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Air Liquide zerlegt in Schwarzheide Luft für die Energiewende

Im brandenburgischen Schwarzheide werden jetzt unter anderem Sauerstoff und Stickstoff hergestellt, auch für die sächsische Halbleiterbranche. Investiert wurden 40 Millionen Euro.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht BASF-Chefs Jürgen Fuchs, Sebastian Jureczek von Air Liquide.
BASF-Schwarzheide-Chef Jürgen Fuchs (l.), Sebastian Jureczek von Air Liquide Deutschland und Jörg Steinbach (SPD) Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg. © dpa

Von Irmela Hennig

Sprudeln die Gewerbesteuereinnahmen in der südbrandenburgischen Stadt Schwarzheide? Bürgermeister Christoph Schmidt schüttelt den Kopf. Zwar hat der Stadtchef mit dem Chemiekonzern BASF ein wirtschaftliches Schwergewicht in seiner Kommune. Und am Montag hat der Industriegasspezialist Air Liquide im Industriepark der BASF eine neue Luftzerlegungsanlage offiziell gestartet. 40 Millionen Euro wurden investiert. „Aber wegen der Energiekrise machen Unternehmen derzeit kaum Gewinne“, erläutert Schmidt. Gerade die Chemiebranche hatte in den vergangenen Monaten mit sehr hohen Gaspreisen und gesunkener Nachfrage nach ihren Produkten zu kämpfen.

Trotzdem gab es bei der Einweihung der Anlage von Air Liquide in Schwarzheide unterm hellblauen und mit winzigen Wölkchen betupften Himmel nur lächelnde Gesichter. Immerhin seien Standortentscheidungen für Brandenburg gefallen, wie der dortige Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) in seinem Grußwort betonte. Zunächst von BASF. Der Konzern hatte kürzlich in Schwarzheide die erste deutsche Fabrik für Kathodenmaterial eröffnet – das wird gebraucht, um Batterien herzustellen als Baustein für die Energiewende. Jetzt folgt Air Liquide. Das französische Unternehmen hat auf 12.000 Quadratmetern Land nun Tanks und Technik aufgebaut, Rohleitungen sowie 25.000 Meter Kabel verlegt und produziert vor Ort verschiedene Gase. Vor allem kohlendioxidfreie Druckluft – dies ausschließlich für den langjährigen Kunden BASF. Der benötigt den Stoff für die Herstellung seines Kathodenmaterials. Hinzu kommen Sauerstoff und Stickstoff. Dafür gebe es weitere Abnehmer, so aus dem Lebensmittel-, Automobil- und Metallsektor.

Zudem in der Halbleiterbranche – da seien es konkret auch Firmen in Dresden wie Globalfoundries, Infineon und Bosch. Die werden zwar hauptsächlich von Air Liquide Electronics im sächsischen Ottendorf-Okrilla mit dort 75 Mitarbeitern versorgt. Aber „Schwarzheide wird das Backup, um unsere Kunden unter anderem mit flüssigem Sauerstoff und Stickstoff zu beliefern“, sagt Wolfgang Steiner, Geschäftsführer des dortigen Standorts. Die Schwarzheider sind also so etwas wie die Absicherung. Steiner würde Gase auch an den möglichen neuen Dresdner Halbleiter-Produzenten TSMC verkaufen: „Wenn der das wünscht.“ Den Standort in Ottendorf-Okrilla gibt es seit etwa 17 Jahren.

Kunden sitzen in fast allen Bundesländern

Kunden von Air Liquide in Schwarzheide sitzen in fast allen deutschen Bundesländern und künftig eventuell auch in Polen, wie Sebastian Jureczek sagt; er ist Geschäftsführer von Air Liquide Deutschland mit rund 3.750 Angestellten. In Schwarzheide ist der Konzern seit 1995 vertreten, produzierte bislang Stickstoff, vor allem als Partner von BASF. Die Air-Liquide-Mannschaft dort wachse mit der neuen Anlage um vier auf 13 Personen, wie eine Pressesprecherin informiert. In der chemischen Industrie laufen viele Prozesse digital und automatisiert, begründet sie das kleine Team. Weltweit sind reichlich 67.000 Leute in 73 Ländern beim 1902 gegründeten Unternehmen beschäftigt. Wie der Konzern angibt, sei man Weltmarktführer unter anderem bei Gasen. Die Bandbreite reiche von A wie Ammoniak bis X wie Xenon. Air Liquide versorge allein in Deutschland über 200.000 Patienten in der häuslichen Pflege mit Sauerstoff. Jedes zweite deutsche Krankenhaus erhalte medizinischen Sauerstoff von Air Liquide. Auch in der Luftfahrt-, Getränke- und Energiebranche gebe es Kunden. 2022 lag der Umsatz des Gesamtkonzerns nach eigenen Angaben bei mehr als 29,9 Milliarden Euro.

In Schwarzheide hat der Betrieb nun Baufeld F 500 genutzt, um zu wachsen. 24 Monate dauerte der die Errichtung des neuen „Blocks“, wie das Ganze genannt wird. 320.000 Arbeitsstunden seien geleistet worden, in Spitzenzeiten von bis zu 300 Bauleuten und anderen Kräften. Vor Ort werde nun Umgebungsluft angesaugt, gereinigt, verdichtet und gekühlt. Im Herzstück der Zerlegungsanlage, der Coldbox, werde die Luft bei minus 180 bis minus 190 Grad verflüssigt. In Schwarzheide wird sie über Rohrleitungen zu BASF transportiert. Ansonsten kommen Tankfahrzeuge zum Einsatz.

Rund 100 Luftzerlegungsanlagen gebe es in Deutschland, so Jureczek. Die in Schwarzheide – errichtet ohne Fördermittel – gehöre zu den großen 20. Air Liquide selbst betreibt nach eigenen Angaben bundesweit 22 solcher Einrichtungen an 15 Standorten. Der Geschäftsführer bestätigt, der Komplex sei „ausgelegt für zukünftige Schritte. Eine Erweiterung der Produktion ist möglich.“ Die wünscht sich Brandenburgs Wirtschaftsminister Steinbach nachdrücklich, auch mit Blick auf das Unternehmen BASF. Dessen Schwarzheider Chef Jürgen Fuchs blieb in seiner Antwort zurückhaltend und sagte, darüber könne man später reden. Schwarzheides Bürgermeister Christoph Schmidt bestätigt aber, dass der BASF-Industriepark wachsen könne. Außerdem entwickelt die Stadt mit der Gemeinde Schipkau ein weiteres Gewerbegebiet auf 120 Hektar Land. Das Interesse potenzieller Ansiedler reiche, um eine doppelt so große Fläche zu füllen.

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