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Zgorzelec holt den Müll jetzt elektrisch ab: Im Kreis Görlitz scheitert das bisher

Die Görlitzer Nachbarstadt hat ein neues E-Müllauto in Betrieb genommen. Diesseits der Neiße ist das kein Thema. Es hapert an Geld, fehlenden Lademöglichkeiten und der Länge der Touren.

Lesedauer: 4 Minuten

Matthias Klaus

Görlitz. Der neue Abfall-Truck von Renault ist farbig schick in Weiß und Blau gehalten. Der Dreiachser schluckt über 21 Kubikmeter Müll und ist leise auf den Straßen unterwegs. Kein Wunder, er fährt voll elektrisch. Vier Batteriepakete sorgen dafür, dass ihm unterwegs der Saft nicht ausgeht. So soll er einen ganzen Tag auf seinen Touren durchhalten, ohne nachzuladen. Allerdings ist das nagelneue Müllauto nicht auf den Straßen des Landkreises Görlitz unterwegs, sondern im benachbarten Zgorzelec.

Sichtlich stolz präsentiert Bürgermeister Rafał Gronicz den Neuerwerb auf seiner Facebook-Seite. Mit dem Neuzugang bei der städtischen Abfall-Flotte des Unternehmens MPGK wolle sich die Stadt an Ausschreibungen in anderen Gemeinden beteiligen und die auch gewinnen. MPGK wiederum sieht in dem E-Müllfahrzeug einen Beitrag, um Emissionen in der Stadt zu verringern und Anforderungen an das Gesetz über E-Mobilität zu erfüllen. Darin werden lokale Behörden unter anderem dazu aufgefordert, öffentliche Aufgaben mit emissionsfreien Fahrzeugen zu erfüllen. Soweit der Stand bei den Nachbarn in Polen.

Staatliche Förderung weggefallen

Diesseits der Neiße sieht es anders aus. Sowohl die Niederschlesische Entsorgungsgesellschaft (NEG), zuständig für die Abfallentsorgung im früheren Niederschlesischen Oberlausitzkreis, als auch die Entsorgungsgesellschaft Löbau-Zittau (EGLZ), verantwortlich für den Altkreis Löbau-Zittau und die Stadt Görlitz in Sachen Müllabfuhr, setzen keine elektrisch betriebenen Entsorgungsfahrzeuge ein.

Und werden es wohl auch in absehbarer Zukunft nicht tun. Die NEG gibt drei Gründe dafür an: Wegfall der staatlichen Förderung und damit kein wirtschaftlich darstellbarer Einsatz. Im Vergleich zu einem konventionell angetriebenen Sammelfahrzeug müsse von mindestens dem Zweieinhalbfachen der Investitionskosten ausgegangen werden.

Gesellschaften müssten in Netztechnik investieren

Punkt zwei: Die derzeitigen Sammeltouren seien, so wie sie jetzt festgelegt sind, mit einem E-Fahrzeug nicht machbar. Fahrzeiten müssten wegen der begrenzten Speicherkapazität verkürzt werden. Und schließlich: Es fehle schlicht an geeigneten Lademöglichkeiten. Dazu müsste in die Netztechnik investiert werden. Die NEG müsste es bezahlen.

Ganz ähnlich sehen es die Kollegen im Süden des Landkreises. Schon allein die Landschaft des Einsatzgebietes, das Zittauer Gebirge etwa, spräche gegen den Einsatz von E-Fahrzeugen. Auch wenn die Reichweite eines E-Lkw 150 Kilometer betrage, was in etwa der normalen Tagestour entspräche, wäre wegen der bergigen Strecken der Stromverbrauch höher und mehrfaches Nachladen notwendig. Eine Alternative würden Fahrzeuge mit Brennstoffzellen darstellen. „Im Kreisgebiet fehlt jedoch komplett die Tankinfrastruktur hierfür“, heißt es von der EGLZ.

Ähnliches Bild in den Kommunen

Die EGLZ rechnet mit Anschaffungskosten für ein Diesel-Abfallsammelfahrzeug von rund 200.000 Euro. Bei einem E-Fahrzeug wären es etwa 450.000 Euro, bei Brennstoffzellen-Mobilen 750.000 bis 850.000 Euro. Die Mehrkosten würden, außer dass sie nicht wirtschaftlich sind, auch den Gebührenzahler „erheblich belasten“. Immerhin: Drei E-Autos setzt die EGLZ doch ein: zwei Pkw und ein Service-Einsatzfahrzeug.

