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Bringt das DZA eine Astro-Begeisterung in die Oberlausitz?

Die Erwartungen an die Ansiedlung des Großforschungszentrums in Görlitz sind hoch. Was von den Wirkungen bislang zu spüren ist.

Lesedauer: 4 Minuten

Anja Beutler

Görlitz/Bautzen. Gefühlt rollt Görlitz alle paar Wochen den roten Teppich für Astronomen und Astrophysiker aus aller Welt aus: Im Juni kamen dort rund 500 internationale Gäste zur großen Konferenz eines Wissenschaftskonsortiums an den Standort des Deutschen Zentrums für Astrophysik (DZA). Und jetzt sind etwa 200 Gäste zur Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft vor Ort. Der Deutschlandfunk nannte Görlitz in diesem Zusammenhang jüngst den „aufgehenden Stern auf der Forschungslandkarte“, weil dort das „nationale Großforschungszentrum zur Himmelsforschung“ entstehe.

Nach Superlativen und Erwartungen rund um die Wirkungen des DZA − natürlich nicht nur in Görlitz selbst, sondern in der gesamten Oberlausitz − muss man also nicht lange suchen. Aber wie sieht es abseits der Schlagzeilen aus? Lassen sich die Menschen in den Kreisen Görlitz und Bautzen von der intergalaktischen Begeisterung anstecken? Wie viel Sternenstaub fällt bislang auf Sternwarten oder auch Schulen durch die Ansiedlung?

Viele Kooperationsanfragen beim DZA

Astrophysiker Stefan Ohm, am DZA zuständig dafür, die Forschungswelt nach außen verständlich zu machen, Netzwerke zu ganz unterschiedlichen Partnern in der Region zu knüpfen und Bildungsangebote zu lancieren, sieht nach den ersten Monaten schon einige Silberstreifen am Horizont: „Wir müssen gar nicht so sehr aktiv Werbung machen“, sagt er.

Die Interessenten gäben sich beim DZA durchaus die Klinke in die Hand. Vor allem Schulen suchten Kooperationen und Partnerschaften. Genau das, also der Kontakt zu den Jugendlichen, ist dem DZA perspektivisch hochwillkommen, auch wenn das DZA keinen ausgefallenen Unterricht kompensieren könne.

Zu den Schulen, die mit dem DZA eine Kooperation anbandeln, zählt neben dem Gymnasium in Niesky, dem deutsch-sorbischen Schulkomplex Schleife oder der Grundschule Niedercunnersdorf unter anderem auch das Löbauer Geschwister-Scholl-Gymnasium.

Neben einer Astro-Kuppel auf dem Schulgebäude gibt es dort, wie an einigen wenigen Schulen in der Oberlausitz, die Möglichkeit, Astronomie in der Abiturstufe als Grundkurs zu belegen. Eine Seltenheit, seitdem Astronomie in Sachsen nicht mehr als extra Fach, sondern als Teilbereich der Physik unterrichtet wird.

Löbaus Gymnasium sendet Botschaften zum Mond

Michael Wagner, Fachleiter Naturwissenschaften am Löbauer Gymnasium, ist von der Offenheit und den Chancen durch das DZA begeistert. Im Zusammenhang mit der ersten großen Konferenz im Juni haben Löbauer Acht- und Neuntklässler gemeinsam mit Wissenschaftlern beim „Moon Bounce“ mitgemacht.

„Dabei werden Radiowellen mit Botschaften zur Mondoberfläche gesendet, dort reflektiert und wieder empfangen“, schildert Wagner. Rund 45 Minuten sind die Wellen im Weltall unterwegs und ermöglichen es am Ende, Entfernungen zu messen.

Solche ganz praktischen Projekte sind oberlausitzweit ebenso begehrt wie Vorträge, die im Zusammenhang mit dem DZA stehen. Aber es geht dabei nicht nur im Sonne, Mond und Sterne: „Es steht bei uns zwar Astrophysik drauf. Dahinter steckt aber sehr viel mehr: Datenwissenschaften, Technologieentwicklung, Geologie, Ingenieurstechnik, Feinmechanik“, skizziert Stefan Ohm.

