Florian Reinke und Klaus Staeubert
Leipzig. Der Leipziger Straßenbahnhersteller Heiterblick GmbH ist in Schieflage geraten – und sucht die Rettung in einem Sanierungsverfahren. Wie das Unternehmen mit Sitz im Leipziger Westen am Montag mitteilte, hat die Geschäftsführung beim Amtsgericht Leipzig den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung eingereicht. Dieses hat den Antrag bereits am Nachmittag bewilligt, wie aus den Insolvenzbekanntmachungen hervorgeht.
Wie in einem solchen Verfahren üblich, hat das Gericht einen vorläufigen Sachwalter bestellt. Das ist demnach der Frankfurter Rechtsanwalt Andreas Kleinschmidt. Seine Aufgabe wird es nun sein, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu prüfen und die Geschäftsführung zu überwachen. Diese kann ihre Funktion weiterhin ausüben. Die Gehälter der Mitarbeiter sind für drei Monate zunächst durch die Bundesagentur für Arbeit gesichert.
Das sind die Gründe für die Schieflage
Die Heiterblick GmbH wurde vor 100 Jahren im gleichnamigen Leipziger Stadtteil gegründet – und beschäftigt heute um die 250 Mitarbeiter. Die wirtschaftlichen Probleme führt das Unternehmen nun auf verschiedene Gründe zurück, wie es in einer Mitteilung heißt: Darunter die Corona-Pandemie, die Folgen des Krieges in der Ukraine mit Rohstoffverknappung und drastischen Preiserhöhungen sowie gestörte Lieferketten, die zu Projektverzögerungen führten.
All das mache es für das Unternehmen schwieriger, „aus den zum Teil vor der Krise unterzeichneten, langjährig laufenden Aufträgen eine stabile und jederzeit ausreichende Liquidität zu erwirtschaften“.
Aktuell gehen wir davon aus, dass das nun von der Heiterblick GmbH eingeleitete Verfahren die Chance einer Neuordnung des Unternehmens bietet und sich unser Neufahrzeugprojekt mit 25 Fahrzeugen weiter stabilisiert und realisiert wird. – Marc Backhaus, LVB-Sprecher
Großauftrag der LVB
Welche Auswirkungen die Insolvenz auf die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) hat, war am Montagabend noch unklar. Der in Plagwitz ansässige Straßenbahnbauer produziert eine neue Generation von Schienenfahrzeugen für die LVB. In einer Unternehmensmitteilung heißt es lediglich, der Betrieb solle „vollumfänglich und unverändert“ weiterlaufen.
Zur wirtschaftlichen Situation der Firma Heiterblick könne sich das Unternehmen nicht äußern, sagte LVB-Sprecher Marc Backhaus gegenüber der LVZ. „Aktuell gehen wir davon aus, dass das nun von der Heiterblick GmbH eingeleitete Verfahren die Chance einer Neuordnung des Unternehmens bietet und sich unser Neufahrzeugprojekt mit 25 Fahrzeugen weiter stabilisiert und realisiert wird“, erklärte er.
Heiterblick baut Straßenbahnen für LVB
Die LVB hatten den Auftrag für zunächst 25 Straßenbahnen vom Typ NGT12+ (das Kürzel steht für Niederflurgelenktriebwagen mit zwölf Achsen und Extrabreite) im Jahr 2020 ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt ein Konsortium um Heiterblick. Vereinbart wurde eine Option zur Lieferung weiterer, auch kürzerer Bahnen. Insgesamt sollte die Fahrzeugfamilie Made in Leipzig bis zu 100 Bahnen umfassen können. Bei dem Großauftrag handelt es sich um gemeinsames Beschaffungsprojekt der LVB mit den Verkehrsbetrieben Zwickau und Görlitz.
Eigentlich sollten die ersten Fahrzeuge schon in diesem Jahr durch Leipzig rollen. Doch die Auslieferung der neuen Bahnen verzögerte sich. Vor einem halben Jahr zeigte sich LVB-Chef Ulf Middelberg dennoch zuversichtlich, dass das erste Fahrzeug Anfang 2026 ausgeliefert werden können.
Von Beginn stand das Projekt in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld. Die Fahrzeugentwicklung fiel genau in die Zeit der Corona-Pandemie, die Produktion belasteten unterbrochene Lieferketten und Kostensteigerungen. Der Rohbau der Fahrzeuge ging als Unterauftrag an das Görlitzer Werk des französischen Alstom-Konzerns, der im vergangenen Jahr allerdings angekündigt hatte, seinen sächsischen Standort in Görlitz aufzugeben.
Die 45 Meter langen Straßenbahnen NGT12+ sind 2,40 Meter breit. Das sind etwa zehn Zentimeter mehr als bei den bisherigen Bahnen, wodurch Gänge breiter und Eingangsbereiche größer ausfallen. Mit 288 Plätzen liegt die Beförderungskapazität auch 25 Prozent höher als bei vergleichbaren Fahrzeugen. Derzeit bereiten die LVB ihr Schienennetz auf die breiten Fahrzeuge vor.