Suche
Suche

Bauer sucht Respekt: Wie Sachsens Bürokratie Tausende Landwirte in Not bringt

Tausenden Landwirten in Sachsen reißt die verspätete Auszahlung der EU-Fördergelder ein Loch in die Finanzplanung. Mike Krause ist wütend – und fordert Konsequenzen.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht Landwirt Mike Krause und seine Kühe
"Vertrauensverlust nicht wieder gutzumachen": Landwirt Mike Krause will die Fehlplanungen der sächsischen Verwaltung nicht einfach so hinnehmen. © SZ/Veit Hengst

Von Henry Berndt

Und noch eine Fuhre. Mike Krause rauscht mit seinem roten Hoflader heran. Interessiert beobachten Linda, Emmi und die anderen 60 Milchkühe, wie er die Futterreste im Stall in die Schaufel befördert, wieder einsteigt und davonrollt. So geht das jeden Tag. Wenn er Geld wie Heu hätte, dann könnte sich der 51-Jährige auf diese Arbeit konzentrieren, die ihn an sieben Tagen in der Woche weit über einen 40-Stunden-Job hinaus fordert.

Er könnte ein, zwei oder drei neue Maschinen kaufen und müsste dringend anstehende Investitionen in seinen Bauernhof nicht immer weiter aufschieben. Doch mit dem Geldverdienen in der Landwirtschaft ist das so eine Sache, erst recht, wenn man sich für die Haltung von Milchkühen entscheidet. „Als Bauer musst du heute Idealist sein“, sagt Mike Krause. „Wenn es nur um Profite ginge, dann würde sich das hier niemand mehr antun.“

Man sieht Mike Krause in seinem Kuhstall.
Ohne den Ärger über Sachsens Bürokratie könnte sich Krause auf seine Arbeit auf dem Hof konzentrieren.
© SZ/Veit Hengst

Aber das ist nun mal das, was er machen will. Tiere versorgen, Felder bestellen. Seit 1991 betreibt seine Familie wieder Landwirtschaft auf ihrem Dreiseithof am Rande von Bischofswerda. 2011 übernahm er den Betrieb. 220 Hektar Land bewirtschaftet Krause mit sieben Angestellten, zwei davon sind Lehrlinge. Seit Beginn des Ukraine-Krieges seien die Kosten für Futter und Technik im Schnitt um 30 Prozent gestiegen. Die Erlöse, gerade bei der Milch, seien nach einem Zwischenhoch jedoch längst wieder auf dem alten Niveau angekommen. Die Differenz schmerzt Krause und seine Kollegen sehr, und als sei das nicht schon schwer genug, mussten Sachsens Bauern vor einigen Wochen den nächsten Tiefschlag hinnehmen.

Ende Oktober hat Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) eingestanden, dass die Fördergelder aus dem sogenannten EU-Agrarausgleich für die sächsischen Landwirte in diesem Jahr nicht wie gewohnt im Dezember ausgezahlt werden könnten – so wie in den vergangenen 30 Jahren immer. Während in anderen Bundesländern die Mittel wie gewohnt fließen, verzögern in Sachsen technische Probleme mit der Software und der Mangel an IT-Fachkräften die Auszahlungen bis mindestens Ende Februar 2024.“Fördergelder“ und „Agrarausgleich“, das hört sich im ersten Moment nicht besonders dramatisch an. Für Sachsens Landwirte geht es aber um viel. Immerhin 241 Millionen Euro.

Man sieht die Auszubildende Ida Fasold steuert den Futtermischwagen über den Hof.
Die Auszubildende Ida Fasold steuert den Futtermischwagen über den Hof.
© SZ/Veit Hengst

Gern erläutert Mike Krause die Lage am eigenen Beispiel. Für seine 220-Hektar-Fläche stehen ihm in diesem Jahr 38.297 Euro aus dem EU-Topf zu. „Das entspricht in etwa meinem gesamten Jahresgewinn“, vergleicht Krause, wobei „Gewinn“ nichts ist, was bei ihm auf irgendeinem Konto liege. Das Kreislaufsystem aus Investitionen und Erträgen müsse ständig am Laufen gehalten werden, Löhne gezahlt, Kreditraten bedient. Eine fest für dieses Jahr eingeplante, aber dann verspätete Zahlung in fünfstelliger Höhe könne das System schnell ins Wanken bringen.

Krause selbst ist in der glücklichen Lage, die Finanzlücke unter anderem mithilfe eines zweiten wirtschaftlichen Standbeins zu schließen. Mit seinen für den eigenen Hof teilweise überdimensionierten Nutzmaschinen unterstützt er im Auftrag andere Bauern in der Region und kommt durch die Zusatzeinnahmen nun vergleichsweise glimpflich davon.

Demo vor dem Landtag

„Ich weiß allerdings, dass sehr viele Landwirte in Sachsen durch die verspätete Auszahlung gerade in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten sind“, sagt Krause. Er schätzt, dass bis zu ein Drittel der rund 7.000 Betriebe betroffen seien. Daran würde auch der angekündigte Nachteilsausgleich für die Bauern in Höhe von einem Prozent der Fördersumme nichts ändern. Offen würden diese Kollegen aber kaum über ihre Lage reden können, denn sonst drohten ihnen am Ende noch die Banken als Partner wegzubrechen.

Neben seiner Arbeit auf dem Hof engagiert sich Krause als Vorsitzender des 2019 gegründeten Verbandes „Land schafft Verbindung Sachsen“. Öffentliche Aufmerksamkeit erregt dieser vor allem durch Demos, so wie zuletzt am 1. November vor dem Landtag in Dresden. Rund 300 Traktoren rollten an und die Landwirte machten ihrem Ärger Luft.

Krause und sein Verband fordern inzwischen nichts weniger als den Rücktritt von Minister Günther. „Das Geld ist das eine, für mich ist das aber auch eine Frage des Respekts“, sagt Krause. Die Nichtzahlung sei ein Tiefpunkt der sächsischen Verwaltung, der Vertrauensverlust nicht wieder gutzumachen.

Man sieht die 14-jährige Johanna Fasold, die gerade eine Kuh füttert.
Die 14-jährige Johanna Fasold hilft nach der Schule mit auf Kruses Hof. Auch sie will mal Landwirtin werden.
© SZ/Veit Hengst

„Wir haben unseren Teil erledigt, halten uns an alle Vorgaben.“ Zum Beweis zeigt er eine 100-seitige Broschüre aus dem Landwirtschaftsministerium. „Wenn ich meinen Dünger einen Tag zu spät aufs Feld bringe oder eine Kuh ihre Ohrmarke verliert, dann wird mein Teil vom Agrarausgleich gekürzt. Und für das Ministerium soll es jetzt keinerlei Konsequenzen geben?“

Zuletzt hatte auch Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk den Landwirtschaftsminister heftig kritisiert. Dieser nehme eine Opferrolle ein und lasse es an Demut fehlen. Den Rücktrittsforderungen von Krauses Verband schloss sich Krawczyk allerdings nicht an und betonte, dass eine Personalrochade die Situation womöglich noch verschärfen könnte.

Das könnte Sie auch interessieren: