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500 Jahre Auerbachs Keller

Ein nahezu unfassbares Ereignis.

Lesedauer: 4 Minuten

Ohne Mephisto geht es nicht in Auerbachs Keller, ohne Rene Stoffregen auch nicht. Der Aquavit 500 gehört zu neuesten Highlights des Lokals. Foto: Andre Kempner

Von Ulrich Langer

Leipzig. Was wäre Leipzigs berühmter Auerbachs Keller ohne Fass. Ein Nichts. Denn der Sage nach ritten bereits 1525 Doktor Faustus und Mephisto auf einem fliegenden Weinbottich aus dem Gemäuer. Und Goethe hat dies dann in seinem Werk über Faust verewigt mit dem kurzen Satz: „Ich hab ihn selbst hinaus zur Kellertüre – auf einem Fasse reiten sehn.“ Und nun setzt René Stoffregen noch einen drauf – mit einem hölzernen 30-Liter-Fass. „Aber weit gefehlt, wer denkt, dass es leckeren Traubensaft in sich birgt“, sagt der Restaurant-Chef. „Nein, es ist gefüllt mit Aquavit“, berichtet er schmunzelnd, während er im legendären Fasskeller seines Gasthauses einen kleinen Schluck davon serviert.

Zu Ehren des 500. Geburtstages des traditionsreichen Hauses. „Ein halbes Jahrtausend ist schon Anlass genug, es gebührend zu feiern mit kulinarischen Highlights und zahlreichen Veranstaltungen.“ Der Höhepunkt wird der 15. April mit einem riesigen Fest. Von „einem großen Gelage“ spricht Stoffregen mit einem Augenzwinkern.
Wie bereits in den vergangenen Wochen und Monaten wird auch in nächster Zeit so einiges auf die Beine gestellt, um den 500. zu würdigen. Da gibt es die Jubiläums-Straßenbahn, die durch die Messestadt fährt. Oder Faust-Seminare, „die junge Leute mit Weltliteratur vertraut machen. Allein in den vergangenen zwei Jahren zählten wir fast 1100 Teilnehmer, eine Verdopplung von 2023 zu 2024“, freut sich Jubiläumsbotschafterin Tanja Pieper. Die Zeremonie Fasskeller-Abende hätten 4800 Besucher genossen, binnen 24 Monaten. Das neu entwickelte Schauspiel „Auerbach 500 – Der große Knall“ ist bereits für alle Veranstaltungen 2025 ausverkauft. Große Resonanz finde ebenso „Faust für Kleine“. Dabei „wecken wir Neugier bei Kindern für den Goetheschen Faust. Sie können danach ihre Eindrücke in Basteleien oder Malereien verewigen, die anschließend in einer Ausstellung präsentiert werden“, erzählt die andere Jubiläumsbotschafterin Eleni Mercklein. Das Motto aller derartigen Vorhaben laute, „es muss von Herzen gehen, was auf Herzen wirken soll“, wie Goethe es einst auf den Punkt brachte.

300 000 Besucher pro Jahr
All das trägt natürlich dazu bei, dass Auerbachs Keller auch im nächsten halben Jahrtausend eines der bedeutendsten Gästeziele in Leipzig bleiben soll. Denn es heißt: Wer in dieses Gemäuer hinabsteigt, begibt sich auf historische Spuren. „Wir sind schon stolz, dass viele Touristen – auch aus dem Ausland – zu uns kommen und unsere Gastfreundschaft genießen“, betont Stoffregen. Immerhin waren es seither insgesamt 90 Millionen, 300 000 pro Jahr in der jüngeren Vergangenheit. Das heißt, das Restaurant mit seinen 650 Plätzen ist offensichtlich immer ganz gut gefüllt. Der Chef kann denn auch von ansehnlichen Umsätzen berichten. „7,4 Millionen im vorigen Jahr“. Wie es mit dem Gewinn aussehe? „Natürlich schreiben wir schwarze Zahlen. Gott sei Dank, sonst wäre ich nicht mehr hier.“
Und zwar an Bord von Auerbachs Keller, einer der berühmtesten Gaststätten in Deutschland und der ältesten durchgängig bewirtschafteten in Leipzig. Dass er sie als Geschäftsführender Gesellschafter leiten darf, darauf „bin ich schon ein bisschen stolz“, gibt der 53-Jährige gerne zu. Kein Wunder, immerhin stammt er aus Wittenberg, „wie Luther und Faust“, fügt der Vater zweier erwachsener Kinder hinzu. Der gelernte Kellner hinterließ einst noch im Interhotel Merkur seine ersten beruflichen Spuren und studierte Anfang der 1990er-Jahre an der Hotelfachschule in Leipzig. Während dieser Zeit war er ab und an in der Mephisto-Bar in Auerbachs Keller aushilfsweise zugange. Und 1996 „durfte ich dann hier richtig starten, damals als Büfett-Kraft“, sagt er mit einem Augenzwinkern, später als Barkeeper, 2006 stieg er auf zum gastronomischen Leiter, seit 2018 ist er Chef des berühmten Lokals.

