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Das große Geschäft mit den Gutscheinen

Eine vergessene Zahnbürste brachte den Chemnitzer Torsten Latussek auf eine Geschäftsidee. Die soll bald auch ökologisch werden.

Lesedauer: 4 Minuten

Das Foto war als Schnappschuss gedacht. Ein Freund fotografierte Torsten Latussek im New Yorker Hotelzimmer. Er sitzt auf dem Bett und schneidet einen Coupon von Walgreens aus. 

Mit ihm bekam man in der amerikanischen Drogeriekette zwei Zahnbürsten zum Preis von einer. "Und ich hatte meine zu Hause vergessen, brauchte also eine", erinnert sich Torsten Latussek. Es war der Moment, in dem er Anfang der 2000er-Jahre das Gutscheinsystem kennenlernte und davon fasziniert war.

Heute, gut 15 Jahre später, ist das Foto so etwas wie die Geburtsurkunde einer erfolgreichen Geschäftsidee. Torsten Latussek hat das Affiliate-Marketing, auch Empfehlungsmarketing genannt, nach Deutschland geholt. Das war 2004, da war der heute 41-Jährige noch Student und arbeitete vom heimischen Schreibtisch aus. Er schloss sich einem Amazon-Partnerprogramm an, empfahl Bekannten und Freunden bestimmte Produkte und wurde für jeden daraufhin abgeschlossenen Verkauf mit einer kleinen Provision belohnt.

Als sich das BWL-Studium mit dem Schwerpunkt zu innovativen Marketingstrategien dem Ende näherte, zog es Torsten Latussek in die weite Welt. Er machte ein Praktikum bei einem Hamburger Suchmaschinenanbieter und wechselte dann zu dem Nürnberger Onlinemarketingunternehmen adpepper media. "Irgendwann stellte ich fest, dass ich mit den Provisionen mehr verdiente als in meinem eigentlichen Job", so der gebürtige Chemnitzer. Das war der Zeitpunkt, an dem er sich entschloss, sich in Vollzeit seiner Geschäftsidee zu widmen. Er begann, Partner zu suchen. Der Erste war der Blumenversand Fleurop, der auf der Webseite coupons4u.de einen Gutschein platzierte.

Der Name der Domain erschien Torsten Latussek damals innovativ und international ausbaufähig. "Im Rückblick war er aber wohl doch etwas zu englisch", sagt der Unternehmer heute. Und er hat sich und seiner Firma zum 15-jährigen Bestehen ein besonderes Geschenk gemacht. Aus coupons4u.de wurde am 18. Februar 2019 coupons.de.

Eine Domain, die sich ein Hamburger Geschäftsmann gesichert hatte, da war das World Wide Web gerade erst entstanden. Lange musste Torsten Latussek mit ihm verhandeln und einige Jahre kooperierten beide im Gutscheingeschäft, bis 2018 endlich ein Kauf der Domain möglich wurde. Den genauen Kaufpreis möchte der Chemnitzer Unternehmer nicht verraten. "Aber ich hätte mir dafür auch einen hübschen Sportwagen kaufen können", sagt er lächelnd.

Das Unternehmen ist stetig gewachsen, hat heute 20 Mitarbeiter und einige Freelancer, darunter auch einige Absolventen der Technischen Universität Chemnitz. Während sich die Softwareexperten um die Suchmaschinenoptimierung kümmern, arbeiten acht Redakteure an neuen Gutscheinen und Newslettern für die Couponskunden, die zweimal wöchentlich mit den neuesten Aktionen versandt werden. "Bei uns geht kein Gutschein online, der nicht vorher geprüft wurde", so Latussek. Bei ihm sitzen Mitarbeiter an den Schreibtischen, wo die Konkurrenz auf Computeralgorithmen setzt, die das Internet nach Aktionen durchforsten und diese einfach zusammenstellen. Die Fehlerrate ist bei der Automatisierung entsprechend groß und die Enttäuschung der Kunden auch. "Wir wachsen vielleicht langsamer, aber dafür stetig", sagt der Marketingexperte. Das ist ihm wichtig, auch weil er die Zeit brauchte, um selbst in seine Rolle als Chef hineinzuwachsen.

