Von Georg Moeritz
Dresden. Sie kennen sich mit Immobilientrends aus und mit internationaler Zusammenarbeit: Rund 100 Experten der World Trade Centers Association sind seit Montag zu Gast im Dresdner World Trade Center (WTC). Wer sich dem runden Büroturm und der Glaspassage nähert, kann allerdings per Aushang gleich von einem Auszug erfahren: Die ehemaligen Drewag-Stadtwerke haben ihren Energie-Treff vorige Woche ins neu gebaute Hochhaus der Sachsen-Energie verlegt. Die städtischen Ämter, zum Teil im WTC eingemietet, bekommen bald ebenfalls einen Neubau. Wie geht es weiter mit den Welthandelszentren in Dresden und anderswo?
„Wir haben nicht viel Leerstand“, sagt Stefan Scholl, der bei der Sparkassen-Tochtergesellschaft Deka Immobilien das An- und Verkaufsgeschäft in Europa leitet und die Lizenz für das Dresdner WTC hat. Büros würden zwar anders genutzt als vor Corona und dem Trend zu Homeoffice und Videokonferenzen. Doch die Menschen kämen „zurück in die Büros“, sagt Scholl. Menschen seien soziale Wesen und wollten sich wieder treffen, benötigten Meeting-Räume. „Das müssen wir organisieren.“
Mit möglichen Interessenten für die bisherigen Räume der Sachsen-Energie werde gesprochen. Bis zum Auszug der städtischen Ämter für Wirtschaftsförderung, für Stadtplanung und Mobilität, für Geodaten und Kataster sei noch Zeit bis Ende 2026. Es gebe immer wieder Anfragen für zusammenhängende Flächen innerhalb des 26er-Rings, der Dresdner Innenstadt. Etwa 50 Mieter hat das WTC Dresden, lange Zeit sei es vollständig vermietet gewesen. Auch ein Hotel gehört dazu.
World Trade Center soll Handelspartner zusammenbringen
Weltweit sei das Interesse an Coworking-Spaces groß, an Mietbüros zur Zusammenarbeit. „Die Leute wollen sich bei gutem Kaffee zusammensetzen“, betont Freerk Faber, der das WTC in Twente in den Niederlanden leitet. Da nicken seine Kollegen zustimmend: Der gute Kaffee sei auch wichtig für das Coworking im französisch-deutschen WTC Metz-Saarbrücken, sagt dessen Direktorin Patricia Moinard-Drouvot. Beide sehen ihre Aufgabe nicht nur im Vermieten, sondern im Organisieren von Zusammenarbeit. In einem World Trade Center gebe es einen anderen „spirit“ als in einer Handelskammer – die werde zwar auch benötigt, aber die Mieter im WTC kämen als Geschäftspartner und gegenseitige Berater gut zusammen.

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Laut Faber helfen die WTC-Organisationen auch Unternehmen, in anderen Ländern auf den Markt zu kommen. Die Zusammenarbeit in Branchenverbünden sei wichtig, ähnlich wie im Dresdner Mikrochip-Verbund Silicon Saxony. Das WTC-Netz aus derzeit mehr als 300 Immobilien in 91 Staaten wachse weiter, sagt Robin van Puyenbroeck aus den USA, der im Verband Exekutivdirektor für Wirtschaftsentwicklung ist. In Indien und Brasilien beispielsweise sehe er großen Bedarf an Platz, zum Leben und Arbeiten. Zwar brauche nicht mehr jeder Büroangestellte ein eigenes Büro, mehr Flexibilität sei gefragt, auch bei Verkehrsanbindungen. Doch die Branche sei darauf vorbereitet, Veränderungen gehörten zum Alltag.
UN-Institut arbeitet an Konzept gegen Rassismus
Zum Ergebnis der Europawahlen äußern sich die Welthandelsexperten nur auf Nachfrage und zurückhaltend. Puyenbroeck sagt, er habe bei Reisen großes Interesse von Balkanstaaten an Zusammenarbeit mit der Europäischen Union erlebt. Für Repräsentanten aus Montenegro und Serbien sei die EU vor allem ein Friedensprojekt, dann erst Wirtschaftsunion. Gerade bei Menschen, die noch nicht dazu gehörten, sei das Interesse groß, Teil dieses Bundes zu werden. Faber betont, die Europäische Union habe beispielsweise durch die gemeinsame Währung an Wohlstand gewonnen. Vielen Menschen sei das gar nicht bewusst. Doch er glaube an die Kraft der Zusammenarbeit in Europa. Dazu gehöre auch der Plan, bei der Mikrochipproduktion die Abhängigkeit von Asien zu verringern.
Puyenbroeck betont die Rolle Deutschlands als ökonomischer Motor, der wichtig für Stabilität und Integration in Europa sei. Dass es auch eine Gegenbewegung gibt, spricht Professorin Edeltraud Günther an, die Leiterin des UNU-Flores-Instituts der Universität der Vereinten Nationen in Dresden, die ebenfalls Räume im WTC nutzt. Günther sagt, ihr Institut sei beauftragt, ein Konzept gegen Rassismus zu entwickeln. Menschen aus aller Welt lebten in Dresden, fühlten sich aber manchmal unsicher bei Begegnungen in Bus und Bahn.
Die Umweltökonomin Günther weist darauf hin, dass Menschen aus 39 Nationen von allen Kontinenten in der Dresdner UN-Universität arbeiten. Die Büros könnten „fließend“ genutzt werden, würden vorher gebucht, für Einzelne oder als Team. Das spare nicht nur Ressourcen, sondern könne auch zur Zusammenarbeit beitragen. Neubauten werde es trotzdem geben: Die Weltbevölkerung werde bis 2050 voraussichtlich auf 9,7 Milliarden Menschen wachsen. Von den Gebäuden, die dann benötigt würden, seien 60 Prozent noch nicht gebaut.