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Das Ohr heilt sich nicht selbst

Der Leipziger Hörgeräteakustikmeisterin Beate Gromke gefällt, dass sie Lebensqualität zurückgeben kann.

Lesedauer: 3 Minuten

Eine Frau schaut freundlich in die Kamera.
Beate Gromke liebt ihre Arbeit, nur die Bürokratie macht ihr manchmal zu schaffen. Foto: Andre Kempner

Von Ulrich Milde

Leipzig. Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. „Wir können unseren Kunden Lebensqualität zurückgeben, das ist ein unschlagbares Gefühl.“ So antwortet die Leipzigerin Beate Gromke auf die Frage, was sie an ihrem Beruf als Hörgeräteakustikmeisterin reizt. Die Arbeit sei extrem vielfältig. Sie habe mit „ganz unterschiedlichen Menschen“ zu tun. Diese wiederum seien nach Abschluss der Behandlung dankbar. Denn sie würden es genießen, „die Umwelt wieder in allen Facetten wahrnehmen zu können“. Beate Gromke hatte sich erst relativ spät für diese Tätigkeit entschieden. Weshalb die gebürtige Leipzigerin nach dem Abitur ihre Ausbildung nicht in der Region antreten konnte. Ihre Mutter Gabriele hatte zwar 1991 in der Messestadt den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt, doch in der Phase des Aufbaus des Unternehmens Gromke Hörzentrum stand die Ausbildung noch nicht auf dem Plan. So ging die Tochter nach Offenburg. Von dort, im Westen Baden-Württembergs gelegen und nur 20 Kilometer südlich von Straßburg, musste sie regelmäßig zur Berufsschule nach Lübeck. Nicht gerade der nächste Weg: Pro Strecke waren über 750 Kilometer zu bewältigen. Zwar habe es ihr im Ländle gut gefallen, aber nach Abschluss der Lehre „wollte ich zurück nach Leipzig“.

Inzwischen 42 Mitarbeitende
Sie stieg in die mütterliche Firma ein, die rasch expandierte und heute neben der Leipziger Zentrale neun Geschäfte umfasst, außer in Leipzig auch in Döbeln und Eilenburg. Inzwischen stehen 42 Mitarbeitende auf den Gehaltslisten. Beate Gromke arbeitete zunächst in verschiedenen Filialen, legte erfolgreich die Meisterprüfung ab. 2007, als die Firmenzentrale in der Dresdner Straße in Leipzig restauriert worden war, wurde sie die Stellvertreterin ihrer Mutter, lernte im Laufe der Zeit weitere wichtige Seiten der Betriebsführung kennen.
Vor inzwischen sieben Jahren erfolgte planmäßig die Firmenübernahme. Gromke räumt ein, dass sie das eine oder andere Problem in diesem Prozess etwas unterschätzt habe. „Ich habe viel dazugelernt.“ Erfreulicherweise habe die Handwerkskammer sehr geholfen. Unterm Strich sei der Übergang relativ störungsfrei verlaufen. Ihre Mutter sei noch ein Jahr an Bord geblieben, um mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Natürlich habe es dabei auch mal gekracht. „Aber wenn auf beiden Seiten Verständnis vorhanden ist und gegenseitige Rücksichtnahme herrscht, lässt sich das rasch ausräumen.“ Kritik übt die Handwerkerin an der „massiv gestiegenen Bürokratie“. Auch ihr Betrieb müsse alle möglichen Beauftragten benennen, von der Qualität bis zum Datenschutz. Dadurch entstehe ein Riesenaufwand. Zudem kommunizierten die verschiedensten Ämter nur unzureichend miteinander. Dabei sei sie Unternehmerin geworden, „um unternehmerische Entscheidungen zu treffen“, klagt Gromke. Nicht, um sich mit Behörden auseinanderzusetzen. Die wirtschaftlichen Aussichten der Branche mit ihren 2.700 Firmen in der Bundesrepublik mit einem Jahresumsatz von rund 2,3 Milliarden Euro sind durchaus gut.

Der Bedarf steigt
Allein in Deutschland leiden Erhebungen zufolge zehn Millionen Menschen unter Hörbeeinträchtigungen, knapp zwei Millionen gelten als nicht versorgt. In einer alternden Bevölkerung nehmen die dadurch verursachten Beeinträchtigungen zu. „Hören beeinflusst nicht nur die Kommunikation, sondern auch unsere emotionale und kognitive Gesundheit“, sagt die Chefin. Unbehandelter Hörverlust könne zu Stress und, in extremen Fällen, sogar zur Isolation führen, nicht nur bei Senioren. Besonders bei Kindern und Jugendlichen könnten diese Störungen das Lernen und soziale Interaktionen beeinträchtigen. Doch das müsse nicht sein. „Moderne Technologien und Therapiemöglichkeiten können helfen, die Menschen ins aktive Leben zurückzuholen.“ Hörtests sind dabei der erste Schritt, mögliche Probleme rechtzeitig zu identifizieren. „Das Ohr hat schließlich keine Selbstheilungskraft.“
Die Technik hat sich nach Gromkes Worten „rasant verändert. „Es ist eine ganze Menge dazugekommen.“ Wurden Einstellungen am Hörgerät früher noch per Schraubenzieher vorgenommen, so sind die Apparate und Implantate heute mit modernen Chips bestückt, die am Computer individuell, ganz nach den Bedürfnissen, programmiert und auch gerne mit dem Handy verbunden werden. Permanente Weiterbildungen seien dabei von essenzieller Bedeutung, da die Medizin und Technologie durch deutliche Fortschritte gekennzeichnet seien. Ständige Änderungen in den gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen kämen obendrauf. Im Vergleich zu Hörgeräteketten, von denen eine mit einem Kind im Ohr wirbt, 750 Fachgeschäfte betreibt und 3000 Beschäftigte hat, ist Gromke ein Zwerg. „Wir punkten mit unserer Beratung und unserem Service, hoher Qualität und modernster Technik unserer Medizinprodukte.“ Ihre Mitarbeiter „nehmen sich Zeit zuzuhören“. Permanente Weiterbildungen seien Pflicht. Ihr Betrieb sei nicht so monetär getrieben, wie es Aktiengesellschaften in der Regel seien.
Im Ehrenamt ist Gromke Präsidentin der Europäischen Union der Hörgeräteakustiker. Dieser Branchenverband mit 600 Mitgliedsunternehmen hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Verbindung von Wissenschaft und Praxis zu stärken. Auch Laien sind eingebunden, um eine immer bessere Versorgung von Schwerhörigen zu ermöglichen. „Das finde ich sehr spannend.“

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