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Bauernproteste in Dresden: Probleme mit Prämien nur in Sachsen bekannt

Weil Sachsen die EU-Agrarförderung nicht wie gewohnt bis Jahresende auszahlen kann, sind die Landwirte sauer. Laut Bundesagrarministerium gebe es die Zahlungsprobleme der Gelder nur in Sachsen.

Lesedauer: 4 Minuten

Landwirte befestigen ein Portrait von Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) an einer Strohfigur.
Landwirte befestigen ein Portrait von Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) an einer Strohfigur. Vor dem Landtag demonstrieren Bauern für eine Sicherstellung der Ausgleichszahlungen für erbrachte Umweltleistungen. © dpa/Sebastian Willnow

Von Anja Beutler & Luisa Zenker & Fionn Klose

Rollender Protest: Dutzende Bauern aus vielen Teilen Sachsens sind am Mittwoch mit ihren Traktoren nach Dresden gefahren, um vor dem Sächsischen Landtag zu protestieren. Zu der Aktion aufgerufen haben Verbände wie „Land schafft Verbindung“ (LSV) und der Bauernverband.

Durch die Traktoren kam es in Dresden zu massiven Verkehrsbehinderungen und Staus in der Innenstadt. Nach Angaben der Organisatoren waren 350 Traktoren in die Landeshauptstadt gerollt. Etwa 500 Landwirte hätten sich an dem Protest beteiligt, hieß es.

Hintergrund: Die sächsischen Bauern sehen dem Jahresende mit Grausen und Wut entgegen. Anders als in den vergangenen Jahrzehnten üblich werden wichtige Zahlungen von EU-Geldern diesmal nicht bis Ende Dezember überwiesen. Vielmehr soll das Geld – rund 241 Millionen Euro für etwa 7.000 Betriebe – spätestens Ende Februar fließen. Eine entsprechende Ankündigung hatte der Sächsische Landwirtschaftsminister am Freitag erstmals veröffentlicht.

Mit Traktoren und Protestschildern rollten Landwirte seit Mittwochmorgen zum Protest nach Dresden.© Steffen Unger

Unterstützung erhält die Aktion vom Bauernverband. „Die Verzögerung der Zahlung ist der Super-Gau für uns“, schildert Eric Krems, seit 2020 Geschäftsführer des Bauernverbandes Oberlausitz. Eine ganze Branche habe sich seit Jahrzehnten auf die im Dezember fälligen Zahlungen eingestellt: „Da werden Rechnungen gestellt, im Januar buchen Versicherungen ab, es werden Kredite bedient und Lieferanten oder Pachten bezahlt“, zählt er auf.

85 Prozent der Bauern in Sorge

Hagen Stark, Kemnitzer Landwirt, Tierarzt und stellvertretender LSV-Vorsitzender in Sachsen, schätzt, dass bis zu 85 Prozent der Bauern durch die Zahlungsverzögerung große Sorgen haben. 2023 war ohnehin eine Herausforderung: Teuer bei Einkaufspreisen, mit einer eher normalen Ernte und sinkenden Erlösen.

Stark und seine Kollegen werfen dem grünen Landwirtschaftsminister Wolfram Günther vor, das seit 2022 schwelende Problem mit der Förderung verschleppt und nicht angemessen reagiert zu haben. „Seit vergangenem November haben wird immer wieder darauf hingewiesen, sind aber ignoriert worden“, sagt Stark.

Ursachen für die Probleme sehen die Bauern in den komplizierten Wünschen und Anforderungen, die vor allem durch den Freistaat in die neuen Regelungen für die EU-Förderung hineingekommen seien. Zwar hat auch die EU selbst die Bedingungen bei der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ – kurz GAP – einiges verändert. Bund und Länder haben jedoch noch einen gewissen eigenen Spielraum.

Probleme soll es nur in Sachsen geben

Das Ministerium selbst sieht den Knackpunkt an anderer Stelle: Abgesehen von der enorm verspäteten Einigung erst auf EU- und dann auf Bund-Länder-Ebene habe die Komplexität der neuen Bestimmungen und technische Probleme durch „Fachkräftemangel im IT-Bereich“ zu den Verzögerungen geführt.

