Von Annett Kschieschan
Dresden. Der Frühling hat begonnen. Im Allgemeinen stehen die ersten Monate des Jahres für Optimismus und die Lust auf einen Neubeginn. In der sächsischen Wirtschaftslandschaft ist der Grundtenor aber nach wie vor eher frostig. Das ifo-Stimmungsbarometer sinkt den dritten Monat in Folge. Und die Erwartungen an die kommenden Wochen sind ebenfalls gedämpft. Die multiplen Krisen der vergangenen Jahre und Monate nagen am Selbstverständnis in vielen Branchen. Noch dazu steigt die Zahl der Insolvenzen sowohl sachsen- als auch deutschlandweit.
Kaum Zuversicht in der Industrie
Mit Hoffnung ins neue Jahr? Der zumindest geringe Neujahrsoptimismus in der sächsischen Industrie hat nicht lange angehalten. Die Unternehmen bewerten sowohl ihre gegenwärtige Geschäftslage als auch die Zukunftsaussichten in ihrer Branche deutlich schlechter als noch im Vormonat und ebenfalls schlechter als Ende 2023. Hohe Zinsen und die allgemein als unsicher empfundene Lage hemmen die Investitionsbereitschaft. Zudem berichten viele Unternehmen von einem Auftragsrückgang.
Hoffnung bei Dienstleistern
Etwas freundlicher sieht es im Dienstleistungssektor aus. Zwar schätzt man die gegenwärtige Lage auch hier als etwas schlechter ein als im Monat davor, blickt aber mit leichtem Optimismus in die Zukunft. Bei angenehmerem Wetter, so vielfach die Hoffnung, sind wieder mehr Menschen unterwegs, die zum Beispiel essen gehen oder ein kühles Getränk genießen wollen. Doch gerade im Gastrobereich kämpfen viele Betriebe. Nach Angaben von Creditrefom Dresden gab es in der sächsischen Gastronomie 2023 53 Prozent mehr Insolvenzen als noch im Vorjahr. Nur in Schleswig-Holstein mussten noch mehr Betriebe aufgeben. Bundesweit hängte im Jahr 2023 jeder zehnte Wirt seine Schürze an den Nagel. Gerade junge Unternehmen, die weniger als fünf Jahre am Markt sind, und Kleinstunternehmen mit höchstens zehn Mitarbeitern seien hier besonders gefährdet, so die Erfahrung. Und nicht nur Insolvenzen schlagen entsprechend zu Buche. Auch die Zahl der „stillen Heimgänge“ – gemeint sind Betriebsschließungen ohne Insolvenzverfahren – liegt auf einem hohen Niveau.
Handel unter Druck
Nach einem „historisch schlechten Weihnachtsgeschäft“ ist der Handel noch immer unter Druck. „Besonders der reale Umsatz im stationären Einzelhandel brach 2023 im Vergleich zum Vorjahr erheblich ein“, weiß man bei Creditreform. Mit einem Rückgang von jeweils rund zehn Prozent haben vor allem die Bereiche Nahrungsmittel und Haushaltsgeräte sowie der Handel auf Märkten und an Verkaufsständen stark zu kämpfen. Etwas besser läuft es bei Bekleidung, Sportausrüstung und Spielwaren. Hier konnten die Anbieter sogar ein Umsatzplus verzeichnen.
Krise auf dem Bau
Schlechte Stimmung auf dem Bau – daran hat sich nichts geändert. In allen Bereichen gibt es teils signifikante Auftragseinbrüche. In Sachsen lag das Auftragsvolumen mit 6,0 Milliarden nominal bereits 8,3 Prozent unter Vorjahresniveau, sagt der Blick in die Creditreform-Statistik. Vor allem der Wohnungsbau leidet unter einer massiven Auftragsflaute. Lediglich im Straßenbau wird ein leichtes Plus verzeichnet.
Das Handwerk schwächelt
In Sachsen ist das Handwerk als Wirtschaftsfaktor traditionell besonders wichtig. Doch auch hier ächzen die Unternehmen unter der derzeitigen Wirtschaftslage. Nahezu jedes Gewerk leidet unter der Rezession. Viele Betriebe vermelden außerdem rückläufige Mitarbeiterzahlen. Das Ende des Baubooms, hohe Energiekosten, aber auch die schwieriger gewordenen Finanzierungsbedingungen machen ihnen zu schaffen. 80 Prozent der Handwerksunternehmen konstatierten zudem eine Zunahme der bürokratischen Herausforderungen. Um die Krisenlage besser bewältigen zu können, versuchen viele Betriebe zunehmend, mehr Eigenkapital aufzubauen. Einziger Lichtblick in der Branche sind die Kfz-Betriebe. Sie trotzen dem allgegenwärtigen Negativtrend.
Zahl der Insolvenzen steigt
Das Thema Insolvenz bleibt überaus präsent in der sächsischen Wirtschaft. Viele Unternehmen, die die Coronakrise und die ersten Auswirkungen des Ukraine-Krieges durch staatliche Maßnahmen gerade so überstanden haben, können nun im härter gewordenen Wettbewerb und ohne Hilfe von außen nicht mehr überleben. „Verpasste Investitionen zur zukunftsfähigen Gestaltung von Geschäftsmodellen sowie das Wechselspiel von anhaltend hohen Zinsen und hoher Inflation“ wirken demnach zusätzlich belastend. So muss nach Einschätzung der Experten auch 2024 mit einer steigenden Zahl an Insolvenzen gerechnet werden, vor allem in der Bauwirtschaft und im Handel. „Zunehmend ältere Unternehmen sind von der Insolvenz bedroht.“ So Thomas Schulz, Prokurist bei Creditreform Dresden. „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Nach „überwiegend negativen Aussichten“ bleibe es also sowohl in Sachsen als auch bundesweit abzuwarten, inwiefern politische Maßnahmen, wie etwa das Wachstumschancengesetz, die Lage positiv beeinflussen können.