Herr Goldberger, Sie sind Sinologe und Germanist. Können Sie uns etwas über Ihren beruflichen Werdegang verraten?
Ich glaube, ich habe mich durch meinen Akzent schon verraten: Ich bin Österreicher. Mein akademischer Hintergrund ist geisteswissenschaftlich, unter anderem habe ich Sinologie in Wien studiert, Germanistik und Literaturwissenschaften, später dann auch Erziehungswissenschaften. Über mein Sinologiestudium bin ich zur Sprache gekommen und auch zu China, ich kenne Taiwan schon seit 1997, habe es regelmäßig besucht, aber erst seit 2017 habe ich auch durchgehend in Taiwan gearbeitet. Zuvor war ich an verschiedenen Orten in China tätig. Es ging 1999 los mit einem Sommerkurs, dann folgte ein einjähriger Studienaufenthalt. Später habe ich dann meinen Zivilersatzdienst in China geleistet. Das war recht spannend, ganz im Nordosten des Landes, in der Stadt Qiqihar, unter klimatisch extremen Bedingungen: im Winter minus dreißig, minus vierzig Grad. Dort unterrichtete ich Englisch an einer berufsbildenden Schule, die einem SOS Kinderdorf, einer österreichischen Organisation, unterstand. Das war sicher einer der eindrücklichsten Aufenthalte in der Volksrepublik.
Von da an habe ich regelmäßig im Bildungsbereich in China gearbeitet. Über den ÖAD vermittelt (das ist das österreichische Gegenstück zum deutschen DAAD), war ich als Lektor an der Peking-Universität tätig, und habe Germanistik unterrichtet. 2008/9 habe ich für das Goethe-Institut im Bildungs- und Wissenschaftsbereich am Großprojekt „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ mitgewirkt, bei dem Deutschland sich an verschiedenen Orten im Land mit Projekten aus Kultur, Kunst, Bildung, Forschung, Umwelt und Wirtschaft vorgestellt hat. Im Anschluss habe ich drei Jahre die Marketingabteilung des DAAD in Peking geleitet. Darauf folgte im Auftrag der Freudenberg-Stiftung noch ein weiteres Lektorat an der Tsinghua Universität in Peking. So war ich insgesamt zwölf Jahre lang an verschiedenen Universitäten und immer im Bereich Bildung und Wissenschaft tätig. Diese reiche praktische Erfahrung wollte ich theoretisch vertiefen und habe schließlich zum Thema Internationalisierung des chinesischen Hochschulsystems an der Humboldt-Universität Berlin promoviert. Seit 2017 bin ich in Taiwan und werde nun auch weiterhin in diesem großartigen Land bleiben und für den Freistaat Sachsen das wissenschaftliche Koordinierungsbüro eröffnen und führen.
Thematisch hat die Halbleiter-Technologie wenig mit Ihrer geisteswissenschaftlichen Karriere zu tun. Wie sind Sie zur TU Dresden gekommen?
Thematisch nicht, aber inhaltlich passt das Aufgabenprofil perfekt. Schon für den DAAD habe ich Hochschul- und Forschungsmarketing gemacht und die letzten sechs Jahre war ich Leiter des Informationszentrums des DAAD in Taiwan. In diesem Kontext betreute ich den Auftritt deutscher Hochschulen in Taiwan, betreute Forschungskooperationen und habe sehr enge Verbindungen zum NSTC, dem taiwanischen Wissenschaftsministerium, aufgebaut, wie auch zum taiwanischen Bildungsministerium. Die Aktivitäten deutscher Universitäten in Taiwan kenne ich gut.
In dieser Funktion habe ich auch an Treffen mit Delegationen aus Sachsen teilgenommen. Als die TU Dresden dann einen Büroleiter für ihr Kooperationsprojekt suchte, bot sich das an, zumal meine DAAD-Stelle jetzt im Sommer auslief.
Kommen wir zu dem Büro, das Sie leiten werden. Wann werden Sie die Arbeit offiziell aufnehmen, werden Sie Mitarbeiter haben und gibt es schon einen zeitlichen Rahmen, wie lange das Büro operieren soll?
Am besten immer und ewig… (lacht). Offiziell eröffnet wurde das Büro am 19. September und seit 4. Oktober bin ich durchgehend vor Ort. Untergebracht ist das Büro bei der AHK (Außenhandelskammer). Geplant und gesichert ist zunächst eine Finanzierung auf vier Jahre. Dann muss man sehen. Der Freistaat Sachsen hat sehr große Erwartungen. Man wird sehen, ob es eventuell ausgebaut wird. Zunächst bin ich allein dort und meine erste Aufgabe wird es sein, das Büro offiziell zu registrieren. Das ist ein bürokratischer Prozess, der ein halbes Jahr dauern kann.
