzenden Wald und eine Feuerlöschanlage zu bauen.

So sieht ein Windrad von innen aus. René Spandler, Werkleiter Ervin Amasteel mit Energieminister Dirk Panter und Martin Schramm, Sachsen Energie Abteilungsleiter (v.l.n.r)
So sieht ein Windrad von innen aus. René Spandler, Werkleiter Ervin Amasteel mit Energieminister Dirk Panter und Martin Schramm, Sachsen Energie Abteilungsleiter (v.l.n.r)
Quelle: SMWA/Kristin Schmidt

Die 26 Windräder erzeugen jährlich rund 34 Millionen Kilowattstunden grünen Strom – genug für 11.000 Haushalte, so der Bürgermeister, der jetzt im Inneren des Windrads steht. Dieses wurde 2023 installiert und erzeugt so viel Energie wie zwei Windräder der älteren Generation zusammen, die ein paar hundert Meter entfernt ihre Rotorflügel schwingen. Sie sind zehn Jahre älter und haben eine Nabenhöhe von rund 130 Metern statt 166.

Mehr Windräder wolle man nicht

Doch für den Bürgermeister sind das jetzt genug Windräder. „Wir haben unseren Anteil erbracht“, sagt er. Die Akzeptanz sei in den Gemeinden gesunken. An die bestehenden Windräder habe man sich gewöhnt, mehr wolle man aber nicht. Steht der Wind in eine bestimmte Richtung, höre man das Rotieren, auch Schattenwurf gebe es, berichtet Rico Weser.

Das nahm der AfD-Abgeordnete Mario Beger zum Anlass, um mehrere Landtagsanfragen zu stellen. Sieben Windräder der älteren Generation stehen hier weniger als 1000 Meter entfernt vom nächsten Dorf. 2022 hat der Landtag jedoch beschlossen, dass neue Windräder einen Abstand von 1000 Metern zum nächsten Wohnort haben müssen. Und das sächsische Wirtschaftsministerium erklärt, sollten Windräder zu bestimmten Tageszeiten Schatten werfen oder Lärm erzeugen, würden sie abgeschaltet oder die Leistung reduziert.

Die Gemeinde Wülknitz hat etwas geschafft, was nun auch gesetzlich geregelt ist. Seit diesem Jahr gilt das Erneuerbare-Energien-Ertragsbeteiligungsgesetz in Sachsen, demnach müssen Anlagenbetreiber für Windräder jährlich 0,2 Cent pro Kilowattstunde und für Photovoltaik-Freiflächenanlagen jährlich 0,1 Cent pro Kilowattstunde an die Kommunen im Umkreis von 2,5 Kilometer zahlen. Fünf neu genehmigte Windräder unterliegen dem Gesetz, doch für die 66 im vergangenen Jahr vom Freistaat genehmigten Windräder gilt das Gesetz nicht zwangsläufig.

Stahlunternehmen: Zwischen Atomkraft und Windkraft

Nicht nur den Geldbeutel der Gemeinden füllen die Windräder bei Wülknitz, auch Unternehmen profitieren davon. Das Stahlwerk Ervin Germany GmbH bezieht 30 Prozent seines Strombedarfs direkt aus dem Windpark, es beschäftigt in Glaubitz 100 Mitarbeiter.

Die Konkurrenz in Frankreich könne Kernkraft als grünen Strom verkaufen, das kann und will Stahlwerksleiter René Spandler aber nicht. Er kritisiert deshalb auch den Koalitionsvertrag der Bundesregierung, der das Zwei-Prozent-Flächenziel für Windkraft infrage stellt.

Bürgerwindräder als Erfolgsmodell?

Mit Bürgerbeteiligung die Akzeptanz erhöhen: Der Aufsichtsratsvorsitzende der  Energiegenossenschaft Neue Energien Ostsachsen, Tom Umbreit, und Mandy Bojan, die Geschäftsführerin des Freiberger Energieparkentwicklers Sabowind, zeigen im Solarpark bei Freiberg, wie das geht.
Mit Bürgerbeteiligung die Akzeptanz erhöhen: Der Aufsichtsratsvorsitzende der Energiegenossenschaft Neue Energien Ostsachsen, Tom Umbreit, und Mandy Bojan, die Geschäftsführerin des Freiberger Energieparkentwicklers Sabowind, zeigen im Solarpark bei Freiberg, wie das geht.
Quelle: SMWA/Kristin Schmidt

Auch anderswo gibt es erfolgreiche Beispiele. Eine Stunde Autofahrt entfernt bei Freiberg steht Tom Umbreit vor einer Photovoltaikanlage. Er hat 2013 in Dresden die egNeos mitgegründet, eine Energiegenossenschaft aus Dresden, die bereits 500 Mitglieder hat. „Wir wollten Beteiligung, da wo auch die Energie herkommt“, sagt der Vorsitzende und geht zwischen den PV-Anlagen hindurch, wo im Sommer die Schafe weiden.

2019 sammelte er das Geld bei den Dorfbewohnern vor Ort, um die Anlage zu bauen. Schneller als gedacht war die doppelte Summe eingeholt, Jung und Alt hatten insgesamt 250.000 Euro eingesammelt, um den Solarpark vor Ort zu finanzieren.

Gemeinsam mit dem Freiberger Energieparkprojektierer Sabowind GmbH bauten sie die Anlage, um für 300 Haushalte Strom zu produzieren. Zwei Prozent Rendite erhalten die Genossenschaftsmitglieder durch die Investition. Laut dem Verband für Erneuerbare Energien gibt es rund 20 solcher Bürgerenergiegemeinschaften in Sachsen, von Leipzig über Hoyerswerda bis nach Zittau-Görlitz. Neben Solarparks investieren sie auch in Bürgerwindräder.

SZ

Das könnte Sie auch interessieren: