Neugersdorf. Das Schmiedefeuer lodert. Paul Kiesbye hat es an diesem Tag – es soll der heißeste im Jahr werden – nur für das Foto entfacht. Heute widmet er sich angesichts der hohen Temperaturen anderen Aufgaben. In seiner Werkstatt auf dem Gelände von Lina Koch, einer ehemaligen Fabrik an der Breitscheidstraße in Neugersdorf, arbeitet der 25-Jährige seit Jahresbeginn als selbstständiger Kunsthandwerker.
Die Werkstatt hat er dort in einem ehemaligen Waschhaus eingerichtet. Werkzeuge hängen der Größe und dem Gebrauchszweck nach geordnet an der Wand. In einer Ecke steht eine Drechselbank, die sich Paul Kiesbye selbst gebaut hat. Sie wird mit Muskelkraft angetrieben. Er braucht diese Maschine, um zum Beispiel Holzgriffe für Werkzeuge herzustellen. Ein Hammer liegt auf dem Amboss. Das ist der Mittelpunkt der Werkstatt. Das Schmieden gehört zu den Beschäftigungen, die der Kunsthandwerker am häufigsten und am liebsten ausführt. Gelernt hat er den Beruf des Schmiedes nicht wirklich. Nach der Schulzeit in Hamburg hatte er eine Lehre als Metallbauer mit der Fachrichtung Metallgestaltung angefangen. „Das ging noch am ehesten in die Richtung Kunstschmied“, sagt er. Allerdings hat er dort nicht das gelernt, was er eigentlich wollte. Kiesbye absolvierte dann ein Freiwilliges Ökologisches Jahr im Naturpark Sächsische Schweiz, ging im Anschluss nach Dresden und studierte Geschichte und Kunstwissenschaft. Vor allem Wissen über Gestaltungsmöglichkeiten wollte er sich aneignen. Einen Studienabschluss hat er bislang nicht. „Theorie und wissenschaftliches Arbeiten sind nicht mein Ding“, bekennt er und weiß noch nicht, ob er das derzeit ruhende Studium zu Ende führt.
Das Werkeln in der Werkstatt hat für ihn viel größere Bedeutung. Es gibt ihm die Freiräume, die der Hamburger sich immer gewünscht hat. Er kann seine Ideen umsetzen und mit der Kraft seiner Hände und guten Ideen etwas Bleibendes schaffen. „Das vor allem mit alten Techniken“, betont er. Die hat er sich bei verschiedenen Praktika angeeignet. Unter anderem bei einem Praktikum in einem Freilichtmuseum bei Kiel. Dort lernte der Hamburger spezielle Schmiedetechniken kennen, konnte dort viel üben und seine Fertigkeiten verbessern. Heute weiß er, dass so kaum noch geschmiedet wird.
Vor einiger Zeit erhielt er aus Hamburg einen Auftrag, Kalfateisen herzustellen. „Das sind spezielle Werkzeuge, die Schiffsbauer benötigen“, erklärt Paul Kiesbye. Kalfatern ist eine Tätigkeit beim Schiffbau. Dabei werden die Nähte zwischen den hölzernen Schiffsplanken mit Werg oder Baumwolle und Holzteer, Pech oder Gummi abgedichtet. Die Dichtstoffe werden mit dem Kalfateisen in die Nähte gedrückt. Danach werden sie mit Pech oder mit einer Gummimasse verschlossen, damit kein Wasser eindringen kann. „So etwas wird heute nicht mehr oft gemacht, weil nicht mehr so viele hölzerne Schiffe gebaut werden“, erläutert der Kunsthandwerker. Kalfateisen in kleinen Mengen herzustellen, ist für einen Industriebetrieb nicht rentabel. „Bis vor einiger Zeit hat das ein Schmied aus Dänemark gemacht, aber der konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr am Schmiedefeuer stehen“, erklärt Kiesbye. Also ging er bei dem Mann „in die Lehre“ und schaute sich genau ab, wie die Kalfateisen hergestellt werden. Der letzte Auftrag sah 250 Stück verschiedener Größe vor, die von Neugersdorf aus nach Hamburg auf die Reise gingen.
Darüber hinaus fertigt Paul Kiesbye Auftragswerke von Kunden an. Sein Anspruch dabei ist, mit traditionellen Techniken eine moderne Formensprache zu erzielen – ganz gleich, ob er für einen Kunden ein spezielles Gitter oder auch mal einen Kerzenleuchter fertigt. Leben allein von der Schmiedekunst kann Paul Kiesbye nicht. Deshalb hat er noch einen Job, indem er Seminare im Bereich der Umweltbildung leitet. Seine geschmiedete Handwerkskunst will er in diesem Jahr unter anderem auf verschiedenen Weihnachtsmärkten zum Verkauf anbieten.
von Gabriela Lachnit
Bildquelle: Bernd Gärtner