Durch die Digitalisierung ist eine neue Volkswirtschaft entstanden. Die sechs größten Unternehmen der Welt sind Digitalunternehmen – Amazon, Apple, Facebook, Google, Microsoft und Tencent und sie sitzen – bis auf Tencent – alle in den USA. Da kann Deutschland nicht mithalten, Sachsen erst recht nicht. 4,6 Prozent aller deutschen Startups kommen aus dem Freistaat. Doch das Potenzial auf einen großen Sprung nach vorn ist da.
Jeder zweite in Europa gefertigte Chip kommt aus Dresden. Die Zahl der Beschäftigten in der Softwarebranche hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf rund 26.000 verdoppelt, die Wachstumsrate ist die höchste unter allen Branchen. Ist Sachsen damit schon ein Softwareland?
Die Digitalverbände im Freistaat meinen nein. Von einem Softwareland Sachsen würde man sprechen, wenn über 50.000 Personen in dieser Branche tätig wären (analog zum Autoland Sachsen oder Maschinenbauland mit gegenwärtig jeweils rund 40.000 Beschäftigten).
Aber ein Softwareland zu werden, ist das Ziel, das in zehn Jahren trotz aller demografischen Herausforderungen erreicht werden soll. Wie das gelingen kann – dafür haben die Verbände und 60 namhafte IT-Unternehmen unter Federführung des Silicon Saxony e.V. und Bitkom-Landesverbandes ein Positionspapier erarbeitet. Es wurde am Donnerstag vorgestellt.
Gewinnung von IT-Fachkräften
Schwerpunkt des Forderungs- und Maßnahmenkatalog ist die digitale Bildung. „Die beste Infrastruktur ist nichts wert, wenn wir die Menschen nicht begeistern und befähigen, digitale Technologien nutzen zu können“, betonte Gerd Neudert vom IT-Cluster Mitteldeutschland. Die Verbände fordern eine Breitband-Internetanbindung für alle Schulen, landesweit einheitliche Standards für die Hardwareausstattung der Schulen und Cloud-Dienste für digitalisierte Bildungsinhalte. Im Rahmen der MINT-Fächer soll der Informatik der gleiche Stellenwert eingeräumt werden wie den Naturwissenschaften. „Informatikunterricht ist in allen Schularten durchgängig und verpflichtend ab Jahrgangsstufe 5 bis zum Schulabschluss als eigenständiges Schulfach mit mindestens einer Wochenstunde zu realisieren“, fordern die Digitalverbände.
Auf der Ausbildungsseite bestehe „ein erkennbarer Nachholbedarf“ an IT-qualifizierten Lehrern und Lehrerinnen. Hier müsste die Aus- und Weiterbildung an den Hochschulen intensiviert werden. Die Verbände sind bereit, gemeinsam mit dem Freistaat Angebote zu entwickeln wie auch für die betriebliche Weiterbildung in den Unternehmen, um die Mitarbeiter fit zu machen für die Digitalisierung. Vom sächsischen Landtag wird erwartet, das er kontinuierlich Finanzierungspakete zur Umsetzung dieser Maßnahmen beschließt, unabhängig davon, ob vom Bund Fördermittel fließen oder nicht.
Neben dem Breitbandausbau als notwendige Grundvoraussetzung ist die Gewinnung von IT-Fachkräften entscheidend. Die Verdopplung der Arbeitsplätze in der Softwarebranche auf 50.000 bis 2030 sei notwendig, „weil der digital Wandel der Industrie, der Verwaltung, des gesellschaftlichen Lebens diese Zahl im Minimum benötigt, um in Gänze wettbewerbsfähig zu sein“, erläutert Frank Schönefeld, Geschäftsführer der T-Systems Multimedia Solutions GmbH. Das ist eine gewaltige Herausforderung, denn schon jetzt kann jede zweite offene Stelle in sächsischen IT- Unternehmen nicht besetzt werden.
Sachsen mit zwei Hubs vertreten
Um eine Verdopplung der Arbeitsplätze zu erreichen, bedarf es rund 2000 Informatik-Hochschulabsolventen jedes Jahr von sächsischen Unis. Das sind mehr als doppelt so viele wie die Hochschulen derzeit ins Berufsleben schicken. Konkret wird die Errichtung neuer interdisziplinärer Studiengänge im Bereich der Informatik, die schrittweise Erhöhung der Studienplätze und die Schaffung neuer Professuren im Bereich der Künstlichen Intelligenz gefordert.
„Das Interesse der Studierenden ist da“, betont Professor Wolfram Hardt vom IT-Bündnis Chemnitz und verweist auf die rund 1200 Bewerbungen jedes Jahr allein für den Studiengang „Automotive Softwareengineering“. Damit die Hochschulabsolventen aber auch im Freistaat bleiben und hier einen Job annehmen, muss Sachsen als Softwareland positioniert werden, fordert Schönefeld. Weiterhin gelte es die Arbeits- und Lebensbedingungen durch angemessene Gehälter, gute Kinderbetreuung und geringe Pendelzeiten zu verbessern. „ In Zukunft werden sich Unternehmen dort ansiedeln oder ihr Engagement ausbauen, so eine ausreichende Versorgung mit Digitalfachkräften ermöglicht wird“, so Schönefeld, der auch Vorstandsmitglied im Verband Silicon Saxony e.V. ist.
Software-Experten und Technologien allein reichen jedoch nicht aus, um ein Softwareland zu werden. Es braucht auch Anwendungsfelder. Hier bestehen in Sachsen insbesondere Chancen in den Bereichen Energie, Smart City und Gesundheit. Doch das müsse international mehr bekannt gemacht werden, hieß es. Der Digitalstandort Deutschland werde auf internationalen Konferenzen meist über die Digitale Hub-Initiative der Bundesregierung vorgestellt, berichtet Schönefeld. Und Sachsen ist in dieser Initiative mit zwei Hubs vertreten – dem „Smart Systems Hub – Enabling IoT“ in Dresden und dem „Smart Infrastructure Hub“ in Leipzig.
Über diese Hubs werde Sachsen international wahrgenommen. Ihre Wertigkeit sollte man nicht unterschätzen, betont er. Unter einem Hub wird ein Ökosystem oder Netzwerk verstanden, in dem sich Hochschulen, Startups und Unternehmen verbinden, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln etwa für intelligente Verkehrs- oder Energieinfrastrukturen. Das ist Aufgabe des Leipziger Hub. In Dresden stehen Lösungen für das Internet der Dinge im Vordergrund.
Um diese Hubs weiter voranzubringen, sollten der Freistaat und die Industrie im Schulterschluss für den High-Tech-Standort Sachsen werben, die Wagniskapital-Landschaft und Gründerszene stärken und in die Entwicklung spezialisierter Hardware für Künstliche Intelligenz (KI) investieren. „KI ist ein Megathema und die kommende Schlüsseltechnologie für smarte Systeme und smarte Infrastrukturen. Da sollten wir nicht locker lassen“, so Schönefeld. Deshalb wird KI auch das Schwerpunktthema auf dem nächsten Silicon Saxony Day am 18. Juni in Dresden sein.
Von Nora Miethke
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