Nora Miethke
Das Atrium des Dresdner Kunstmuseums Albertinum ist in violettes Licht getaucht. Auf dem riesigen Bildschirm auf der Bühne läuft der Countdown. Vor der Bühne im Publikum wird eigentlich nur englisch gesprochen. Prosecco und Finderfood wird gereicht. Wandelbots hat sich von den US-Riesen Apple, Google oder Microsoft abgeschaut, wie man mit einer exklusiven Show ein Produkt vorstellt, das sich nicht anfassen lässt. Am Montagabend stellte Wandelbots dasweltweit erste herstellerunabhängige Betriebssystem für Roboteranwendungen vor namens NOVA.
„Mit NOVA erleben wir einen neuen Aufbruch in der industriellen Automatisierung“, begrüßte Christian Piechnick, CEO von Wandelbots, die rund 200 Gäste. So wie Android die Smartphones revolutionierte und Windows die PC-Welt verändert habe, werde NOVA die industrielle Robotik für jedermann zugänglich machen“, versprach der Mitgründer.
Ende vergangenen Jahres waren 4,3 Millionen Industrie-Roboter weltweit in Fabriken installiert, davon über 280.000 in Deutschland. Die meisten stehen in den Werkhallen von Großkonzernen. Im Mittelstand ist Robotik ein Nischenthema, wegen der hohen Anschaffungskosten und weil kleinere Firmen kaum spezialisierte Softwareprogrammierer finden. Weniger als ein Prozent der Programmierer weltweit können Roboteranwendungen entwickeln. Das soll sich mit NOVA ändern. Das Betriebssystem von Wandelbots will mehr als 70 Prozent der Programmierer dazu in die Lage versetzen. „Die Demokratisierung der Robotik“ bleibt die Vision der Dresdner, nur nicht mehr mit Sensorjacken und -stiften, sondern rein mit Software.
Steuerung von Robotern ohne Fachkenntnisse
Als einheitliches Betriebssystem soll NOVA die Robotik entscheidend voranbringen, in dem es die einfache Programmierung und Steuerung von Robotern unterschiedlicher Hersteller ohne spezifische Fachkenntnisse ermöglicht. 99 Euro kostet derzeit eine NOVA-Lizenz. Damit können Softwareentwickler über das zugehörige Developer-Portal auf Entwicklungstools, standardisierte Bibliotheken und Beispielanwendungen zugreifen und mit Hilfe der Programmiersprache Wandelscript eigene innovative Lösungen entwickeln, um in Fabrikhallen fehlende Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen. Das endgültige Preismodell sei noch nicht festgelegt, sagt Piechnik auf Nachfrage. Denn mit der gleichen Software könnten Unternehmenskunden eine Wertschöpfung von 50.000 Euro realisieren oder von zwei Millionen Euro, je nachdem wie viele Roboter sie in ihrer Produktion einsetzen.
Die Software soll mit auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierten Technologien beim gesamten Automatisierungslebenszyklus unterstützen. Mittels der Plattform Nvidia Omniverse können Umgebung, Roboter und bewegliche Werkstücke im digitalen Zwilling geplant und konfiguriert werden. Sie lassen sich quasi per Knopfdruck in die reale Welt übertragen. Der amerikanische Hersteller von Grafikprozessoren und KI-Beschleunigern ist nicht der einzige große Partner aus den USA, mit dem Wandelbots bei der Entwicklung von Nova zusammenarbeitete. Beim KI-Copiloten, der bei der Programmierung hilft, ist Microsoft ein weiterer Partner.
Nova kommt im Frühjahr 2025 auf den Markt
60 Programmierer aus 35 Unternehmen nutzen schon regelmäßig Nova. Laut Piechnick arbeitet Wandelbots momentan vor allem mit Maschinenbauern und in der Automatisierung erfahrenen Unternehmen zusammen, etwa mit Volkswagen. Die Gläserne Manufaktur von VW in Dresden und das Max Planck-Institut für Zellbiologie waren zwei Kundenbeispiele, die auf der Bühne vorgestellt wurden. Der wesentliche Vorteil für mittelständische Kunden sei, dass sie ohne qualifizierte Roboterprogrammierer ihre Produktion automatisieren könnten, um den Umsatz zu halten oder gar zu steigern, auch wenn die Arbeitskräfte fehlen.
Wer das System selbst testen will, hat nun die Chance dazu. Im Frühjahr 2025 soll Nova auf den Markt kommen. Bis dahin will Wandelbots „Kinderkrankheiten beseitigen“, so Piechnick, und sucht interessierte Anwender. Sie können sich unter https:www.wandelbots.com/de/developers-beta registrieren.