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Architektur auf Kleidern

Designerin Anne Schulze gründete das Modelabel „Toni Eden“, um Frauen und Männer zu kleiden.

Lesedauer: 3 Minuten

Designerin Anne Schulze gründete das Modelabel „Toni Eden“, um Frauen und Männer zu kleiden.

Von Nora Miethke

Der Winter wird leuchtend und farblich kraftvoll. Im Atelier von Anne Schulze in Dresden hängen blau-violette Samtkleider mit floralen Ornamenten, Jerseykleider mit grünem oder gelbem Goldregendesign, weich fallende T-Shirts in Grün und Orange, gut passend zu den Jerseyhosen mit Fischgrätmuster in Grau oder Braun.
„Es sind kräftige Farben, die man in der Natur findet und die die Verbundenheit zu Heimat und Erde zeigen“, sagt Anne Schulze. Sie sollen aber auch Freude bereiten in schwierigen Zeiten. „In Zeiten politisch großer Umbrüche und Krisen passen sich die Farben kurzfristig an“, erklärt die Designerin, die sich an den Farbempfehlungen der Trendstudios orientiert.
Seit zwei Jahren verkauft die 49-Jährige ihre Kollektionen unter dem Modelabel „Toni Eden“. Toni kann für Frauen wie für Männer stehen. Sie hat bewusst den geschlechtsneutralen Vornamen gewählt, denn ein langgehegter Traum ist es, auch Mode für Männer zu machen. Kommendes Jahr will Anne Schulze mit einer kleinen Reihe von Sweatern und Pullovern für Männer starten. Die ersten Entwürfe sind schon im Test. Als Mutter von drei erwachsenen Söhnen und einer Tochter weiß sie, was jungen Menschen gefällt. „Durch meine Kinder kann ich die Antennen ausfahren in die jüngere Generation“, sagt Schulze und lacht.

Mütter berühmter Söhne
Aber im Mittelpunkt ihrer Kollektion steht die Frau ab 35 Jahren. Die Dresdnerin will selbstbestimmte Frauen anziehen, die ihre eigenes Geld verdienen und aus beruflichen Gründen auf gute Kleidung achten müssen, weil sie auf Kongressen auftreten, Vorträge halten oder auch einfach nur Freude an Farbe und außergewöhnlichen Mustern haben. „Ich kann auch Frauen, die bevorzugt Schwarz-Weiß tragen, bedienen“, versichert Anne Schulze. Zu ihren Kundinnen gehören Politikerinnen, Ärztinnen und Apothekerinnen, Unternehmerinnen und Mütter berühmter Söhne. Welche das sind, verrät sie nicht. Sie habe eine große Fangemeinde in Dresden und Sachsen, die sie bis vor zwei Jahren allerdings gar nicht persönlich kannte.
Denn in ihrem ersten modischen Berufsleben verkaufte Anne Schulze – die 2007 unter ihrem Namen ein Atelier und Modelabel gründete – erfolgreich ihre Kollektionen auf Fachmessen in Berlin, München, Düsseldorf, an Boutiquen und kleine Luxuskaufhäuser wie Mäntelhaus Kaiser in Hannover oder Modehaus Schnitzler in Münster und natürlich an mehrere Fachgeschäfte in Dresden. Doch 2017 kam unfreiwillig der Bruch durch eine schwere Erkrankung. Längere Zeit konnte sie keine eigene Kollektion mehr entwerfen und musste ihr Berufsleben umkrempeln. „Ich musste lernen, anders mit meinen Kräften zu haushalten, nicht mehr so viel auf Reisen zu gehen“, erzählt sie. Deshalb gründete sie 2020 das Modelabel Toni Eden, auch um hinter dem Namen als Designerin etwas zurückzutreten, nicht mehr gleich als Person so im Fokus zu stehen. Seit zwei Jahren kommen ihre Kundinnen nun zu ihr ins Atelier. Die Beratung mache ihr großen Spaß, sei aber auch ein enormer Erfahrungsgewinn. Durch den unmittelbaren Kontakt sehe sie, was schnitttechnisch gebraucht wird und wie sich mit zunehmendem Alter auch die Bedürfnisse ändern. Sie kann ihre Kollektionen besser an die Wünsche anpassen.

Designatelier gegründet
Anne Schulze kam über ihre Großmutter zur Mode, die als Damenmaßschneiderin einen guten Ruf genoss. Zu Hause in Dresden-Plauen wurde am großen Wohnzimmertisch genäht. Doch nach der Schule lernte sie Krankenschwester, denn laut ihrer Großmutter fehlte ihr die Geduld zum Schneiderinnenberuf. Nach einem Textildesignstudium in Schneeberg in den 1990er-Jahren gründete sie jedoch erst einmal mit ihrem Mann Andreas Schildhauer das Designatelier „Atelier 44“ für Flächendesign und Kunst im öffentlichen Raum. Das Paar gewann bundesweit Preise und hatte diverse Ausstellungen. „Doch die enge berufliche Zusammenarbeit tat uns nicht gut“, so Anne Schulze. Sie erinnerte sich ihrer Idee eines eigenen Modelabels und noch einer anderen Liebe, der zur Architektur. „Ich wollte Architektur auf Kleider bringen“, sagt die Designerin, die ihre Stoffmuster selbst entwickelt und zwei Mal im Jahr in Bayern drucken lässt. Als junge Frau lernte sie als Assistentin des Dresdner Architekturfotografen Jörg Schöner den Blick dafür, wie sich Architektur und Textilien verbinden lassen. Und so entwarf Anne Schulze „Segelbootkleider“ mit dem Mast der Gorchfock, ließ die Dresdner Eisenbahn (fotografiert von der Nossener Brücke aus) über die Taille fahren oder setzte auf einem Seidenkleid den Parkeingang zum Schloss Sanssouci gekonnt als Blickfang in Szene. Mit ihren Architekturkleidern gewann sie 2009 den International Designer Award in der Kategorie „Most Commercial Design“ des internationalen Verbandes der Textilhersteller (IAF). Die Fachwelt war begeistert. Immer wieder hörte sie den Satz: „Sie müssen nach Paris gehen.“ Doch wie konnte sie das mit vier Kindern. Anne Schulze wollte es in Deutschland schaffen und musste ihre Kleider mit Stahlträgermotiven vorerst nach hinten hängen auf der Kleiderstange. Denn die Aufmerksamkeit war zwar groß, doch die Geschäfte orderten nicht und die Kundinnen reagierten zögerlich. Auch das hat sich geändert. Was vor zehn Jahren niemand kaufen wollte, seien jetzt die Zugpferde ihrer Kollektionen, freut sich die Designerin.

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