Schon die Flaschen sind ein Hingucker. Die eine blau und die andere weinrot. Der Inhalt ist zwar kein farbiges Zauberwasser. Doch wenn Karel Basta die Wirkung des Nasses beschreibt, klingt das doch ein wenig wie Zauberei: „In der roten Flasche ist Zajecicka horka, im Ausland besser bekannt als Saidschitzer Bitterwasser. Es wirkt reinigend im Verdauungstrakt. Davon reicht 0,1 Liter vor dem Schlafengehen, am Morgen gehen Sie aufs Klo und vorbei sind die Beschwerden“, verspricht der Marketing-Chef der Firma Bohemia Healing Marienbad Waters, kurz BHMW.
Der Firmenname irritiert, denn das Unternehmen befindet sich nicht in Marienbad (Marianske lazne), sondern in dem prächtigen Hauptgebäude des Biliner Sauerbrunnens in Bilina (Bilin), wo das gleichnamige Mineralwasser Bilinska kyselka (Biliner Sauerbrunnen) in blaue Flaschen abgefüllt wird. „Das ist alkalisches Wasser. Die Quelle befindet sich gleich hinter dem Haus und es ist gut für Gelenke, Atemwege, Verdauung und bei Sodbrennen“, nennt Basta nur einige wohltuende Wirkungen des Wunderwassers.
Dass ein Marketing-Chef seine Wässer preist, überrascht wenig. Doch mit der heilenden Wirkung muss es etwas auf sich haben, schaut man auf die von Goldmedaillen verzierten Etikette, welche die Wässer einst sammelten. Darunter übrigens auch je eine von der Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden. Die Heilquellen des Erzgebirgsvorlandes waren jahrhundertelang in ganz Europa bekannt. „Das Saidschitzer Bitterwasser wurde im 18. Jahrhundert entdeckt, nachdem ein Ersatz für das berühmte Bittersalzwasser aus dem englischen Epsom gesucht wurde, dessen Quelle zu versiegen drohte“, erzählt Basta. Entsprechend gehörte der englische Adel zu den wichtigsten Kunden. Die Abfüllung des Biliner Sauerbrunnens begann noch früher. Das Biliner Wasser wurde wiederum „deutsches Vichy-Wasser“ genannt. Ab 1664 kümmerten sich die Lobkowitzer um die Abfüllung, die später auch das Saidschitzer Bitterwasser übernahmen.
Von der Lausitz gerettet
Doch die meisten Goldmedaillen, die die Wässer ernteten, stammen aus der Zeit vor 100 Jahren. Zwischenzeitlich drohte ihr Niedergang. „In den 1950er-Jahren sollte das Dörfchen Zajecice (Saidschitz) südöstlich von Most (Brüx) der Braunkohle weichen“, erzählt Basta. Dass die einzigartigen Quellen damals gerettet wurden, war der Eröffnung neuer Tagebaue in der Lausitz zu verdanken. „Deshalb wurden die Lagerstätten bei Most verschont“, so Basta. Der einstige Weltruhm kümmerte die damaligen Machthaber wenig, im Gegenteil. Systematisch wurde das einstige Erbe zerstört. „Die Wässer wurden als Billigware im Inland verramscht“, sagt Basta. Noch vor zehn Jahren war das Mineralwasser aus Bilina ein leicht nach fauligem Ei schmeckendes Gesöff. Wer es jetzt kostet, trinkt ein wohlschmeckendes Wasser. „Unsere Vorgänger nahmen es leider mit der Sauberkeit nicht so genau. Dabei ist das das A und O“, erklärt Basta das Verschwinden des unschönen Beigeschmacks.
Um den schlechten Ruf zu beseitigen, wird eine regelmäßige Reinigung der Abfüllanlagen nicht reichen. Auch nicht die Sanierung der Quellen und der Gebäude, wie in den letzten Jahren geschehen. Sie sind immerhin ein Anfang. „Aber in Tschechien werden wir noch einige Zeit brauchen, um so wahrgenommen zu werden, wie es im Ausland bereits passiert“, sagt Basta. Am besten verkaufen sich die Wässer in Amerika, Russland und China. „In Asien zahlt man für den Liter Saidschitzer umgerechnet 20 Euro.“ In Tschechien werden die Wässer dagegen nicht als Heilwasser wahrgenommen. Dabei könnte es so einfach sein. „Alkalisches Wasser zu trinken ist der letzte Schrei und wird massenweise künstlich hergestellt. Wir haben das direkt aus der Natur“, so Basta. Doch es ändert sich. In die Sanatorien haben es die Wässer schon geschafft. „Dort wie auch in gehobenen Restaurants gibt es uns natürlich stilecht in Glasflaschen.“ Der Einstieg auf den deutschen Markt ist jedoch schwieriger. „In Deutschland bräuchten wir umfassende wissenschaftliche Analysen. Auch das Pfand ist für einen kleinen Abfüller wie uns ein Problem“, sagt Basta. Deutsche Interessenten verweist er auf die Kurorte, Apotheken oder Supermärkte in Tschechien. „Oder man kauft sie in unserem Info-Zentrum im Hauptgebäude“, sagt Basta.
Der Manager will den Weg zurück in die erste Liga der Heilwasser fortsetzen. Dazu gehört auch der Plan, eine Kosmetik-Marke zu kreieren. Die Kosmetik soll in den noch freien Räumen des Hauptgebäudes hergestellt werden. Die übrigen Räume wollen eine Gastroenterologische Klinik und eine Schönheitsklinik anmieten. „Nordböhmen ist zu Unrecht eine vergessene Region. Wir wollen unseren Teil beitragen, dass wieder bekannt wird, was es hier für Raritäten gibt“, wünscht sich Karel Basta.
Von Steffen Neumann
Foto: © Egbert Kamprath
Foto: