Görlitz. „Die brauchen noch zehn Minuten“, sagt Wolfgang Fietkau. Er hat die Tür zum Brennofen geöffnet, in dem vier BMW-Felgen hängen. Matten Anthrazit-Lack haben sie bekommen. Das Thermometer zeigt 145 Grad an. Ein bisschen mehr Hitze braucht der Lack noch.
Seit vier Jahren bringt Wolfgang Fietkau in seiner Werkstatt im Gewerbegebiet Ebersbach in Görlitz-Königshufen beschädigte Felgen wieder in Neu-Zustand. Seine Kunden kommen aus dem ganzen Bundesgebiet zur „Felgenklinik“, „aus Berlin waren jetzt Kunden da oder aus Rostock”, erzählt Fietkau. Er arbeitet mit Autohäusern zusammen, „viele kommen aber auch privat zu mir.“
Oftmals hat es Fietkau mit Felgen luxuriöser Wagen zu tun. Ferrari, Porsche – keine Seltenheit. In der Werkstatt sieht es nicht ganz so luxuriös aus: Dicht an dicht stehen die Maschinen, über die Jahre ist die „Felgenklinik“ zu klein geworden. Schon jetzt steht ein Lagercontainer vor der Tür für Dinge, die nicht mehr in die Werkstatt passen.
Waschanlage geschlossen
Deshalb plante Wolfgang Fietkau einen Umzug. Auf einer Freifläche nahe seiner jetzigen Werkstatt sollte eine neue entstehen.Die Baupläne sind fast fertig. Aber Fietkau wird sie nicht einreichen. Dennoch wird seine „Felgenklinik“ größer werden. Das hat mit dem Pech seines Nachbarn zu tun.
Neben der Werkstatt befindet sich im selben Gebäude eine Waschanlage. Früher gehörte sie Fietkau und bis heute ist sie vielen als „Autowäsche Fietkau“ bekannt. Tatsächlich aber gehört die Anlage seit vier Jahren einem anderen Eigentümer. Seit Kurzem ist sie geschlossen. Die Frage nach dem Warum tauchte zuletzt in den sozialen Netzwerken mehrfach auf. „Die haben immer gute Arbeit geleistet“, bedauert ein Nutzer die plötzliche Schließung. Grund sollen wirtschaftliche Probleme des Betreibers sein.
Endgültig aber wird die Schließung aller Voraussicht nach nicht sein: Wolfgang Fietkau will seine Umzugspläne erst einmal ruhen lassen, die Waschanlage neu eröffnen und die „Felgenklinik“ innerhalb des jetzigen Standortes erweitern. Damit wäre fast alles so, wie es schon vor reichlich zehn Jahren war.
„Wollte etwas machen, was sonst nur wenige machen”
Die Geschichte geht zurück auf 1995. Damals machte Fietkau sich selbstständig. „Ich feiere dieses Jahr also schon 30. Jubiläum“. Schon damals bot er Felgenreparaturen und Fahrzeugreinigungen an, aber noch ohne eigene Werkstatt, „sondern wir waren in vielen Autohäusern in Görlitz als Dienstleister im Einsatz“.
2013 dann baute er das jetzige Gebäude an der Gottlieb-Daimler-Straße. Auf 400 Quadratmetern verteilen sich die Waschanlage, ein Raum für Innenreinigung und eine Werkstatt. 2021 verkaufte Fietkau das komplette Gebäude an einen neuen Eigentümer aus Markersdorf.
„Hintergrund war, dass ich mich auf den Aufbau der Felgenklinik konzentrieren wollte“, erzählt er. „Ich wollte gerne etwas machen, was sonst nur wenige machen.” Und die Felgen-Erneuerung passt zu seiner Ausbildung als CNC-Dreher. Dafür mietete er die kleine Werkstatt in dem verkauften Gebäude.
Was in einer „Felgenklinik“ passiert
„Mit hat diese Arbeit hier auch einfach immer den meisten Spaß gemacht.“ Das merkt man, wenn Wolfgang Fietkau erklärt, was er eigentlich tut: Erster Schritt für die Felgen, die es zu erneuern gilt: Der alte Lack muss runter, in einem chemischen Bad. Danach geht es weiter in einer Glasperlen-Strahlanlage. „Das ist wie eine Tiefenreinigung.” Glänzend kommen die Aluminiumfelgen heraus. Danach gleichen Fietkau und seine beiden Mitarbeiter Schäden aus. „Oftmals sind es Bordsteinschäden”, manchmal muss eine Felge gerichtet werden, wenn eine Unwucht besteht.
Und danach geht es an die neue Beschichtung. Am Eingang zur Werkstatt reihen sich unzählige Lackpulver, und weiter hinten in der Werkstatt noch mehr. Einfach ist die Wahl, wenn ein Kunde die Originalfarbe zurückwill. Fietkau hat alle Originalfarben der wichtigsten Automarken da, teils bezieht er sie aus den USA.
Oftmals wollen Kunden für ihre Felgen aber einen speziellen Farbton. Oder: Häufig sind die Kunden Oldtimer-Besitzer. „Wir hatten hier schon alle möglichen Sonderwünsche. Ich frage den Kunden immer vorab nach seinen Vorstellungen.“ Denn, sich spontan zu entscheiden, dürfte den meisten schwerfallen. Alleine bei den möglichen Rot-Tönen verliert man die Übersicht, von Silber- und Grautönen ganz zu schweigen.
Mit der neuen Lackierung beginnen die Brennvorgänge. „Im Maximalfall geht eine Felge bis zum Decklack fünfmal in den Brennofen.“ Inzwischen gibt es Arbeiten, die Fietkau mit nach Hause nimmt – wegen des Platzmangels in der Werkstatt.
Waschanlage soll bald wieder öffnen
Froh ist er nicht, dass sein Nachbar, der Waschanlagenbetreiber, jetzt aufgeben musste. „Ich bin auf der einen Seite ein bisschen verärgert, weil ich glaube, dass ich ihm vor vier Jahren einen gut laufenden Betrieb übergeben hatte. Auf der anderen Seite machen mir die Umstände, wenn man das so sagen kann, die Dinge leichter.“ Denn der Neubau auf der Freifläche wäre teuer geworden. „Es ist eine abfallende Fläche, die hätte erst mal begradigt werden müssen.“
Das Gebäude, das er einst baute, kann er zwar nicht zurückkaufen. Wolfgang Fietkau erzählt, dass es inzwischen einer dritten Partei gehöre. Aber er kann sich als Mieter vergrößern. Zu weit aus dem Fenster lehnen will er sich noch nicht. Es steht noch Papierarbeit an, etwa die Gewerbeerweiterung. Aber wenn alles so läuft, wie erhofft, soll Anfang Oktober die Waschanlage wieder laufen. In dem Raum, in dem bislang die Innenreinigung stattfand, soll künftig mehr Platz sein für die Patienten der „Felgenklinik”.


