Der Weltkonzern Zeiss hat seit 2020 auch einige Mitarbeiter in Görlitz. Es sollen doppelt so viele werden. Und der Konzern will künftig besser sichtbar sein.
Von der Carl Zeiss AG hat wohl jeder schon einmal gehört. Das 1846 in Jena gegründete Unternehmen ist eines der bekanntesten in der feinmechanisch-optischen Industrie – mit Standorten auf der ganzen Welt. Dass seit 2020 auch einer in Görlitz dabei ist, dürfte hingegen selbst den meisten Görlitzern unbekannt sein. Die Räume befinden sich im Hinterhaus der Sparkasse auf der Berliner Straße 63.
Kameras oder Objektive werden hier freilich nicht gefertigt: Die Zeiss Digital Innovation, zu der der Görlitzer Standort gehört, ist vor allem in der Softwareentwicklung und Digitalisierung für die industrielle Produktion tätig. Es ist also die Digitaleinheit von Zeiss. Kunden sind weltweit tätige Firmen aus der Automobilindustrie, der Halbleiterindustrie sowie dem Maschinen- und Anlagenbau. Es geht quasi um Software aus Görlitz für die Welt. Andererseits ist Zeiss Digital Innovation auch interner Dienstleister innerhalb der Zeiss AG.
Vor Weihnachten war der Görlitzer OB Octavian Ursu (CDU) zum Unternehmensbesuch bei Zeiss und ließ sich die „Lernfabrik“ zeigen. Das ist ein Modell, das aus Fischertechnik hergestellt ist. „Lego für Große“, sagt Alfred Mönch, Geschäftsführer von Zeiss Digital Innovation. Es simuliert eine Fertigungsstraße, ein Modell für die Industrie. „Wir nutzen es für die Ausbildung unserer Mitarbeiter“, so Mönch: „Sie können daran erste Gehversuche machen.“
Chancen für die Stadt und die Unternehmen
Ursu ist stolz, dass sich solche innovativen Firmen in Görlitz ansiedeln. Was ihn und Zeiss eint: Beide wollen sich für die Vernetzung der verschiedenen Firmen und Forschungsinstitute aus dem Bereich der neuen Technologien einsetzen. „Durch die Ansiedlung von Casus und dem DZA ergeben sich neue Perspektiven“, sagt Ursu. Das seien Chancen – sowohl für die Stadt als auch für die Unternehmen.
Sven Jänicke, der bei Zeiss Digital Innovation als Leiter Marketing und Vertrieb für die fertigende Industrie tätig ist, sieht für die Vernetzung noch ein Argument: den Fachkräftemangel. „Der wird uns die nächsten zehn Jahre begleiten“, sagt er. Also sei es wichtig, dass gleiche Dinge nur einmal getan werden und nicht an verschiedenen Standorten doppelt: „Entscheidend ist, dass man voneinander weiß.“ Den OB einzuladen, sei ein erster wichtiger Schritt in dieser Richtung gewesen.
Saxonia Systems AG übernommen
Der Görlitzer Zeiss-Standort auf der Berliner Straße existiert bereits seit 2004 – damals unter dem Namen Saxonia Systems AG. 2020 hat Zeiss diese Firma übernommen und damit auch den Görlitzer Standort. Damals waren hier 20 Mitarbeiter beschäftigt, heute sind es 30. „Unser Ziel ist es, die heutige Zahl bis 2025 zu verdoppeln, gern auch darüber hinaus“, sagt Mönch.
Wie das in Zeiten des Fachkräftemangels gelingen soll? Vor allem mit Absolventen der hiesigen Hochschule. Allerdings werden diese Absolventen von vielen Firmen umworben. „Das Wichtigste, um Leute zu bekommen, sind spannende Aufgaben und Projekte“, sagt Mönch. Da könne Zeiss punkten. Nicht umsonst habe das Unternehmen den deutschen Zukunftspreis gewonnen: „Wir sind ein 176 Jahre alter deutscher Technologiekonzern und haben ambitionierte Digitalisierungsprojekte.“ Diese Konstellation sei sicher einmalig.
Zeiten der Dienstreisen sind vorbei
Der Görlitzer Teamleiter und Softwareentwickler André Tschirch ergänzt, dass viele Leute „bei Zeiss arbeiten wollen, um mit den neuesten Technologien in Verbindung zu kommen.“ Zudem hat sich das Arbeiten in den vergangenen Jahren massiv verändert. Die Jahre, in denen die Mitarbeiter oft die ganze Woche auf Dienstreise beim Kunden verbracht haben, sind vorbei. Heute arbeiten sie zu 95 Prozent von zu Hause aus, also wahlweise auf der Berliner Straße oder im Homeoffice. Beides wird genutzt, bestätigen Mönch und Jänicke. Genaue Zahlen gibt es aber nicht: An manchen Tagen seien mehr, an anderen Tagen weniger Mitarbeiter im Büro.
Insgesamt gehören zu Zeiss Digital Innovation rund 500 Mitarbeiter an sieben Standorten. In den kommenden Jahren soll die Zahl auf über 700 wachsen. Hauptsitz ist Dresden, wo auch Alfred Mönch sein Büro hat. Darüber hinaus gibt es Sitze in München, Berlin, Leipzig, Görlitz und den beiden ungarischen Städten Budapest und Miskolc. Gearbeitet wird oft in standortübergreifenden Teams aus meist fünf bis zehn Personen. Das heißt, ein neuer Auftrag aus der Industrie wird nicht etwa an einen der sieben Standorte vergeben, sondern an die Mitarbeiter, die dafür am besten qualifiziert sind. Allerdings werden die Teams nicht bei jeder Aufgabe neu gemischt. „Wir versuchen, sie in einer gewissen Stabilität zu halten“, sagt Jänicke.
Ebenfalls wichtig: Geeignete Räume. Klassische Büros mit Schreibtischen und Rechnern reichen heute nicht mehr aus. „Die Teams brauchen Freiraum, um kreativ zu arbeiten und Lösungen zu entwickeln“, sagt Jänicke. Die Räume auf der Berliner Straße erfüllen diese Ansprüche inzwischen nicht mehr. Zudem ist hier Platz für maximal 50 Mitarbeiter. Das soll irgendwann nicht mehr reichen. Deshalb ist ein Umzug geplant. Über den neuen Standort wollen Mönch und Jänicke noch nicht zu viel verraten. Es gebe aber Pläne – und diese seien auch schon sehr konkret. Auf jeden Fall werde es ein Altbau im Stadtzentrum sein. „Ziel ist es, Mitte 2025 dort zu sein“, sagt Mönch. Am neuen Standort werden größere Räume zur Verfügung stehen, die flexibler nutzbar sind. Und Zeiss will besser sichtbar sein: „Wir wollen aus der zweiten Reihe in die vordere Reihe, also nicht mehr in einem Hinterhaus arbeiten.“