SAP eröffnet im Herzen von Dresden einen Campus. Warum, erklärt Vorstandsmitglied Jürgen Müller im Interview.
Herr Müller, ist der neue SAP- Campus in Dresden mehr als die Zusammenführung aller Mitarbeiter an einem Ort, was bestimmt den Campuscharakter?
Zum einen natürlich die modernsten Gebäude, die wir unseren 1.000 Mitarbeitern in Dresden zur Verfügung stellen und die voll auf das mobile Arbeiten ausgerichtet sind. Aber der SAP Campus bedeutet auch eine Verknüpfung mit unseren anderen deutschen Spitzenforschungsstandorten, dem sogenannten SAP Labs Network in Walldorf, München und Berlin sowie eine internationale Verknüpfung mit unseren Entwicklungsstandorten im Silicon Valley, in Indien oder Shanghai. In dieses Powerhouse wird Dresden aufgenommen. Für uns ist es wirklich mehr als nur die Zusammenführung von Mitarbeitenden in diesem Standort. Die Strahlkraft geht deutlich darüber hinaus. Wir suchen die Vernetzung mit dem Ökosystem, mit den universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und anderen Partnern, um den Standort in Sachsen weiter zu festigen.
Will SAP näher an den Entwicklernachwuchs herankommen?
Auf jeden Fall. Auch deshalb haben wir uns entschieden, das SAP Labs Dresden im Herzen der Stadt zu eröffnen. Die Zusammenarbeit mit der TU Dresden, mit der HTW und anderen Bildungseinrichtungen hat eine lange Tradition. Wir wollen die Möglichkeiten dualer Studiengänge ausbauen und das Engagement in den Schulen verstärken, um mit den Top-Talenten, von denen es sehr viele in der Region gibt, früh in Kontakt zu kommen.
SAP deckt ein sehr breites Spektrum ab. Welche Technologien und Produkte sollen zukünftig in der Region entwickelt werden?
Das ist wirklich ein sehr breites Spektrum. Teile der Business Technology Plattform werden hier entwickelt, das ist unsere technologiespezifische Plattform. Es geht um Sicherheit in der Cloud und den zuverlässigen Betrieb unserer Softwarelösungen. Kolleginnen und Kollegen in Dresden werden aber auch mit der Beratung, Planung und Visualisierung von Geschäftsprozessen betraut sein, die global implementiert werden. Hier kommen die verschiedensten Funktionen zusammen. Das macht den Standort so attraktiv.
Sachsen hat sich zu einem Hotspot für Robotik entwickelt. Inwieweit ist das für SAP relevant? Streben Sie Kooperationen an?
Für SAP ist alles relevant, was für unsere Kunden relevant ist. Wir helfen beim effizienten Steuern von Unternehmen und Geschäftsprozessen. Da gehören auch Lagerhäuser dazu, in denen Robotik relevant wird. Wir sind stark im Smart Systems Hub engagiert. Ein aktuelles Projekt ist bereits CatenaX und zukünftig auch Factory-X, wo wir heute schon im engen Austausch sind, zum Beispiel mit dem Robotik-Start-up Wandelbots und der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen. Da nutzen wir schon stark die lokalen Partner. So ein Ökosystem ist immer gut für uns. Wenn wir die Innovationen in der Gläsernen Manufaktur pilotieren und live „anfassbar und erlebbar“ machen, bin ich umso begeisterter, wie diese neuen Technologien schnell praktische Relevanz bekommen.
In Sachsen prägen kleinere Unternehmen die Wirtschaft. Wie soll für sie der Zugang zu SAP Software einfacher werden?
Da müssen Sie mir verzeihen, wenn ich jetzt Werbung mache. Wir setzen gerade für den Mittelstand ein neues Programm auf. Es handelt sich um ein neues Komplettangebot, das auf mittelständische Kunden zugeschnitten ist, die Cloud ERP bisher nicht in Betracht gezogen haben. In diesem Paket bündeln wir mehrere Lösungen, flexible Lernressourcen, Methodik, ein zuverlässiges Partner-Ökosystem und Best Practices der Branche.
Welchen Beitrag kann SAP Software im Bereich Nachhaltigkeit leisten?
Nachhaltigkeit ist für alle Unternehmen ein sehr großes Thema und die SAP kann dabei sehr gut helfen. Unternehmen nutzen unsere Software, um Waren- und Finanzbewegungen festzuhalten. In diesem System sind alle Details enthalten, wenn Sie etwas kaufen, verkaufen, transportieren oder Personen einstellen. Wenn nun etwa noch die Dimension CO2 hinzugefügt wird, ist ein großer Schritt zur Buchführung für Nachhaltigkeitsaspekte oder die Einhaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes schon erreicht. Wir haben aber auch selbst sehr gute Startvoraussetzungen. Die Zahl der Endnutzer, die SAP in der Cloud nutzen, liegt bei 270 Millionen weltweit. Das entspricht dem sechstgrößten Land der Erde – wenn alle SAP-Endnutzer und -Nutzerinnen ein Land wären. 87 Prozent des Handelsvolumens der Welt berühren irgendwo ein SAP-System. Wenn ich dort ein Nachhaltigkeitskriterium hineinbringe, was wir tun, dann ist es ein guter Startpunkt. Wir machen das offen, damit unsere Partner ihre Nachhaltigkeitslösung aufsetzen können.
SAP verfolgt den Ansatz einer KI-Fabrik, um ethische Bedenken beim Einsatz von KI auszuräumen? Wie weit sind Sie?
Wir haben 2015 damit begonnen, Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in unseren Geschäftsprozessen einzusetzen und sind jetzt bei rund 130 KI-Anwendungsfällen in unserer Software. Das Thema hat riesiges Potenzial. Aber die Daten müssen vorbereitet sein, die KI-Modelle trainiert, in die Prozesse eingebracht und monitort werden, wenn sich Daten ändern. Ein vor der Corona-Pandemie trainiertes Modell des maschinellen Lernens zum Kaufverhalten nützt heute nicht mehr viel. Und dann gibt es die ethischen Gesichtspunkte. Was möchte man mit KI machen und was nicht. Wir haben uns entschieden, dass wir niemals Empfehlungen geben möchten zum automatisierten Einstellen oder Feuern von Mitarbeitenden. Das sind Erlebnisse und Ereignisse, die das private Leben von Menschen extrem verändern. So etwas wird SAP nicht anwenden und nicht in unsere Software einbauen. Firmen können sich selbst entscheiden, das zu tun. Aber das werden wir nicht standardmäßig ausliefern.
Das Gespräch führte Nora Miethke