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Abschaffung des Acht-Stunden-Tages: Was bringt das der sächsischen Gastronomie?

Die Bundesregierung will statt der bisherigen täglichen Höchstarbeitszeit eine Begrenzung pro Woche einführen. Hilft das gegen das Gaststätten-Sterben in Sachsen?

Lesedauer: 3 Minuten


Luisa Zenker

Ruhig ist es am diesen Vormittag in den Restauranträumen vom Parkhotel in Bad Schandau. 130 Gäste haben sich hier noch vor ein paar Stunden durch das Frühstücks-Buffet geschlemmt. Hoteldirektor Markus Gorny hat jetzt Pause für einen Kaffee. Und möchte genau über das sprechen: Zeit.

„Viele meiner Mitarbeiter würden gern 10 Stunden arbeiten“, beginnt Gorny. Die Bundesregierung plant die Abkehr des Acht-Stunden-Tages. Sie will laut Koalitionsvertrag eine wöchentliche anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit durchsetzen. Es zählt nicht mehr, wie viel im Schnitt pro Tag gearbeitet wird, sondern dass Arbeitnehmer insgesamt unter 48 Stunden pro Woche bleiben.

Weniger Fahrtzeit: Vier Tage mit je zehn Stunden

Gastronom Gorny befürwortet das. Die Hälfte seiner Mitarbeiter komme aus Tschechien, die andere größtenteils aus Neustadt, Sebnitz. Eine dreiviertel Stunde Anfahrt gehört für die meisten zum alltäglichen Berufsweg. Mit vier Tagen je zehn Stunden hätten sie weniger Fahrtzeit und drei Tage am Stück frei, meint Gorny. 60 Beschäftigte arbeiten in dem Hotel- und Gaststättenbetrieb.

Hotel in Sachsen würde Öffnungszeiten verlängern

Das Hotel in der Sächsischen Schweiz hat nebenbei einen Restaurantbetrieb für Tagesgäste. Von 15 bis 22 Uhr ist es geöffnet. Würde der Acht-Stunden-Tag abgeschafft, könnte sich Hoteldirektor Gorny vorstellen, an manchen Tagen bereits ab 12 Uhr Mittagessen anzubieten. Oder erst um 23 Uhr zu schließen. Zwei lange 10 Stunden-Dienste an der durchgehend geöffneten Rezeption könnten den Nachtdienst auf sechs Stunden reduzieren.

Bei großen Veranstaltungen wie Hochzeiten könnten seine Beschäftigten auch mal bis 2 Uhr nachts arbeiten. Machen sie auch jetzt manchmal, so Gorny, aber mit einer Wochenarbeitshöchstzeit sei der Dienstplan flexibler und rechtssicher. Das aktuelle Arbeitszeitgesetz erlaubt Zehn-Stunden-Dienste in Sonderfällen, diese müssen innerhalb von einem halben Jahr wieder beglichen werden.

„Die jungen Leute verlangen das einfach, sie wollen Zeit für die Familie und lieber drei Tage frei.“ – Markus Gorny, Hoteldirektor in Bad Schandau

Zur Ausnahme gehören Krankenschwestern, Polizisten, Bahnangestellte. Die schwarz-rote Regierung will den Zehn-Stunden-Tag nun allen ermöglichen. „Die jungen Leute verlangen das einfach, sie wollen Zeit für die Familie und lieber drei Tage frei“, erläutert Hoteldirektor Gorny.

Abkehr vom Acht-Stunden-Tag: Personal sparen

Personal könnte der Hoteldirektor dadurch nicht einsparen. Das sieht Detlef Knaack anders. Er betreibt das Catering-Unternehmen Fairgourmet für die Leipziger Messe. „Seit Corona gibt es fast keine Leihköche mehr.“ Der Chef tauscht deshalb oft seine Krawatte gegen die Schürze, um tausende Besucher auf Messe-Events durchzufüttern. Ihm als Unternehmer würde es mehr bringen, wenn seine mehr als 120 Mitarbeiter an Tagen mit hohem Aufkommen länger arbeiten und dafür unter der Woche freihaben, wenn weniger los ist. Er müsse so nicht noch extra Leihköche ordern, die ihm zufolge schwer zu finden sind, obwohl er schon über dem Tarifvertrag bezahle.

Detlef Knaack ist nicht nur gelernter Koch, sondern auch Vizepräsident der Dehoga Sachsen. Er weiß, dass gerade auf dem Land die Gastronomie stirbt. In Sachsen ist die Zahl der Gaststätten seit 2015 von 163.900 auf 150.200 gesunken. Am Wochenende habe er wieder in einer Kleinstadt erlebt, wie das Restaurant um 18 Uhr schließen musste, weil der Koch seit 10 Uhr morgens in der Küche stand. Eine Abschaffung des Acht-Stunden-Tages könnte so zumindest für lange Öffnungszeiten am Wochenende sorgen, sagt Knaack.

Dass sich durch die Abkehr des Acht-Stunden-Tages die Öffnungszeiten ändern würden, kann Betreiber Tino Götz vom Café Glocke in der Dresdner Neustadt nicht bestätigen. Er wurde aber bereits von mehreren Beschäftigten angesprochen, dass sie lieber vier Tage á zehn Stunden arbeiten wollen. Dennoch sagt Tino Götz: „Ich persönlich würde niemanden animieren, länger zu arbeiten.“ Er benötigt großes Vertrauen in die Person, damit sie auch bei einem 12-Stunden-Dienst, selbst nach der zehnten Stunde, weiterhin freundlich den Kunden anlächelt. „Gastroarbeit ist knochenharter Job, nach sechs Stunden nimmt die Leistungsfähigkeit ab.“

Ich find 12 Stunden arbeiten crazy. Ich persönlich würde niemanden animieren, länger zu arbeiten. Gastroarbeit ist knochenharter Job, nach sechs Stunden nimmt die Leistungsfähigkeit ab.

Betreiber Tino Götz, Café Glocke

Mehr Work-Life-Balance?

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) spricht sich gegen eine Lockerung des Arbeitszeitgesetzes aus. Sachsen-Chef Thomas Lißner sagt: „Wir mussten lange für den acht Stunden Tag kämpfen.“ Die NGG warnt vor den gesundheitlichen Folgen bei Mehrarbeit. Nach einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz steigt das Unfallrisiko nach der achten Arbeitsstunde exponentiell an. Das aktuelle Arbeitszeitengesetz erlaube bereits in Ausnahmen, mehr als acht Stunden Arbeit, so Lißner. Er befürchtet, dass durch die Flexibilisierung die Gastronomie noch unattraktiver wird. „Das Problem ist, dass dann auch die drei Tage gegeben werden müssen und wir haben schon sehr, sehr viele Überstunden in der Gastronomie.“

Lißner setzt sich vielmehr für einen flächendeckenden Tarifvertrag und eine 35-Stunden-Woche ein, er geht davon aus, dass in Sachsen gerade mal zehn Prozent der Betriebe tarifgebunden sind. Dehoga-Chef Axel Klein hält dagegen, dass im Gastrobereich ein Arbeitnehmermarkt existiert. „Wird ein Beschäftigter schlecht behandelt, kann er sofort woanders hingehen.“

Kastenmeier im Taschenbergpalais: Vier-Tage-Woche wollte niemand

Die Fronten zwischen Gewerkschaft und Dehoga scheinen verhärtet. Möglicherweise hilft da ein Blick in die Praxis: Um neues Personal zu gewinnen, hat Gerd Kastenmeier seinen Beschäftigten schon 2019 eine Vier-Tage-Woche angeboten. Dabei konnten die 40 Wochen-Arbeitsstunden nach Wunsch auf vier statt fünf Tage aufgeteilt werden. Er wollte damit Bewerber mit Familie anlocken, so der Chef des „Kastenmeiers“ im Dresdner Taschenbergpalais. Bewährt hat sich der Vorschlag in der Praxis nicht. „Bei mir wollten es die Mitarbeiter nicht.“

SZ

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