Und noch heute sagt er ohne Zögern mit größter Überzeugung: „Ich bin sehr froh, hier gelandet zu sein.“ Jeder Tag sei mehr oder weniger ein Höhepunkt. „Klar, manchmal ist es auch weniger schön, aber dann strömt in mir wieder die Euphorie, dass ich den schönsten Beruf der Welt habe in der besten ,Kneipe´, die es gibt auf dieser Erde.“ Immerhin habe einst Goethe im Fasskeller gesessen und gefeiert. Allerdings sei Tradition nur die eine Seite. „Ganz wichtig sind meine 125 Mitarbeitenden. Sie brennen für ihren Job, geben ihr Herzblut dafür, das alles gut läuft“, strahlt Stoffregen über das ganze Gesicht. Und sie locken mit ihren „tollen Leistungen immer wieder Tausende Gäste an, besonders auch aus dem asiatischen Raum“, erzählt Stoffregen. Für ihn nicht verwunderlich, „immerhin übersetze der japanische Dichter Mori Ogai den Faust-Text ins Japanische… – zum Glück für uns“.

Köstliche Getränke zum Jubiläum
Dies habe ebenfalls dazu beigetragen, „dass wir inzwischen unter den bekanntesten Gasthäusern der Welt den fünften Rang belegen“. Laut einer amerikanischen Studie rangiert Auerbachs Keller unter den zehn berühmtesten Restaurants hinter dem Münchner Hofbräuhaus (1), Caesar´s Palace in Las Vegas (2), Café Sacher in Wien (3) und dem Hard Rock Café in Los Angeles (4). „Wir sind auf dem Weg nach ganz oben“, gibt der Chef zu verstehen. Dafür geben allein 34 Köche ihr Bestes. „Da versteht sich, dass sie viel Leckeres selbst machen – von den Rouladen über das Rotkraut oder die Sülze bis hin zu Eingewecktem. Das ist heutzutage längst nicht mehr selbstverständlich.“ Ihr Können beweisen sie natürlich auch zum einzigartigen 500er-Jubiläums-Gelage „Schlemmen. Staunen. Feiern!“ im April, zu dem 350 Gäste erwartet werden. Gezecht werde an langen Tafeln wie zu Zeiten Goethes.
Und der Chef, der ein Weinliebhaber ist, schwärmt von allerlei köstlichen Getränken aus diesem Anlass. „Es gibt einen Jubiläumswein von Schloss Wackerbarth. Ich hab ihn selbst mit geerntet und geholfen, die Etiketten auf die extra für uns gefüllten 1800 Flaschen aufzukleben.“ Natürlich darf ein Bier nicht fehlen zur Feier des Tages. „Ein naturtrübes Starkbier mit 5,8 Prozent Alkohol hat die Krostitzer Brauerei kreiert.“ Das ist zwei Monate lang zu haben. Ständig im Angebot hingegen ist der eigens von der Rotkäppchen-Kellerei hergestellte spezielle Auerbachs-Keller-Cuvee-Sekt.
Und nicht zu vergessen der „Aquavit 500“, der es mit seinen 40 Prozenten durchaus in sich hat und mit Goethes Spruch „Uns ist ganz kannibalisch wohl“ dekoriert ist. Aber nicht nur das. „Die Horn-Distillerie am Leipziger Bayrischen Bahnhof hat ihn mit einer herrlichen Kümmel- und Dill-Note versehen – einfach köstlich und fördert die Verdauung nach einem ordentlichen Mahl“, ist Stoffregen des Lobes voll. Zudem hat der Schnaps eine weite Reise hinter sich, durch die er sozusagen geadelt wurde. „Insgesamt 600 Seemeilen war er auf dem Mittelmeer unterwegs.“ Es gibt die Sage, dass ein Aquavit den Äquator überquert haben muss, um besonders zu munden. „So weit haben wir es nicht geschafft, aber immerhin von Ajaccio auf Korsika über Montpellier in Südfrankreich bis nach Sardinien.“ Dank der Sachsen-Sail, einer Unternehmerreise-Tour sächsischer Firmenvertreter, ist diese Fahrt gelungen. Auf dem 1937 gebauten ehemaligen portugiesischen Kabeljau-Fangschiff, einem Vier-Master namens Santa Maria Manuela, schipperte das Aquavit-Fass übers Mittelmeer und nun schwingt dies bei jedem kleinen Schluck ein bisschen mit im Geschmack. Zugleich eine Art Geburtstagsgeschenk, für Stoffregens drittes Kind, das im Juni erwartet wird. „Na ja, zum Jubiläum muss noch eins nachgesetzt werden“, sagt der Restaurant-Chef im Spaß.

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