Gleichzeitig gehen aber die Projekte schon los, die das Büro zu betreuen hat. Es ist ja kein Geheimnis, dass das jetzt alles sehr schnell passieren musste. Und so lernen wir Schritt für Schritt, wie es weitergeht. Ob ich später Mitarbeiter werde einstellen können, weiß ich nicht. Das ist auch eine Frage des Budgets.
Wie wird der geplante Studierenden-Austausch aussehen?
Die erste Studierenden-Kohorte wird im Frühjahr eintreffen. Zwar fängt das Semester in Taiwan schon im Februar an, wenn an den deutschen Hochschulen noch Prüfungen sind, aber dafür gibt es bereits Lösungen, sodass die Studierenden der TU Dresden noch ihre Prüfungen machen können und während dieser Zeit schon eine erste Studienphase online absolvieren können. In Ausnahmefällen werden wir sogar Prüfungen für Dresden in Taiwan durchführen. In dieser ersten Phase werden nur Studierende der TU Dresden geschickt, das soll dann ab der zweiten Phase auf ganz Sachsen ausgeweitet werden.
Die erste Partner-Universität, an der Studierende aus Sachsen unterrichtet werden, ist die National Taiwan Universität (NTU) in Taipei, die mit Abstand renommierteste Uni Taiwans. Die NTU bietet auch das passgenaueste Curriculum für unsere Studierenden.
Das Programm umfasst einen halbjährlichen Studienaufenthalt für die Studierenden aus Deutschland, bestehend aus einem akademischen Teil, der an der Universität stattfindet, und einem anschließenden praktischen Teil bei TSMC.
TSMC erwartet sich sehr große Zahlen deutscher Studierender und es wird sicher nicht leicht, diese Erwartungen zu erfüllen. Glücklicherweise ist das Interesse in Dresden sehr groß. Es gab eine erste Umfrage unter Studierenden an der TU Dresden, bei der es eine sehr hohe Zahl an Interessenten gab. Wie sich das dann umsetzen lässt in tatsächliche Teilnehmerzahlen, wird sich zeigen, aber wir gehen davon aus, dass in der ersten Kohorte allein von der TU Dresden sicher schon dreißig bis vierzig Studierende entsandt werden können.
Das ist der erste Testballon, bei dem ich sehr guter Dinge bin, weil wir mit guten Partnern zusammenarbeiten und auch ein interessantes Programm entwickelt haben. Danach geht es dann für alle Hochschulen in Sachsen weiter. Schon jetzt führe ich Gespräche mit anderen Hochschulen, gerade war ich an der TU Chemnitz, mit der TU Freiberg habe ich schon gesprochen und mit der HTW Dresden.
Für die Teilnehmer*innen des Programmes gibt es ein Stipendium und natürlich sehr, sehr gute Jobperspektiven. Auch ein Zertifikat für diesen Ausbildungsanteil in Taiwan soll es geben. Wer diesen Ausbildungsgang absolviert hat, hat natürlich direkten Zugang zu TSMC.
Sie sprechen mit den Hochschulen und machen dort Werbung für das Programm. Werden Sie auch an der Auswahl der Studierenden beteiligt sein?
Bisher gibt es nur die erste Phase, bei der die TU Dresden das Auswahlverfahren durchführt. Bei den anderen Hochschulen wird es aber mit Sicherheit so sein, dass die jeweilige Hochschule ihr eigenes Verfahren entwickelt. Die Studierenden müssen ein bestimmtes Profil erfüllen, da gibt es verschiedene Module, mit unterschiedlichen Bewerbungsprofilen.
Oft werde ich gefragt, was unsere Kontingente sind, aber letztlich ist der Bedarf an Fachkräften derart enorm, dass es weniger darum gehen wird, Kontingente für jede Universität festzulegen, als vielmehr darum, genügend Studierende auf diesen Weg schicken zu können.
Von bis zu einhundert Studienplätzen pro Durchgang ist die Rede.
TSMC sagt, sie nehmen gern mehr als einhundert.
Wird TSMC sich denn außer bei der praktischen Ausbildung auch finanziell am Austauschprogramm beteiligen?
TSMC hat ein eigenes Training Center, an dem die Studierenden auch ausgebildet werden und in diesem Zeitraum auch Unterkünfte, Transport etc. von TSMC zur Verfügung gestellt bekommen.