Aus ersten Erfahrungen weiß er: „Gerade bei Jugendlichen ist die Astronomie aber ein Türöffner, um sie zu begeistern − gerade auch bei den Mädchen.“ Und dazu braucht es nicht unbedingt eine Mondfinsternis und den daraus resultierenden Blutmond wie vor wenigen Tagen.

Neues Planetarium für Hoyerswerda

Neben Schulen oder auch Kindertagesstätten und Vereinen gibt es in der Oberlausitz astronomische Vereine und Sternwarten, die ihren Blick derzeit auch nicht nur in den Himmel, sondern aufs DZA richten. Eine Umfrage ergab dort aber: Einen Besucheransturm haben diese seit der DZA-Ansiedlung nicht verzeichnet.

„Ein Astro-Fieber ist nicht ausgebrochen“, bringt es Wolfgang Knobel auf den Punkt. Knobel ist Ehrenvorsitzender der Sternwarte „Bruno H. Bürgel“ in Sohland/Spree. Kontakte zum DZA haben die Astro-Vereine von Hoyerswerda bis Görlitz aber inzwischen weitgehend alle geknüpft.

Einige von ihnen sogar in besonderer Weise: Der Astronomische Verein Hoyerswerda etwa, der sich auf das vom DZA initiierte, neue Planetarium im Neustadtforum freut.

Ein moderner Würfel -Bau wird entstehen, der nicht nur für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden kann. „Das neue Planetarium wird ein Magnet. Unseres jetzt ist eher weit ab vom Schuss“, analysiert Peter Lindner.

Vereine profitieren indirekt

Ob die Hobbyastronomen-Vereine aus Hoyerswerda, Sohland oder auch Görlitz durch das DZA neu erblühen werden, kann noch niemand sagen. Auch für Bautzen nicht, wo die wohl älteste Schulsternwarte Deutschlands steht. Volker Stiebel, Mitglied im Bautzener Verein ad astra, wünscht sich das jedenfalls sehr. Momentan, so berichtet er, spüre man, wie sich das Interesse der astronomisch interessierten Öffentlichkeit nach Hoyerswerda und Görlitz richte − gewissermaßen wie eine Sternschnuppe an Bautzen vorbei.

Dabei ist der Verein rührig, will mit Jugendlichen auch mit einem Werkstattangebot für die MINT-Fächer begeistern. „Aber wir haben einen veralteten, heruntergekommenen Schatz, unsere Sternwarte muss dringend saniert werden, sonst könnten wir den Anschluss verlieren“, sagt Volker Stiebel. Er hofft, dass bei der Stadt Bautzen durch das DZA das Interesse an der Sternwarte neu geweckt werde, sich Fördermöglichkeiten für die dringend nötige Sanierung auftun oder die Stadt zumindest eine klare Entscheidung trifft, wo sie mit der Sternwarte hinwolle. Die Sternwarte gehört zur städtischen Betriebs- und Beteiligungsgesellschaft Bautzen (BBB).

In Görlitz ist dieser Effekt durch die Präsenz des Großforschungszentrums in der Stadt schon zu spüren, findet Lutz Pannier vom Verein Görlitzer Sternfreunde: Das Thema Sanierung der Sternwarte werde im Stadtrat seit Neuestem anders diskutiert als bislang. Und bei den Veranstaltungen in der Sternwarte sei die Neugier der Besucher auf ganz unerwartete Weise groß, erklärt Pannier: „Die Besucher fragen uns oft, was die Wissenschaftler beim DZA eigentlich so machen oder was es mit dem Einstein-Teleskop auf sich hat − diese Fragen beantworten wir gern.“ Und so macht der Verein Werbung für das große Forschungszentrum − auch eine kleine Sternstunde.

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