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33-Jährige lässt in Leisnig historisches Handwerk aufleben

Ihr Faible für die schwarze Szene brachte Doreen Böhme aus Naunhof zum Experimentieren. Mittlerweile betreibt sie eine eigene Manufaktur.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht Doreen Böhme aus Leisnig, die gerade häkelt.
Doreen Böhme aus Leisnig spinnt nicht nur aus Schafwolle Garne. Sie verwendet auch andere Fasern und probiert historische Techniken wie das Nadeln aus. © Elke Walter-Koch

Von Elke Walter-Koch

Leisnig. Doreen Böhme lebt zusammen mit ihrem Mann Thomas und zwei Kindern ganz bodenständig in einem roten „Schwedenhaus“ in Naunhof bei Leisnig. Am Dorfrand fand das Paar vor vier Jahren das geeignete Grundstück für seine Träume und Doreens eigene Manufaktur, ihre Spinnräder und ihre Leidenschaft für Handgemachtes, Garne und Wolle.

Was sie zum Experimentieren mit alten Handwerkstechniken bewegt hat, darüber erzählt die Garnspinnerin in ihrem Atelier mit Blick auf den Garten. Schon nach wenigen Sätzen wird klar: Es ist die Liebe zum Besonderen, zur Mittelalter- sowie zur schwarzen Szene. „Eigentlich wollte ich Schneiderin werden. Doch mit Abitur bekam ich nirgendwo eine Lehrstelle, weil man mich für überqualifiziert hielt.“ Der schlanken, jungen Frau im schwarzen, langen Kleid glaubt man auf Anhieb, dass sie den Hang zu besonderen, selbstgemachten Stücken hat.

Inspiriert von der schwarzen Szene

Wie es dazu kam, dass sie zur Garnspinnerin und Expertin für besondere Woll- und Garnqualitäten geworden ist, hängt mit verschiedenen Umständen zusammen. Schon früh fühlte sich die damalige Weißenfelserin anders als ihre Mitschüler. Ein Umstand, der sie Neues ausprobieren ließ. „Musik und Mode der schwarzen Szene interessierten mich. Natürlich braucht man dazu auch die nötigen Klamotten und was liegt näher, als sich dann beim Selbernähen auszuprobieren?“

Weil es mit dem Schneiderhandwerk nicht auf Anhieb klappte, fand sie nach einer Ausbildung zur Steuerfachangestellten in ihrer späteren Wahlheimat Leipzig auch prompt den passenden Job in einem Unternehmen, das nicht nur Mittelalterkleidung anfertigt, sondern auch Zubehör bereitstellt. Heute ist die 33-Jährige Assistentin der Geschäftsleitung und kümmert sich um Dinge, von denen sie wirklich viel versteht und die sie auch selbst mag.

Das Wichtige und Besondere an gut gefertigter, historischer Kleidung ist: Es dreht sich nicht nur um „nachempfundene“ Stücke. Es geht auch um Authentizität. Zwischen beidem bestehen Welten sowohl in der Mittelalter- als auch in der schwarzen Szene, erklärt sie. So gibt es beispielsweise die Technik des „Nadelns“, die viel älter als das Häkeln und Stricken sein mag, und schon vor tausenden von Jahren mittels einer großen Hornnadel praktiziert wurde.

Ihr ältestes Spinnrad ist fast 200 Jahre alt

Aus Woll- oder Garnschlingen, die miteinander verbunden werden, entsteht dabei ein elastisches Gestrick und daraus wiederum Schultertücher, Decken, Pullover, Handschuhe, Mützen oder Kappen. Letztere sind beispielsweise Kult in der Mittelalterszene und – so Doreen Böhme – bei weitem nicht beliebig oder austauschbar, weil Experten genau wissen, wie eine originale historische Kopfbedeckung ausgesehen hat und wie sie angefertigt wurde.

Die Technik des historischen Nadelns und anderes aus der Historie der Woll- und Tuchmacher hat die modeaffine Kunsthandwerkerin mittlerweile selbst ausprobiert. Oft hilft ihr das Internet. Die Fertigkeit und das Gefühl für besondere Fasern und Materialien lässt sich natürlich nur beim Tun erlernen: „Aus der Idee, von der Faser bis zum Gewebe alles selbst herzustellen, ist dann nichts geworden. Dafür habe ich das Spinnen von Wolle und Garnen immer weiter verfeinert“, erklärt sie.

Zum ersten Spinnrad, das sie ersteigerte, kamen weitere hinzu. Einige stammen aus der Neuzeit. Das älteste ist fast 200 Jahre alt und als „Hungerrad“ bekannt, weil das Spinnen in jener Zeit die knappen Haushaltskassen der Frauen aufbesserte. Es trägt zwei Spindeln, ist daher effektiver.

Für Doreen Böhme ist das Spinnen ein Ausgleich zum Arbeitsalltag. Es lässt sich sowohl in der beheizten Stube als auch unterm alten Apfelbaum im Garten ausüben. Welchen Druck und Zug man dabei ausüben muss, wie viel Gefühl die einzelnen Fasern benötigen, um zu einem gleichmäßigen Faden gedreht zu werden, sei schon fast „kinetische Intelligenz“. Die Verbindung vom Kopf zu den Händen und das Wissen über kurze und lange Fasern sowie deren Beschaffenheit lassen die Spinnerin genau die Fingerfertigkeit besitzen, die sie zum Erfolg bringt.

Expertin gibt ihr Wissen weiter

Welches Ausgangsmaterial sie dabei verarbeitet, hängt damit zusammen, welche Aufträge sie bekommt. Von Hunde- und Katzenhaaren, Schaf- oder Ziegenwolle bis hin zu sonstigen ausgefallenen Qualitäten ist alles dabei, was vorstellbar ist. Was später daraus entsteht, weiß die Spinnerin nicht. „Oft sind es kleine und kleinste Mengen, die dann vielleicht mit anderen Garnen oder Wolle vermischt werden. Vielleicht werden ein Arm- oder Stirnband oder Stulpen daraus.“

In ihrer Manufaktur auf dem Lande entstehen mittlerweile auch eigene Kreationen an gestrickten, gehäkelten, verfilzten oder genähten Stücken wie etwa das Schultertuch für die Schwester oder die zarte Spitze, die nach dem Kleidungsstil von Wednesday Adams aus der neuen Serie von 2022 nachgehäkelt worden ist. Genaue Recherche ist der Kunsthandwerkerin und Spinnerin wichtig, um später nichts Falsches weiterzugeben und zu erzählen.

Was sie übers Jahr anfertigt, veräußert die Garnspinnerin auf Mittelaltermärkten und im „heidnischen Dorf“ zum Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Wie es sich anfühlt, in die Szene einzutauchen? „Es ist wie nach Hause kommen“, beschreibt sie mit leuchtenden Augen. Daneben gibt Doreen Böhme ihr vielfältiges Wissen in Kursen weiter. Einen nächsten gibt es fast vor der Haustür: am Samstag ab 13 Uhr im Kloster Buch.

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