Nora Miethke
Teilzeitarbeit ist in Sachsen ein beliebtes Modell, um Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. Die große Mehrheit der Beschäftigten entscheidet sich bewusst für weniger Stunden, etwa um mehr Zeit für die Familie oder persönliche Interessen zu haben. Jede fünfte Teilzeitkraft würde die Arbeitszeit aber gern erhöhen, stößt jedoch auf Hindernisse.
So die Ergebnisse einer neuen Studie der Prognos AG im Auftrag des sächsischen Ministeriums für Justiz, Demokratie, Europa und Gleichstellung. Der Titel lautet „Teilzeit (falle)?! Echte Wahlfreiheit für Lebens- und Arbeitszeitmodelle“ am Mittwoch in Dresden vor. Sachsen sei das erste Bundesland, dass die Teilzeit-Situation explizit in einer eigenen Studie untersuchen ließ, betonte Ministerin Katja Meier (Grüne) am Mittwoch bei der Vorstellung in Dresden. Am gleichen Tag veröffentlichte die Landesarbeitsagentur in Chemnitz aktuelle Zahlen, nach denen die Teilzeit einen Rekordwert erreicht und Vollzeit verdrängt. Demnach waren im März 2024 in Sachsen 1,08 Millionen Menschen in Vollzeit und 557.300 in Teilzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Teilzeitanteil liegt in Sachsen aktuell bei 34 Prozent, vor zehn Jahren betrug er 25,8 Prozent. Damit belegt der Freistaat im bundesweiten Ranking den zweiten Platz nach Berlin.
Warum Teilzeitarbeit?
Die Beweggründe sind vielfältig. Für viele Frauen stehen familiäre Verpflichtungen wie Kinderbetreuung oder Pflege im Vordergrund. Männer hingegen entscheiden sich häufiger für Teilzeit, um sich weiterzubilden oder aus gesundheitlichen Gründen. So individuell die Gründe auch sein mögen, die Konsequenzen sind ähnlich: geringere Einkommen, eingeschränkte Karrieremöglichkeiten und eine niedrigere Rente. Diese Nachteile betreffen vor allem Frauen, die deutlich häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Laut der Untersuchung der Arbeitsagentur haben die Corona-Krisenjahre 2020 und 2021 zu mehr Teilzeitjobs geführt. Bei den Frauen wurden in den vergangenen zehn Jahren 44.000 Vollzeitjobs abgebaut, gleichzeitig kamen 103.000 Teilzeitjobs hinzu.
Die Studie basiert auf den Zahlen von 2022. Da lag der Anteil der Frauen in Teilzeit bei 40 Prozent, während es bei Männern nur 10 Prozent waren. Aktuell arbeitet mehr als jede zweite Frau (53,2 Prozent) in Teilzeit. Auffällig ist, dass Mütter mit kleinen Kindern seltener in Teilzeit arbeiten (48 Prozent) als im bundesweiten Durchschnitt (65 Prozent). Das zeigt, dass die Entscheidung für Teilzeit oft auch von regionalen Rahmenbedingungen abhängt wie zum Beispiel der Verfügbarkeit von Kita-Plätzen. Den höchsten Teilzeitanteil der Männer hat die Stadt Leipzig, dort arbeitet jeder fünfte Mann verkürzt – das ist im Vergleich aller Städte und Landkreise der höchste Anteil in Mitteldeutschland.
Die Teilzeitfalle
Ein zentrales Problem ist, dass nicht alle Teilzeitbeschäftigten freiwillig weniger arbeiten. 14 Prozent der Befragten geben an, dass sie dies tun, weil sie keine Vollzeitstelle finden. Ein Drittel der Mütter berichtet, dass ihr Arbeitgeber ihnen eine Erhöhung der Stunden verweigert. Das wird in der Studie als „Teilzeitfalle“ beschrieben. Laut der Studie wünschen sich mehr als 20 Prozent der Befragten eine Erhöhung ihrer Arbeitszeit – im Durchschnitt um sieben Stunden pro Woche.
Hinzu kommen finanzielle Zwänge, die die Entscheidung für Teilzeit beeinflussen. Viele Beschäftigte würden ihre Stunden ausweiten, wenn sie dadurch ein höheres Einkommen erzielen oder ihre Rente sichern könnten. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass flexiblere Arbeitsmodelle wie Homeoffice oder ergebnisorientiertes Arbeiten die Bereitschaft zur Stundenerhöhung fördern könnten.
Großes Arbeitskräftepotenzial
Teilzeitarbeit wird oft als Unterbeschäftigung wahrgenommen. Die Studie hebt das enorme Potenzial hervor. Allein in Sachsen könnten bei besseren Rahmenbedingungen zwischen 67.000 und 73.000 zusätzliche Vollzeitäquivalente realisiert werden. Das wäre ein wichtiger Schritt, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und gleichzeitig die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen zu stärken.
Was muss sich ändern?
„Ich will Teilzeitarbeit nicht schlecht reden, aber sie sollte keine Sackgasse werden“, so Meier. Deshalb müsste das Arbeitsumfeld sich ändern, damit die Menschen mehr arbeiten können. Die Studie gibt da klare Handlungsempfehlungen wie flexible Arbeitszeiten, verbesserte Kinderbetreuung, mehr Aufklärung über die langfristigen finanziellen Auswirkungen von Teilzeit auf die Altersvorsorge, Gleichberechtigung fördern und steuerliche Anreize schaffen wie die Abschaffung der Steuerfreiheit von Minijobs. Damit ältere Beschäftigte weniger in Teilzeit gedrängt werden, sieht die Ministerin die Tarifpartner in der Pflicht und fordert eine bessere Gesundheitsprävention in den Unternehmen. Und für die künftige Landesregierung gelte nun „der Arbeitsauftrag, diese Handlungsempfehlungen umzusetzen“.