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Behämmert und Bekloppt

Wohnaccessoires aus Metall kommen aus einer Schmiede in Culten. Die Sachsen liefern nach ganz Europa. Doch es gibt ein Problem.

Lesedauer: 3 Minuten

Ein Mann und eine Frau schauen auf schmiedeiserne Arbeiten.
Seit 164o gehört das Schmiedehandwerk zur Familie Ludwig. Die ist für ihre Arbeiten längst über deutsche Grenzen hinaus bekannt. Foto: PR

Von Peter Ufer

Culten. Hier heißen Vorhangstangen Mabon, Odin, Nuada oder Freya. Jedes Stück trägt ein wenig Mythologie in sich. Es ist eine Anlehnung an die nordische Götterwelt. Denn schon immer verbinden sich Metalle mit einer sagenhaften Magie. So auch in dem Ort Culten, eine alte slawische Siedlung im oberen Pleißental zwischen den Städten Crimmitschau im Norden und Werdau im Süden gelegen, heute ein Ortsteil von Neukirchen.
Hier im letzten sächsischen Zipfel kurz vor Thüringen steht die Schmiede der Stangen. Auch Loki, der Gott des Feuers, war für die Menschen in der Vergangenheit unverzichtbar und gibt einer Stange mit Knoten an ihren Enden seinen Namen. Denn die göttliche Verbindung lebt bis heute in der Manufaktur fort. In der 12. Generation arbeitet Werner Ludwig als Schmied. „Wir sind schon immer behämmert und bekloppt“, sagt der Handwerker und lacht. Seit 1640 ist dieses Handwerk in seiner Familie nachweisbar. 1952 wurde er in eben diese Schmiedefamilie hineingeboren und war später glücklich, eine Frau kennenzulernen, die seine Leidenschaft teilt. Sie wohnte auf dem elterlichen Hof in eben jenem Culten, Hausnummer 32. Und genau dort, an diesem geschichtsträchtigen Ort, richteten sie sich gemeinsam ab 1980 ihre Werkstatt ein. Seitdem sind sie ein eingespieltes Ehepaar.

Handgefertigtes ist gefragt
Ihre zwei Kinder wuchsen zwischen Schmiedefeuer und Schweißnähten auf, schlugen sich mal die Finger blau oder verbrannten sie sich. Der Sohn studierte Stahlbau und gibt heute sein Wissen darüber als Professor an Studierende weiter. Tochter Kathrin ging nach Halle an die Burg Giebichenstein und lernte Innenarchitektin. Trotzdem blieb sie im doppelten Wortsinn bei der Stange. Mehr durch Zufall entdeckte sie bei der Kundschaft ein großes Bedürfnis nach handgefertigten Gegenständen für Wohnungen und baute darauf ihr Geschäft auf.
Kathrin Ludwig wohnt seit einigen Jahren in Leipzig. In ihrem Atelier entwirft sie Vorhangstangen. Viele verschiedene Modelle gibt es davon. „Schlichtes Design, klassisches Material, handwerkliches Können und Liebe zum Detail sind unsere Grundlage“, sagt die Designerin. Sie mag auch Materialkombinationen aus Metall und Holz, erweitert bedacht aber stetig ihr Sortiment. Sämtliche Details wie Längen und Formen bespricht sie mit der Kundschaft, entwirft und konstruiert Sonderlösungen, nimmt Bestellungen an und rechnet sie ab. Kathrin Ludwig sagt nicht ohne Stolz: „Mittlerweile erfreuen sich Käufer aus ganz Europa an den handwerklichen Arbeiten, wie liefern aus Sachsen nach Frankreich und Spanien, insbesondere Mallorca und haben viele treue Bestandskunden.“
Die Aufträge reicht sie an die Schmiede der Eltern in Culten weiter. Das Rohmaterial für die Stangen beziehen Ludwigs vom Stahlgroßhandel. Zuerst wird die walzblaue Schicht von dem Material entfernt. Im Schmiedefeuer erhalten die Stangen dann das gewünschte Design samt Kurven, Knoten oder Spitzen. Werner Ludwig ist dabei in seinem Element. Das fertige Werkstück wird blank gebürstet, brüniert und getrocknet. Mithilfe von feinem Sandpapier und Stahlwolle werden dann die Schmiedestrukturen hervorgehoben. Schließlich erfolgt eine Versiegelung mit Hartwachsöl. Das Eisen soll ein klassisches Schwarz bekommen, das seinen Ursprung erkennen lässt.

Über Deutschland hinaus bekannt
So entsteht auch sämtliches Zubehör, Schrauben, Ringe, Wandlager, Raffhalter oder Haken passen alle farbgetreu zusammen. Wer aus dem gleichen Material einen Handlauf, einen Tisch, einen Kleiderbügel, einen Schuhanzieher, einen Engel oder einen Kerzenleuchter besitzen möchte, bekommt ihn von der Cult.Schmiede. Hunderte Aufträge landen pro Jahr in der Manufaktur. Wobei ein Auftrag eine Stange, aber auch 30 Stück sein können, dem Kundenwunsch entsprechend. Und nichts verlässt die Werkstatt, was nicht exakt geprüft wurde. Jedes Einzelteil wird sorgfältig verpackt. Die aus Stahl gefertigten Produkte werden so für die Reise zum Kunden vorbereitet. Auch Hotels haben die Erzeugnisse aus der Cult.Schmiede geordert. Geschätzt werden die Stangen von Deutschen, aber ebenso von Schweizern, Österreichern, Holländern und Belgiern. Das cultige Metall besitzt offenbar eine große Anziehungskraft.
So könnte es weitergehen, doch der 72-jährige Vater ist zwar noch fit, sucht aber nach einem „cultigen“ Nachfolger. „Das ist leider nicht so einfach. Es geht uns wie so vielen, wir haben ein Personalproblem“, sagt Kathrin Ludwig. Es wäre bedauerlich, würde die Schmiede nicht in die Hand einer 13. Generation übergehen. Oder ist am Ende die 13 ein schlechtes Omen der nordischen Mythologie?

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