Die Verantwortung ist groß, das merkte er 2013. Damals waren Gutscheinportale wie Pilze aus dem Boden geschossen. Jeder, der etwas von Affiliate-Marketing gehört hatte, probierte sich aus. Das verunsicherte die Unternehmen. Viele, die das Empfehlungsmarketing gerade für sich entdeckt hatten, zogen sich wieder zurück. Und auch die Kunden hatten inmitten der Gutscheinflut längst den Überblick verloren.

Latussek, der bis dato nur eine Umsatzkurve kannte, die nach oben zeigte, begann, seine Plattform umzubauen. "Es war eine Zeit, die hat mir Demut gelehrt", erinnert sich der Unternehmer.

Bezahlbare Büromieten in Chemnitz

Heute, gut fünf Jahre später, haben sich die Reihen der schwarzen Schafe gelichtet. Die großen Mitbewerber des Chemnitzers, sparwelt.de oder gutscheine.de, gehören mittlerweile zu RTL und selbst große Nachrichtenmagazine wie Stern oder Focus haben das Couponing für sich entdeckt. Sie erhöhen damit den Traffic auf ihren Internetseiten und kassieren bei jedem abgewickelten Kauf mit. Zweistellige Millionenbeträge kommen da bei großen Zeitschriftenverlagen im Jahresverlauf zusammen.

Torsten Latussek will weiter wachsen, aber organisch. Sein Unternehmen ist seit 2008 in der ehemaligen Chemnitzer Schlossbrauerei zu Hause. Wer die Coupon-Zentrale betritt, kommt an an einer kleinen Hausschuhsammlung vorbei. "Die gehören unseren Mitarbeitern, die gerade im Urlaub sind", sagt Torsten Latussek. Er trägt heute im Büro Straßenschuhe, ausnahmsweise, und nur fürs Foto. Das Team ist jung. Chemnitz ist vielleicht nicht ganz so sexy wie Berlin. "Dafür gibt es hier bezahlbare Büromieten und es ist meine Heimat", sagt Torsten Latussek, der inzwischen zweifacher Familienvater ist und von seinem Schreibtisch aus die Dachterrasse seines Reihenhauses sehen kann. Der kurze Weg spart Zeit, er ist aber lang genug, um auch einmal abschalten zu können. Das tut der Unternehmer am liebsten auf Reisen und bei einem guten Essen. Das darf gerne Bio sein, so wie die Heumilch, die auf dem Tisch im Pausenraum steht. Auch wenn er in den Weiten des Netzes mit Shoppingmöglichkeiten rund um die Uhr sein Geld verdient, Nachhaltigkeit ist Torsten Latussek wichtig. Er schätzt den Buchhändler um die Ecke und auch den Bioladen. Und er denkt über ein grünes Gutscheinportal nach, auf dem der Kunde nachvollziehen kann, welchen ökologischen Fußabdruck sein Kauf hinterlässt und unter welchen Bedingungen die Waren hergestellt werden. "Das wird immer mehr Kunden immer wichtiger und sie sind bereit, für das gute Gewissen mehr zu zahlen", sagt der Unternehmer, der der Geiz-ist-geil-Ära ein nahes Ende bescheinigt.

An das Aufgeben hat Torsten Latussek nie gedacht, auch nicht an einen Verkauf. Dabei gab es durchaus Interessenten. Die Samwer-Brüder, die in Berlin den Internetinkubator Rocket Internet betreiben und zahlreiche Unternehmensbeteiligungen halten, interessierten sich für das Gutscheinportal aus Chemnitz. Es gab zwei Treffen und ein mehrere Hundert Seiten umfassendes Vertragswerk über den Verkauf. Am Ende aber folgte Torsten Latussek seinem Bauchgefühl. Er verkaufte nicht – auch, weil er einfach Freude daran hat, Unternehmer zu sein.

https://www.coupons.de/

 

Von Ines Mallek-Klein

Foto: © Thomas Kretschel

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