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Aus für Böhmisch Brauhaus in Großröhrsdorf besiegelt

Das Böhmisch-Brauhaus ist Geschichte. Am letzten Tag des Werksverkaufs deckte sich die Kundschaft der Brauerei nochmal ein. Wegen der Energiekrise ist Schluss mit einer über 100-jährigen Tradition.

Lesedauer: 4 Minuten

Ein Mitarbeiter des Brauhauses steht in einem Lagerraum, wo an einer Wand kästenweise Bier gelagert wird.
Zum letzten Mal öffnete Silvio Fressel dieser Tage den Werksverkauf bei Böhmisch Brauhaus in Großröhrsdorf. Die Brauerei schließt jetzt für immer. Damit geht eine über 130-jährige Tradition zu Ende.

Von Reiner Hanke.

GroßröhrsdorfDie letzte Charge Böhmisch-Brauhaus hat die kleine Mannschaft Anfang Februar in Großröhrsdorf abgefüllt. Insgesamt rund 2.000 Kästen mit Pils in den 0,33 Steinie-Flaschen. Am Donnerstagnachmittag öffnete der Werksverkauf zum letzten Mal. Im zurückliegenden September hatte Geschäftsführer Stefan Tentler die Schließung der Brauerei bereits angekündigt.

Brauereimitarbeiter Silvio Fressel hatte noch einmal alle Hände voll zu tun, um die Kästen mit der Sackkarre zu den Autos zu rollen. Die Schlange am kleinen Verkaufstresen wollte kaum abreißen. Nach anderthalb Stunden hatte der Mitarbeiter rund 200 Kästen verkauft.

Der Andrang sei in den letzten Wochen größer gewesen als gewöhnlich. Er hätte sich das schon in der Vergangenheit gewünscht, so Fressel. Die Stimmung der Kunden aus Großröhrsdorf und Umgebung ist aber gedrückt.

Produktionskosten sind explodiert

So mies wie das Wetter, sagt Jürgen Strehle: „Passend zum Brauerei-Aus.“ Es gehe eben nur noch um die großen Konzerne. Die kleinen individuellen Betriebe gingen kaputt. Natürlich müssten auch die Kunden mit ihrer Kaufentscheidung etwas tun: „Die Leute hätten es in der Hand.“

Explodiert sei der Verkauf auch nach der bitteren Entscheidung nicht, schätzt Stefan Tentler ein. Zu der hätten letztlich auch ganz andere Gründe geführt. Das seien die explodierenden Produktionskosten, die Preise für Strom, Gas und Rohstoffe.

Im Vorjahr noch günstige Verträge seien inzwischen ausgelaufen. Der Kasten Bier müsste 20 Euro Kosten, so Tentler bereits im Vorjahr, um rentabel zu bleiben. Solche Preise seien nicht zu erzielen. Zudem spiele die Lage auf dem Biermarkt eine Rolle. Der sei krank. Die Inflation liege bei acht Prozent, aber das Bier sei nahezu billiger als vor 30 Jahren, beklagt der Chef.

Das Brauereiareal soll nicht zu einer Industriebrache verfallen, verspricht der Eigentümer.

Noch aber sei die finanzielle Situation solide, die Notbremse rechtzeitig gezogen worden, so der Geschäftsführer. Das sei das Ziel einer durchgeplanten Betriebsschließung gewesen – eben gerade zu verhindern, „dass sich angesichts der bekannten Probleme eine finanzielle Schieflage ergibt“. Die wäre zu erwarten gewesen, „wenn wir weitergemacht hätten“.

Die Hoffnung auf einen weißen Ritter, einen Investor, der den Weiterbetrieb vielleicht ermöglicht hätte, habe sich in den vergangenen Monaten leider nicht erfüllt. Die staatliche Energiepreisbremse sei zu spät gekommen und und hätte wohl auch nichts mehr an der Entscheidung geändert.

