Zum Frühstück am Sonntag gehören neben einer großen Tasse Kaffee für viele frische Brötchen vom Bäcker. Doch zumindest für die Neustädter dürfte der Brötchenkauf in Zukunft schwieriger werden. Sowohl die Bäckerei Graf auf der Alaunstraße als auch die Filiale des Bäckers Reimann auf der Kamenzer Straße bleiben sonntags geschlossen. Der Grund: Fachkräftemangel. „Wir mussten uns leider zu diesem Schritt entschließen, sonntags nicht mehr zu öffnen, weil ich keine Leute mehr finde, die an dem Tag arbeiten wollen“ so Bäckermeister Matthias Graf. Der Stellenwert der Freizeit sei bei den Mitarbeitern inzwischen so hoch, dass selbst Zuschläge nicht mehr locken könnten, am Wochenende zu arbeiten. „Der Fachkräftemangels ist dramatisch“, so Graf.
Um seine zehn Mitarbeiter zu schonen, bleibt sein Laden in der Neustadt künftig sonntags zu, Samstag ist weiter geöffnet. Auch auf Auslieferung am Sonntag muss er künftig verzichten. Er sucht dringend neues Personal. Einige potenzielle Mitarbeiter würden gleich im Vorstellungsgespräch sagen: „Sonntags komme ich nicht,“, so Graf.
Ähnlich geht es Uwe Dähne, Betriebsleiter bei der Bäcker-Kette Emil Reimann. Auch Reimann schließt eine Filiale auf der Kamenzer Straße seit Kurzem am Sonntag. „Wir steuern seit Jahren auf diese Entwicklung zu, es gibt immer weniger Fachkräfte“, so Dähne. Und die, die er noch findet, haben ihren Preis. „In den vergangenen vier Jahren haben sich die Lohnsummen, die wir zahlen müssen, um die Leute zu halten, verdoppelt“, so Dähne. Konkrete Löhne will er nicht nenen. Aktuell arbeiten für Reimann 80 Mitarbeiter in der Produktion und rund 600 Verkäuferinnen. In der ganzen Stadt hat die Kette ihre Läden.
Trotzdem weiter am Sonntag geöffnet haben unter anderem die Filialen der Bäckereien Wippler und Schwerdtner. „Es wird schwieriger, aber noch schaffen wir es“, sagt Schwerdtner-Chef Wicky Löffler. „Wir zahlen Samstag, am Sonntag und am Feiertag Zuschläge“. Einen eklatanten Nachwuchsmangel bei den Bäckereifachverkäufern muss auch die Handwerkskammer vermelden. Lernten 2010 noch rund 60 junge Menschen den Beruf des Fachverkäufers, sind es aktuell gerade noch 36. Noch gravierender ist es bei den Bäckern. Lernten 1999 noch 686 Frauen und Männer den Beruf des Bäckers, sind es 2018 zu Beginn des Lehrjahres nur noch 46, so Sprecherin Josefin Päßler.
Doch warum wollen viele junge Leute den Beruf nicht erlernen? Immer wieder genannt werden das frühe Aufstehen und die Arbeit in der Nacht. Doch die Handwerkskammer hat auch Ideen, wie sich der Personalmangel lösen lässt. „Jedes Unternehmen muss prüfen, welche Öffnungszeiten wirtschaftlich sind. Viele kleine Betriebe leiden an zu starren Arbeitszeitregelungen, die den Einsatz des Personals erschweren“, so Päßler.
Neben der Arbeitszeiten wird oft die Bezahlung als Ursache für die schwierige Nachwuchssuche genannt. Ein Bäckereifachverkäufer-Azubi bekommt im ersten Lehrjahr rund 570 Euro brutto im Monat, im letzten Jahr dann 800 Euro brutto. Zum Vergleich: Ein Fliesenleger-Lehrling bekommt rund 675 Euro im ersten Lehrjahr, ein Banklehrling rund 950 Euro. Doch die Bäckerinnung glaubt nicht, dass die Bezahlung eine Ursache ist, sagt Geschäftsführerin Manuela Lohse. Aber auch Lohse weiß vom Nachwuchsproblem und versucht, junge Menschen von den positiven Seiten des Berufes zu überzeugen. „Klar, müssen Bäcker nachts arbeiten, aber dafür haben die den Nachmittag dann Feierabend und Zeit für ihre Kinder“, so Lohse.
Genau diesen Feierabend wünscht sich auch Andre George, Inhaber der Bäckerei Emoi auf der Kamenzer Straße. Er öffnet sonntags und profitiert enorm von der Schließung der anderen beiden Neustadt-Bäckereien an diesem Tag. Die Schlange ist lang vor seinem Geschäft. „Aber ich bin an meiner Leistungsgrenze angekommen und arbeite jede Woche rund 60 Stunden“, sagt er. Auch er findet nicht genügend Personal und steht so Stunden um Stunde selbst in seinen Läden in Striesen und der Neustadt. „Aber der Sonntag ist so umsatzstark, da mache ich lieber montags zu.“
Von Julia Vollmer
Bildquelle: Steffen Füssel