Auf jeden Fall wird TSMC alles tun, um seinen sehr hohen Fachkräfte-Bedarf zu decken. Und gegenüber anderen Standorten bietet Dresden mit seinem schönen Umland, dem Kulturangebot, seinen internationalen Schulen und einer akademischen und wissenschaftlichen Infrastruktur auf höchstem Niveau viele Vorteile.
Wird das Büro sich auch um die praktischen Belange der Studierenden kümmern? Wie sieht es mit Sprachbarrieren aus? Ich nehme an, der Studiengang wird auf Englisch sein. Wo werden die Studierenden wohnen? Wird es auch einen kulturellen Aspekt des Austauschprogramms geben?
Selbstverständlich werde ich die deutschen Studierenden betreuen, aber ich bin natürlich nicht direkt in den Unterricht involviert, aber um die Rahmenbedingungen und mögliche Probleme kümmere ich mich. Der Studiengang wird auf Englisch sein, untergebracht werden die Teilnehmer*innen in den Wohnheimen auf dem Campus der NTU.
Wie es dann bei den anderen taiwanischen Universitäten aussieht, die perspektivisch auch an dem Programm teilnehmen sollen, muss noch geklärt werden. Das reicht von Wohnheimplätzen über die Gestaltung des Curriculums bis hin zu der Frage, ob die taiwanischen Professoren, die zwar alle auch auf Englisch publizieren, auch gut auf Englisch unterrichten können.
Zum kulturellen Aspekt: Im Oktober beginnt die Ausschreibung für das Projekt und in diesem Zusammenhang werden wir auch Chinesisch-Kurse anbieten, freiwillig natürlich, aber um eine Möglichkeit anzubieten, sich auf den Aufenthalt vorzubereiten.
Welche Herausforderungen sehen Sie auf sich zukommen? Was macht Ihnen Sorge, worauf freuen Sie sich?
Es gibt viele Ideen, aber noch ist das aktuelle Engagement sächsischer Hochschulen in Taiwan überschaubar. Große Pläne in kurzer Zeit umzusetzen, wird nicht einfach. Oft werden fruchtbare Kooperationen über Jahre aufgebaut.
Ich stehe zwar bei der TU Dresden unter Vertrag, werde aber für alle sächsischen Hochschulen und deren Ideen zum wissenschaftlichen Austausch verantwortlich sein. In dieser Funktion wird das Büro zugleich ein Pilotprojekt für weitere solche Anlaufstellen im Ausland sein. Die Hochschulen in Sachsen denken hier schon weiter und planen im Rahmen der Fachkräfteinitiative des Freistaats Sachsen so genannte Verbindungsbüros zum Beispiel in Indien, Vietnam und Usbekistan.
Gibt es denn eine Arbeitsgruppe in Sachsen oder an der TU Dresden, die sich ausschließlich um dieses Programm, die Entwürfe, Planungen, Verhandlungen kümmert?
Die Idee ist, dass in Zukunft ich diese Person sein werde, bei der alle Informationen zu Taiwan zusammenlaufen. Bis jetzt haben aufgrund der Kürze der Zeit sehr viele Personen daran mitgewirkt, aber es ist wichtig, die Informationen, Ideen, Pläne zu bündeln und zusammenzuführen. Durch die Einrichtung des Koordinierungsbüros hoffe ich zu erreichen, dass dort dann eine zentrale Plattform für den akademischen und wissenschaftlichen Austausch mit Taiwan entsteht. Das wird auch deshalb eine Herausforderung, weil ich dann in Taipei bin und nicht mehr Tür an Tür mit den Verantwortlichen an der TU Dresden arbeite.
Zum Abschluss vielleicht noch ein persönliches Schlusswort. Worauf freuen sie sich, was erhoffen Sie sich von der neuen Aufgabe?
Mein erster Glücksmoment wird sein, wenn ich im kommenden Frühjahr tatsächlich dreißig oder vierzig Studierende vom Flughafen abhole und ein weiterer wird es sein, wenn ich sie nach zwei Wochen zu einem Meeting einlade und sehe: das läuft jetzt. Wenn ich sehe, dass diese Ideen tatsächliche Lebensläufe echter Menschen prägen. Das ist das erste ganz konkrete Ziel.
Darüber hinaus soll das aber ein Büro werden, das den wissenschaftlichen Austausch, die kulturellen und auch ökonomischen Interessen Sachsens in Taiwan vertritt und weiterbringt.
Gespräch: Dorothea Zeppezauer