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Wie Flüchtlinge im Landkreis Bautzen Arbeit gefunden haben

Eine syrische Zahnarzt-Helferin, ein indischer Tischlergeselle, ein kurdischer Krankenpfleger: Diese Geflüchteten stehen mitten im Arbeitsleben. Der Weg dahin war meist nicht leicht.

Lesedauer: 5 Minuten

Man sieht Menschen unterschiedlichster Herkunft.
Sechs Geflüchtete, die im Landkreis Bautzen eine Arbeit oder Ausbildung gefunden haben. © Fotos: Steffen Unger (3), Matthias Schumann (2), privat

Von Tim Ruben Weimer

Bautzen. Die Sprache lernen, Anerkennung und Arbeitserlaubnis bekommen, den Schulabschluss anerkennen lassen oder nachholen, Bewerbungen schreiben, Wohnung finden, Praktika absolvieren – der Weg bis zur ersten Arbeitsstelle ist bei vielen Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, lang.

Initiativen wie die Arbeitsmarktmentoren, Flüchtlingsvereine wie Willkommen in Bautzen oder Migrationsberatungsstellen wie etwa von der Caritas und deren Mitarbeiter sind häufig zentrale Vermittler zwischen Arbeitgebern und Flüchtlingen. Sechs Beispiele, wie Geflüchtete im Landkreis Bautzen erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst haben.

Fahrer für Pulsnitzer Feinkostunternehmen

Der 28-jährige Pakistani Muhammad Eissa fühlt sich wohl in Großröhrsdorf. Mit seinen Kollegen bei der Salate-Manufaktur „Frisch und lecker“ in Pulsnitz, für die er als Fahrer arbeitet, verstehe er sich gut. Jeden Sonntag sei er bei einem ehemaligen Arbeitskollegen und seiner Familie im Ort zum Kaffee eingeladen. Er merke allerdings, dass die Stimmung gegenüber Ausländern in Bautzen eine ganz andere sei als auf seinen Auslieferungsfahrten nach Dresden. „Ich spreche gut Deutsch, ich verstehe auch, was sie über uns erzählen“, sagt er.

Muhammad Eissa liefert Salate und andere Feinkostartikel einer Pulsnitzer Firma aus. Ein Flüchtlingshelfer bezeichnet ihn als „Musterbeispiel“ der Integration.© Matthias Schumann

Als er Ende 2015 sein Finanzstudium in Pakistan abbrach und nach Deutschland flüchtete, seien die Aufenthaltschancen für ihn schlecht gewesen, berichtet er. Dass er gut Englisch sprach und sich Deutsch selber per Internet beibrachte, half ihm dabei, ein erstes Praktikum zu finden. Seinen ersten Arbeitsvertrag hatte er bereits ein Jahr nach seiner Ankunft in der Tasche – durch einen Zufall: Ein Mann hatte ihn am Bautzener Bahnhof angesprochen und ihm die Holzfirma seines Sohnes empfohlen.

Azubi zum Mechatroniker für Kältetechnik in Bautzen

Bei Bai Ibrahim Drammeh aus Gambia hat die Suche nach einem Job deutlich länger gedauert. Als er 2017 mit 18 Jahren nach Deutschland kam, holte er zunächst seinen Hauptschulabschluss nach, kam zuerst in eine der DaZ-Klassen an einer Berufsschule in Hoyerswerda. Danach dauerte es bis zum März 2023, bis er seine Arbeitserlaubnis erhielt. Im September begann er eine Ausbildung zum Mechatroniker für Kältetechnik in Bautzen. Dazwischen arbeitete er in der Haustechnik des Asylheims in Hoyerswerda, in dem er wohnte.

Azubi Bai Ibrahim Drammeh fährt regelmäßig ins Vogtland, um dort die Berufsschule zu besuchen.© Steffen Unger

„Mich interessiert diese Ausbildungsstelle wirklich sehr, ich will wissen, wie diese Dinge funktionieren, und etwas Handwerkliches machen“, sagt er. „Ich habe erlebt, dass die Schule in Deutschland hart ist, aber ich traue mir jetzt zu, sie zu schaffen“, sagt der 24-Jährige.

Geselle bei einer Tischlerei in Bautzen

Raj Patel aus Indien kam 2015 im Alter von 13 Jahren mit seinen Eltern nach Bautzen. Hier machte er seinen Hauptschulabschluss und bekam mit 18 Jahren eine Arbeitserlaubnis – im Gegensatz zu seinen Eltern, die inzwischen nur noch mit Duldung in Deutschland leben.

Raj Patel ist für die Bautzener Tischlerfirma, bei der er arbeitet, viel unterwegs, hier zum Beispiel auf Montagefahrt in Köln.© privat

Über einen Bekannten kam er an ein Praktikum bei der Tischlerei Schuster in Bautzen, die ihm 2020 eine Ausbildung anbot. 2023 Jahr schloss er seine Gesellenprüfung ab. „Die Arbeit als Tischler macht Spaß“, sagt der 21-Jährige, er wünsche sich aber, endlich nicht mehr im Kamenzer Flüchtlingsheim wohnen zu müssen.