Soweit die „Großen“ der Abfallentsorgung im Kreis. Bei den Kommunen sieht es nicht unbedingt anders aus. Der Betriebshof Görlitz hat derzeit keine E-Autos im Bestand. Dagegen sprechen die Kosten und die Infrastruktur, so Rathaus-Sprecherin Annegret Oberndorfer. Wegen laufender Verträge werde in Görlitz auch nicht an die Anschaffung von E-Fahrzeugen in naher Zukunft gedacht. Bei neuen Verträgen werde aber erneut geprüft, so Annegret Oberndorfer.

Ein E-Roller in Niesky

Ähnlich sieht es im Bauhof Löbau aus: kein Bestand an Elektrofahrzeugen. „In nächster Zeit ist auch deren Anschaffung nicht geplant“, sagt Oberbürgermeister Albrecht Gubsch. Gegen E-Fahrzeuge spreche zum einen, dass sie im Winterdienst eingesetzt werden, zum Beispiel Multicar und absolut zuverlässig über längere Zeiten funktionieren müssen, so Albrecht Gubsch. Für andere Fahrzeuge, wie Transporter, fehle es an Lademöglichkeiten. Die Anschaffung und der Bau der nötigen Infrastruktur seien bei der derzeitigen Finanzlage ausgeschlossen.

Eigentlich ist unser Stadtgebiet klein genug für E-Fahrzeuge, und ich hätte auch gar nichts dagegen. – Kathrin Uhlemann, Oberbürgermeisterin der Stadt Niesky

In Niesky ist immerhin ein E-Fahrzeug für die Stadt unterwegs: ein E-Roller. „Eigentlich hatten wir den für ein touristisches Projekt angeschafft. Aber der Hausmeisterdienst hat Interesse daran gezeigt“, sagt Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann. Man könne mit dem Roller schnell unterschiedliche Häuser der Stadt erreichen. Wenn Niesky neue Fahrzeuge anschafft, dann nur mit Leasing-Verträgen. „Eigentlich ist unser Stadtgebiet klein genug für E-Fahrzeuge, und ich hätte auch gar nichts dagegen“, sagt Kathrin Uhlemann. Aber die finanzielle Situation spreche dagegen. „Bei uns ist erhalten angesagt, vor leasen, geschweige denn kaufen“, so die Oberbürgermeisterin.

Weißwasser war nah dran

In Weißwasser ist derzeit auch kein Elektrofahrzeug für die Stadt im Einsatz. „Lediglich in der Eisarena sind beide Eismaschinen E-Fahrzeuge“, sagt Holger Kelch, Referent der Oberbürgermeisterin. Dabei war Weißwasser schon mal nah dran, ein E-Fahrzeug für die Papierkorbentleerung zu beschaffen, ein Elektroleichtfahrzeug mit Müllverdichter für den Wirtschaftshof. Der Stadtrat hatte schon grünes Licht gegeben. Aber Anfang des Jahres kam die Hiobsbotschaft: Der Hersteller des Verdichteraufbaus kann wegen Insolvenz nicht mehr liefern. „Es laufen die Vorbereitungen, Ausschreibung und Vergabe, für eine Ersatzbeschaffung“, so Holger Kelch.

Allerdings, so der Referent, „nach jetzigem Stand wird auch aus finanziellen Aspekten eine Ersatzbeschaffung auf Elektro-Basis kritisch gesehen“. Ein fehlendes Förderprogramm für den öffentlichen Bereich ist auch hier ein Argument, neben den hohen Anschaffungskosten. „Außerdem wurde vor einigen Jahren im Rahmen eines Test- und Förderprogramms für etwa ein Jahr dem Wirtschaftshof ein Elektrokleintransporter zur Verfügung gestellt“, schildert Holger Kelch. Das Ergebnis: Die Akkuladung sei für einen kompletten Tageseinsatz unzureichend gewesen. Zudem stelle ein derartiges Fahrzeug besondere Anforderungen an den Arbeits- und Brandschutz in der Ladeinfrastruktur.

Der Bauhof in Zittau hat ebenfalls keine E-Fahrzeuge im Einsatz. Als Gründe nennt Stadt-Sprecher Kai Grebasch: sehr hohe Anschaffungskosten, Technik teilweise noch nicht ausgereift, da sehr spezielle Fahrzeuge. Grundsätzlich könne sich die Stadtverwaltung aber schon Elektromobile in ihrer Flotte vorstellen, „allerdings zunächst im Bereich ‚normale‘ Pkw“.

Elektromobilität bei der Müllabfuhr, auf Bau-, Betriebs- und Wirtschaftshöfen der größeren Kommunen – sie bleibt wohl bis in naher Zukunft eher ein Thema für die Nachbarn jenseits der Neiße.

SZ

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