Tag zwei im Prozess gegen zwei Angeklagte, denen Steuerhinterziehung in großem Stil vorgeworfen wird. Die 44 und 45 Jahre alten Männer aus Riesa sollen laut Staatsanwaltschaft beim Kauf und Verkauf von hochpreisigen Luxuskarossen Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 700 000 Euro hinterzogen beziehungsweise verkürzt haben. Doch im Schwurgerichtssaal des Landgerichtes Dresden herrschte am Donnerstag vor allem eines: das große Schweigen. Da schweigen zum einen die Angeklagten. Das freilich ist ihr gutes Recht. Schließlich müssen sie nicht ihre Unschuld beweisen, sondern das Gericht muss ihnen die Schuld nachweisen.
Die Verteidiger der beiden erklärten dem Gericht, ihre Mandanten würden sich „durch Schweigen verteidigen“. Die Verteidigung und auch die Angeklagten gehen ohnehin von einem Freispruch aus, jedenfalls was die Steuerhinterziehungen betrifft. Anders dürfte es sich beim Vorwurf der Insolvenzverschleppung verhalten. Obwohl die Firma der beiden, deren Name sich aus den jeweils ersten Anfangsbuchstaben der Vornamen zusammensetzt, Verbindlichkeiten von 664 000 Euro hatte, melden sie keine Insolvenz an.
Die vorgeworfenen Straftaten sollen sich in den Jahren 2009 und 2010 ereignet haben. Dass erst jetzt verhandelt wird, liegt an der ungenügenden Personalausstattung der Justiz. Deshalb werden zuerst dringliche Fälle verhandelt, das sind also Sachen, bei denen die Angeklagten in Untersuchungshaft sitzen. Normalerweise darf die U-Haft nicht mehr als sechs Monate betragen. Kommt das Gericht bis dahin nicht zu Potte, müssen die Tatverdächtigen in der Regel aus der Haft entlassen werden.
Dies war hier alles nicht der Fall. Und so blieb das Verfahren liegen. Am Landgericht Dresden wurde eigens eine Kammer eingerichtet, die sich um diese alten Verfahren kümmert. So wird nun acht bis neun Jahre nach den Tatvorwürfen verhandelt.
Etliche Zeugen waren jetzt geladen, doch auch hier herrschte das große Schweigen. Der Grund: Gegen viele von ihnen gibt es Anklagen in der gleichen Sache am Landgericht Köln. Die Verfahren stehen noch aus. In Köln ist man also auch nicht schneller als in Dresden. Deshalb haben die Zeugen ein Aussageverweigerungsrecht, müssen sich insbesondere nicht selbst belasten. Von diesem Recht machten sie, die beispielsweise aus Mühlheim und aus der Schweiz angereist waren, Gebrauch.
Auch die Freundin eines der Angeklagten brauchte nichts zu sagen, weil sie mit dem Mann verlobt ist. Obwohl dies keinerlei rechtliche Bedeutung hat, genießen Verlobte vor deutschen Gerichten das gleiche Recht wie Ehepaare oder andere Verwandte. Sie brauchen sich nicht gegenseitig zu belasten.
Die Verteidigung hat auch bemängelt, dass ein Beamter des betroffenen Finanzamtes im Saal anwesend ist. Wenn dieser im Verfahren gleichzeitig als Gutachter auftrete, werde man einen Befangenheitsantrag gegen den Mann stellen. Am zweiten Verhandlungstag war eine andere Vertretung des Finanzamtes anwesend.
Insgesamt hat die Große Wirtschaftsstrafkammer acht Verhandlungstage angesetzt. Läuft das Verfahren planmäßig ab, wird es am 13. November ein Urteil geben. Die Verteidigung hat schon klar gemacht, dass sie sich auf eine Verständigung – also auf ein Geständnis und im Gegenzug auf eine Absprache zur Strafhöhe – nicht einlassen wird. Ihre Mandanten würden nicht gestehen. Sie setzen auf Freispruch.
Das Verfahren wird am Dienstag fortgesetzt. Dann wird ein Steuerfahnder als Zeuge gehört. Eines ist sicher: Er wird nicht schweigen.
Von Jürgen Müller
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