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Landesbauernpräsident: „Wir haben eine Zukunft“

Anhören Ein Jahr nach den Bauernprotesten: Für Sachsens Landwirte wird ein Agrarentlastungspaket entwickelt. So ist die Situation.

Lesedauer: 3 Minuten

Cathrin Reichelt

Region Döbeln. Mit einer großen Blockade rund um das Harthaer Kreuz haben die Bauern gegen den Wegfall der Agrardieselvergütung und der Kfz-Steuerbefreiung demonstriert. Dabei wurden sie von zahlreichen Unternehmen anderer Branchen unterstützt. Trotz der damit verbundenen Einschränkungen herrschte auch in der Bevölkerung große Akzeptanz und Toleranz. Das ist ein reichliches Jahr her. Was hat sich in dieser Zeit für die Landwirte verändert? Sächsische.de hat nachgefragt.

„Wir haben 50 Prozent geschafft. Mit der Demo haben wir erreicht, dass die Kfz-Steuerbefreiung bleibt“, sagt Torsten Krawczyk, Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Der Agrardiesel werde allerdings wieder besteuert. Für das Landgut Westewitz, das er mit seinem Bruder Sven Krawczyk führt, bedeute das jährliche Mehrausgaben in Höhe von rund 11.000 Euro. In dieser Beziehung gehe der Kampf weiter.

Politischer Wandel spürbar

Insgesamt sieht Torsten Krawczyk aber positiv in die Zukunft. Gerade ist er von der Grünen Woche in Berlin zurückgekehrt. Dort habe er gespürt, dass eine politische Veränderung begonnen hat – auch, wenn das bei den Bauern noch nicht angekommen sei. „Beim Sachsenabend war eine gelöste Stimmung. Total anders als auf Bundesebene. Man hat gemerkt, dass sich etwas wandelt“, so der Präsident des Landesbauernverbandes.

Mit dem Regierungswechsel in Sachsen sei eine große Erwartungshaltung verbunden. Der neue Landwirtschaftsminister Georg-Ludwig von Breitenbuch genieße im Moment das Vertrauen, dass er Veränderungen herbeiführen werde. Ähnlich sehe es auf europäischer Ebene aus. „Agrarkommissar Christophe Hansen ist selbst Landwirt“, sagt Krawczyk. Nach der Grünen Woche sei er überzeugt: „Wir haben eine Zukunft. Es wird sich etwas verändern.“

Für Demos fehlt derzeit ein Adressat

Dafür sei jedoch auch ein Politikwechsel in der Bundesregierung dringend nötig. Auf sächsischer und europäischer Ebene seien erste Erfolge spürbar. Vonseiten des Bundes sei bisher nichts passiert, als dass eine gewisse Betroffenheit gezeigt wurde.

„Ich werde permanent gefragt, ob wir nicht wieder auf die Straße gehen sollten. Aber das ergibt gerade keinen Sinn“, sagt Krawczyk und ruft zur Besonnenheit auf. „Wir brauchen einen Adressaten und ernsthafte Antworten für die Wirtschaftspolitik.“

Wenn wir selbst nicht an die Zukunft glauben, werden wir auch keine Zukunft haben. – Torsten Krawczyk, Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes

Denn die Betroffenheit habe sich in dem einen Jahr extrem verändert. Damals ging es um die Bauern, jetzt gehe es um alle Branchen. „Wir erleben eine Trendwende, und ich bin überzeugt, dass die Landwirte zu denen gehören, die Veränderungen zuerst spüren“, sagt der Bauernpräsident. Er habe auch Verständnis, dass viele Landwirte noch frustriert seien, weil sie dies im alltäglichen Leben noch nicht spüren.

„Die Demos haben uns gutgetan. Wir haben gelernt, wo die Bauern in der Gesellschaft stehen“, so Krawczyk. „Wir haben festgestellt, dass uns viele vertrauen. Obwohl wir alle belästigt haben, hatten wir viel Unterstützung.“ Die Bauern stünden in der Mitte der Gesellschaft. Sie könnten und wollen Verantwortung übernehmen und hätten ein großes Gerechtigkeitsempfinden. Alle säßen in einem Boot. „Wenn wir selbst nicht an die Zukunft glauben, werden wir auch keine Zukunft haben“, meint Krawczyk.

Berlin muss sich um die Wirtschaft kümmern

Wichtig sei, nicht nur Freiräume einzufordern, sondern auch mitzugestalten. Die ersten Signale gebe es bereits. Branchenbarometer würden eine leicht positive Tendenz ausweisen. „Unternehmer haben wieder Lust, zu gestalten und zu investieren“, so der Bauernpräsident. „Heutige Investitionen sind Arbeitsplätze und Gewinne von morgen.“ Er hoffe, dass der „Knall in Berlin kommt“ und man sich dort bewusst werde, dass man sich um die Wirtschaft kümmern müsse.

Für Sachsens Landwirte gebe es bereits konkrete Ansatzpunkte. „Wir fokussieren uns darauf, Genehmigungsverfahren und Abläufe zu straffen“, erklärt Krawczyk. Damit vor allem in der Tierproduktion Investitionen abgesichert sind, werde eine Vereinfachung des Bestandsschutzes für eine tiergerechtere Haltung angestrebt. Durch das aufwendige Verfahren habe nicht nur Sachsen schon „massenhaft Tierhalter verloren“.

Mehrgefahrenversicherung gefordert

Die Landwirte würden sich wünschen, dass alles, was mit der Fleischverarbeitung zusammenhängt, vereinfacht wird. Derzeit gebe es eine wahnsinnige Flut von Auflagen. Auch für Drittvermarkter würde die Bürokratie abgebaut. Auf dem „Wunschzettel“ stehen unter anderem auch einheitliche Schlachtgebühren mit einheitlichen Auflagen, eine Überarbeitung der Düngemittelverordnung und eine Vereinfachung der Dokumentation.

„In Sachsen wollen wir ein Agrarentlastungspaket entwickeln – mit Bausteinen, die für die Bauern greifbar sind“, sagt der Landesbauernpräsident. Bisher bestehe es bereits aus 156 Punkten, die zum Bürokratieabbau beitragen sollen. Als Beispiel nennt Torsten Krawczyk die Überbreitenregelung für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Derzeit müsse die Genehmigung jedes Jahr erneuert werden. Nach Ansicht der Landwirte reiche dies aber alle zwei bis drei Jahre, wie beim TÜV. Außerdem sollte das nicht in jedem Landkreis anders gehandhabt werden.

In diesem Zusammenhang sagt Torsten Krawczyk auch: „Ich finde es unheimlich schade, dass wir in der Adventszeit die Lichterfahrten nicht hinbekommen haben. Für sie braucht es eine einheitliche Regelung, die die Kommunen befähigt, die Fahrten zu genehmigen.“

Mit Blick auf den plötzlichen Frost im Frühjahr vergangenen Jahres und die daraus resultierenden Schäden, vor allem für die Obstbauern, mahnt Krawczyk auch eine Mehrgefahrenversicherung an. „Wir sind fast das einzige Land in Europa, das sie nicht hat“, sagt er. Finanziert werde sie jeweils zu einem Drittel vom Staat, dem Landwirt und der Versicherungswirtschaft. Die Mehrgefahrenversicherung schütze vor finanziellen Folgen durch Schäden, die durch verschiedene Gefahren wie Sturm, Frost, Überschwemmung und Hagel entstehen können.

SZ

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