Damit ist das Ende der über 130- jährigen Brautradition besiegelt. Es sei traurig für alle, die Vernunft habe es aber geboten, so Tentler. Damit sei das Unternehmen auch der Verantwortung gegenüber den damals noch acht Mitarbeitern gerecht geworden. Damit sei Zeit gewesen, sich mit der Lebensplanung auf die Situation einzustellen.

Abschiedsgrüße zur letzten Abfüllung

Die kleine Belegschaft sendete jetzt noch einmal „Abschiedsgrüße zur letzten Abfüllung“. Sie beendet damit „voller Trauer, aber auch mit Dankbarkeit die Brautradition“ und bedankte sich für die „große Anteilnahme wegen der Betriebsschließung“. Trotz zahlreicher Hilfsangebote, zum Beispiel von der Stadt, von Vereinen, von Geschäftspartnern, sei es nicht zu verhindern gewesen.

Und niemand wisse, wo die Reise mit dem Areal hingeht, sagt Kundin Mandy Rinke beim letzten Werksverkauf. „Das Bier wird uns fehlen.“ Gerade für die Brauereimitarbeiter tue ihr das alles sehr leid, die teilweise ihr Leben lang hier gearbeitet hätten. Sie könne verstehen, dass es ihnen sehr nahegeht. Für sie sei das Aus besonders schmerzhaft und schwer zu verkraften, weiß Mitarbeiter Silvio Fressel aus eigener Erfahrung.

Acht Jahre arbeite er jetzt in der Brauerei und könne selbst kaum begreifen, dass wirklich Schluss ist. Einen neuen Job habe er noch nicht, sei aber zuversichtlich.

Eine Tradition im Rödertal geht verloren

Die Politik in Berlin treibe solche kleinen Unternehmen in den Ruin, schimpft ein älterer Herr: „Was die DDR nicht geschafft hat, das schafft jetzt die Bundesrepublik.“ Er wisse gar nicht, was er nun trinken solle, vielleicht Radeberger, oder er höre ganz auf.

„Es ist traurig, dass es so weit kommen musste“, beklagt Herr Prescher und schwärmt vom guten Heimatbier. „Ein Stück Stadtgeschichte geht verloren“, sagt er und wuchtet den nächsten Kasten in den Kofferraum. Andere kommen sogar mit dem Anhänger zum letzten Werksverkauf, wie Thomas Hensel. Es tue richtig weh, dass über 130 Jahre Brautradition enden. Er habe immer gehofft, dass es doch noch weitergeht.

Auf der Kippe stand die Brauerei ja nicht das erste Mal. Zuletzt rettete Rechtsanwalt Stefan Tentler vor über zehn Jahren die kleine Privatbrauerei aus Turbulenzen. Nun sagt er: „Unsere noch verbliebenen Mitarbeiter beginnen jetzt mit der Abwicklung.“ Sie werden das Unternehmen in den kommenden Wochen nach und nach verlassen. Ein Hausmeister bleibe.

Über die Immobilie in Ruhe entscheiden

„Wir werden in aller Ruhe prüfen, wie es mit der Technik und dem Grundstück weitergeht“, sagt der Brauereichef. Es sollen keine Ruinen werden, sondern etwas Vernünftiges. So gebe es unterschiedliche Ideen und Anfragen von Interessen, „die was machen wollen“. Die auch Equipment nutzen könnten.

Der Eigentümer spricht von der Lebensmittelbranche. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde es aber keinen Nutzer geben, der „weitermacht, wo wir aufgehört haben. Er hätte ja die gleichen Probleme “.

Ein betreutes Wohnen für Senioren wäre denkbar. Selbst Bildungsprojekte wie eine Schule könne er sich vorstellen, so Tentler. Das Gute sei, die Firma habe rechtzeitig den Rückzug eingeleitet und bleibe deshalb Herr ihrer Geschicke. Die Mitarbeiter schrieben in ihren Abschiedsworten: „Wir würden uns freuen, wenn Sie unserem Bier bis zum Schluss treu bleiben.“ Beim letzten Werksverkauf haben es die Kunden nochmal bewiesen.

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