Von Nora Miethke
Dresden. Trotz Krieg, Krisen und Nachwirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt werden nach wie vor IT-Fachkräfte in Sachsen gesucht. Künftig vermutlich noch viel mehr, um nun endlich mithilfe des Sondervermögens für Infrastruktur die digitale Transformation umzusetzen. Nur mit deutschen Fachkräften wird das kaum zu bewerkstelligen sein, Deutschland und Sachsen sind auf ausländische Informatiker angewiesen.
Doch die Bilanz des Fachkräftesicherungsprojekts #Hallo India, das Ende März auslief, zeigt, wie schwierig das ist. Voller Schwung startete Intap-Network im Oktober 2022 die Kampagne „#Hallo India – Grab your Germany Job“, um Dresdner Unternehmen qualifizierte IT-Fachkräfte zu vermitteln, gefördert durch die sächsische Fachkräfteallianz. Der Bedarf in den Unternehmen war groß, die Erwartung bei Intap hoch, sollte das Projekt auch beim Einstieg in das Rekrutierungsgeschäft helfen. Zweieinhalb Jahre später fällt die Bilanz etwas ernüchternd aus.
Unsicherheit durch die Wirtschaftskrise
Intap hat 1.500 Bewerbungsprofile sorgfältig geprüft. Davon wurde mit 400 Bewerbern und Bewerberinnen gesprochen, rund 100 Bewerbungen wurden weitergeleitet. Acht Fachkräfte wurden eingestellt. Wenn alle Bewerbungen, die noch in der Pipeline sind, erfolgreich sind, würde die Vermittlungsanzahl auf 12 steigen. 18 Unternehmen haben sich an dem Projekt beteiligt.
„Wir hatten uns zwar viel mehr erhofft, sind jetzt aber in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Umstände ganz zufrieden“, sagt Projektleiterin Julia van Wickeren. Die zunehmende Unsicherheit durch die Wirtschaftskrise, aber auch nicht vorhersehbare Hürden in den Unternehmen selbst hätten die Anwerbung erschwert. Die zentrale Lektion für die weitere Fachkräftegewinnung im Ausland ist: Kleinere Unternehmen haben starke Vorbehalte gegenüber dem administrativen Prozess. „Wir konnten den Firmen nicht genau sagen, wann der Bewerber in Dresden anfangen könnte, denn die Behördenentscheidungen im Visa- und beschleunigten Fachkräfte-Verfahren liegen nicht in unserer Hand“, sagt Swati Pant, ebenfalls Projektleiterin von #Hallo India. Es sei schwer gewesen, die Firmen davon zu überzeugen, dass bei ihrer Zielgruppe alles glatt verlaufen würde.
Intap hatte sich auf Anwerbung von IT-Spezialisten und Ingenieuren aus den indischen Tech-Regionen Bangalore, Chennai, Delhi und Punjab konzentriert. Die Entscheidungsprozesse in den Firmen dauerten zu lange. Ein Bewerber sei nach München gegangen, weil das Dresdner Unternehmen zu lange wartete, berichten van Wickeren und Pant.
Sie haben noch etwas anderes beobachtet, was die Einstellung erschwert: ein sehr hohes Verantwortungsgefühl gegenüber den Bewerbern und eine große Angst davor, dass es etwas schiefläuft. Was passiert, wenn der Mitarbeiter aus Indien sich nicht wohlfühlt in Dresden? Sich nach kurzer Zeit eine andere Stelle sucht oder in eine andere Stadt wechselt? Diese und andere Fragen bekamen van Wickeren und Pant immer wieder zu hören. Ihre Antwort war dann, dass die Sorgen berechtigt seien, aber auch für jeden deutschen Bewerber gelten würden. Und sie versuchten mit positiven Beispielen gegenzuhalten. „Letztendlich führte es jedoch bei vielen Firmen dazu , dass sie sich eher zurückhaltend zeigten“, so van Wickeren.
Beide Projektleiterinnen bedauern dies, denn für die Firmen wäre es eine preisgünstige Gelegenheit gewesen, ausländische Mitarbeiter anzuwerben. Die teilnehmenden Firmen konnten zwei offene Stellen ausschreiben. Bezahlt wurde erst bei Vertragsunterzeichnung. Für einen Berufseinsteiger mit zweijähriger Erfahrung betrug die Vermittlungsgebühr 2.500 Euro, für Fachkräfte mit mehr Berufsjahren 4.500 Euro. Dafür übernahm Intap fast alles, den Bewerbungsprozess, die Beratung von Arbeitgeber und Bewerbern bis hin zur Unterstützung beim Ankommen und der Integration in Dresden. „Das hätte man mal ausprobieren können“, heißt es bei Intap.
Schwierig für junge Unternehmen
Nach dem Ende des Programms will sich die Agentur mit neun Mitarbeitenden auf den Relocation-Service für ausländische Fachkräfte konzentrieren. Zum einen haben die Dresdner lernen müssen, dass das Rekrutierungsgeschäft ein heiß umkämpfter Markt ist, auf dem es schwierig sei für ein junges Unternehmen, sich zu etablieren. Zum anderen haben sie gesehen, dass viele Mittelständler in Sachsen vor allem auch Hilfe beim Aufbau interkultureller Kompetenz benötigen. „Das bieten wir Unternehmen mittlerweile verstärkt an und bleiben unserer Expertise damit treu“, sagt Swati Pant.