Und die Sorge um die Zukunft seiner Eltern treibt ihn um: Anders als er hätten sie kein Deutsch gelernt, weil sie nie Schulbildung genossen hätten. „Man müsste bei ihnen wie bei einem Kleinkind anfangen“, sagt er. Sein Vater habe in Kamenz ein Arbeitsangebot bei einem Restaurant bekommen, doch ohne Arbeitserlaubnis darf er dort nicht arbeiten. Erhielten sie nicht bald eine Aufenthaltsgenehmigung, drohe ihnen die Abschiebung.

Gärtner bei einer Bautzener Baumschule

Der 43-jährige Nuri Habib aus Afghanistan arbeitet seit mehr als drei Jahren bei der Baumschule Sämann in Bautzen. Doch der Weg zum ersten Job war schwer, nachdem er 2016 nach Deutschland gekommen war. Mehr als 50 Bewerbungen habe er damals verschickt, erinnert er sich, auf die er nie eine Antwort bekommen habe.

Nuri Habib hat einen grünen Daumen. Er kümmert sich nicht nur um seinen eigenen kleinen Garten, sondern arbeitet auch der Baumschule Sämann in der Pflanzenproduktion.© Steffen Unger

„Aber mir hat es hier in Bautzen gefallen, ich habe hier einen kleinen Garten und kann mit dem Fahrrad zur Arbeit oder in 15 Minuten die ganze Stadt erkunden.“ Mit der Ausländerfeindlichkeit sei es die letzten Jahre in Bautzen allerdings schlimmer geworden, glaubt er. „Viele meiner Freunde haben die Stadt verlassen, weil sie häufig und an öffentlichen Orten Rassismus erlebt haben.“

In jedem Land gebe es Menschen, die arbeiten, und jene, die nicht arbeiten wollen, sagt er. Und genauso sei das unter Ausländern. „Ich will hier einfach in Ruhe auf die Straße gehen können, ohne beschimpft zu werden.“ Genauso habe er aber auch viel Positives erlebt, auch die Arbeitskollegen und insbesondere sein Chef seien sehr freundlich zu ihm – der habe ihm sogar schon mehrfach beim Umzug geholfen.

Krankenpfleger in Kamenzer Pflegeheim

„Der junge Mann ist richtig gut, so liebevoll und fürsorglich zu den alten Menschen.“ Die Leiterin der Kamenzer Pflegeeinrichtung St. Monika, Andrea Spittank, ist begeistert von ihrem kurdischen Lehrling Araz Salehzadeh. Er kam im Juli 2019 aus dem Iran nach Deutschland und fand über ein FSJ zum Malteserstift nach Kamenz. Dort schloss er auch eine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer ab. „Wenn meine Patienten mich Schwester rufen, sage ich, dass ich keine Krankenschwester, sondern ein Krankenbruder bin“, erzählt der 24-jährige Salehzadeh. „Ich bin ein Bruder, der dieser Gesellschaft etwas zurückgeben möchte.“

Altenpfleger Araz Salehzadeh arbeitet im Malteser Pflegeheim St. Monika© Matthias Schumann

Als er nach Deutschland kam, habe er sich die Sprache selbstständig über Kinderbücher beigebracht, weil er keinen Deutschkurs bekam, erzählt er. „Es hat mein Heimweh gelindert, dass ich neue Menschen und eine neue Kultur und Sprache kennengelernt habe.“ Für den Polizeisportverein Kamenz errang Salehzadeh im März den dritten Platz bei den Deutschen Meisterschaften im Ju-Jutsu, einer japanischen Kampfkunst der waffenlosen Selbstverteidigung. Nun macht er eine zweite Ausbildung zum Pflegefachmann – und darf sie aufgrund seiner guten Leistungen von drei auf zwei Jahre verkürzen.

Zahnarzt-Helferin in einer Bautzener Praxis

Lilas Masri kam vor acht Jahren aus Aleppo in Syrien nach Deutschland und machte hier ihren Hauptschulabschluss. Bei dem Bautzener Zahnarzt Sebastian Reiche schloss sie eine Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten ab. „Die Ausbildung war nicht leicht, aber es wäre noch viel schwieriger gewesen, wenn mich das Team nicht so unterstützt hätte“, sagt die 20-Jährige. Inzwischen ist sie als Zahnarzt-Assistentin angestellt und führt auch zusammen mit ihrem Chef Gruppenprophylaxe durch, sagt sie.

Lilas Masri war 12, als sie nach Deutschland kam. Nun ist sie glücklich, in Bautzen als Zahnarzt-Helferin arbeiten zu können.© Steffen Unger

„Es macht mich traurig, dass ich immer nur schlechte Nachrichten über Flüchtlinge höre. Viele denken, dass wir nur rumsitzen. Dabei haben viele Flüchtlinge auch eine Arbeit oder Ausbildung gefunden. Ich zahle jetzt genauso Steuern wie alle anderen auch.“ Sie wünsche sich, als Kopftuch-Trägerin künftig überall arbeiten zu können, ohne die rassistischen Erfahrungen machen zu müssen, die viele ihrer Freunde erlebt hätten.

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