Die geänderte EU-Regelung stellt aber bisher nur Sachsen vor erhebliche Schwierigkeiten. Von anderen Bundesländern sei noch kein Signal gekommen, dass die Direktzahlungen an die Landwirte auf nächstes Jahr verschoben werden, heißt es von einem Sprecher des Bundesagrarministeriums gegenüber Sächsische.de.

Zwar kündigte Baden-Württemberg eine Verschiebung der Auszahlung an, kann die Gelder jedoch überwiegend vor dem Jahreswechsel ausgeben. In Schleswig-Holstein, Hessen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gilt die Einhaltung der üblichen Auszahlungstermine dennoch als unsicher, meldet die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland.

Dass bislang nur von Sachsen eine Verspätung der Zahlungen, die je nach Betriebsgröße schnell eine sechsstellige Summe erreichen können, bekannt ist, sehen die Landwirte als Zeichen für ein hausgemachtes sächsisches Problem an. „Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern wollen es trotz allem wie Bayern und Baden-Württemberg noch in diesem Jahr schaffen“, fasst Hagen Stark das Wissen aus der Vereinigung „Land schafft Verbindung“ zusammen.

Bei einer Sitzung des Agrarausschusses des Landtags wurden Forderungen nach einer raschen Zahlung von Hilfsgeldern laut.© dpa/Sebastian Willnow

Unterdessen verspricht der Freistaat, eine Übergangslösung für die Betriebe zu suchen. Wie die aussehen könnten, ist noch offen. Man bemühe sich aber, auch, wenn man selbst mit einer Auszahlung im Februar eigentlich im gesetzlich vorgegebenen Rahmen für die Überweisungen liege. Der gehe bis Juni, heißt es aus Dresden.
Forderung nach schneller Hilfe laut
Die diversen Bauernverbände Sachsens sind sich jedoch einig: Die Auszahlung muss wie in den vergangenen 30 Jahren noch in diesem Jahr kommen, sonst droht einigen Betrieben Zahlungsnot. Die verzögerten Direktzahlungen machen teilweise bis zur Hälfte der Einnahmen eines Landwirtschaftsbetriebes aus.
Gerade Biobetriebe seien betroffen, da sie durch die Umweltleistungen hohe Prämien erwarten, sagt Landwirt Christian Ahrens aus Großharthau, der teilweise biologisch wirtschaftet. 2023 sei ein teures Jahr gewesen, die Preise für Düngemittel und Pflanzenschutz haben sich ihm zufolge verdoppelt.
„Wir und unsere 400 Schafe sind auf das Geld angewiesen“, erläutert der Schäfer Marcel Buschmann aus Meißen, der noch nicht weiß, wie er seinen Pächtern und seiner Bank erklären soll, dass ihm rund 25.000 Euro vom Ministerium fehlen. Denn zum Jahreswechsel stehen bei den Landwirten erhebliche Ausgaben an, zum Beispiel für Pachten, Kredite, Saatgut oder Versicherungen.
Parallel zum Protest trat am Vormittag der Agrarausschuss des Landtages zu einer Sondersitzung zusammen. Im Anschluss wurde parteiübergreifend der Ruf nach einer raschen Hilfe für die Landwirte laut. Grünen-Politiker Volkmar Zschocke schlug vor, bis zu den regulären Zahlungen Liquiditätshilfen an die Betriebe auszureichen.

„Im Zweifelsfall muss die Sächsische Aufbaubank entweder direkt oder über die jeweilige Hausbank der Landwirte Geld zinslos zur Verfügung stellen. Unser Ziel ist, dass die Landwirte Weihnachten mindestens über 50 Prozent der zustehenden Mittel als Überbrückung verfügen können“, erklärte der CDU-Abgeordnete Andreas Heinz.

Die sächsischen Volksbanken und Raiffeisenbanken erklärten in einer gemeinsamen Pressemitteilung, dass sie an Lösungen mit den Landwirten arbeiten wollen. Minister Wolfram Günther (Grüne) steht nun unter Druck. Er machte bereits am Freitag bekannt, sich für Überbrückungshilfen bei den Banken stark zumachen.

„Der Staat ist in der Pflicht, sicherzustellen, dass die Auszahlungsverzögerung nicht zur Existenzfrage für die sächsische Landwirtschaft wird. Dafür braucht es unkomplizierte Lösungen wie Liquiditätshilfen, zinsfreie Überbrückungskredite oder Ähnliches“, betonte SPD-Politikerin Sabine Friedel. (mit dpa)

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