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Das Meissener-Rätsel bei „Bares für Rares“

In der ZDF-Sendung befassen sich Experten mit seltenen Porzellanen. Doch sie liegen alle falsch. Die Spur führt zum Ende der DDR.

Lesedauer: 3 Minuten

Moderator und TV-Koch Horst Lichter war sich ganz sicher. „Endlich mal was für die Küche. Das sind doch Salz- und Pfefferstreuer.“ Der Kasseler Bäckermeister Stephan Krapp, stellte die drei weißen Porzellan-Teile in der ZDF-Sendung „Bares für Rares“ auf den Bewertungs-Tisch. 

Im Innereren waren aufgemalte blaue Schwerter zu sehen. Trapp hatte das Meissener Porzellan für zehn Euro pro Stück auf dem Flohmarkt gekauft. Doch zum Salzstreuen fehlten die entsprechenden Löcher.

Kunsthändler Sven Deutschmanek wusste sofort Bescheid. Das seien Isolatoren für Stromleitungen, die ab 1934 und vor allem in der Kriegszeit in der Manufaktur Meissen hergestellt wurden. Auch die Manufaktur musste ihren Anteil an der Kriegsproduktion leisten.

Diese These überzeugte schließlich auch die anderen Experten, die zuvor auf Designer-Vase mit Löchern oder zeitloses Erotikspielzeug tippten. Einer von ihnen gab dem Verkäufer Trapp 100 Euro dafür. Die Sendung wurde am 12. Februar ausgestrahlt und ist noch auf Youtube zu sehen.

Dort entdeckte der Berliner Buchautor und Porzellan-Experte Reiner Graff die Szene. Und weiß es besser. Hier sollte es sich um einen mysteriösen Fall handeln, dessen Spur zum Ende der DDR führt. Meissen hat niemals Isolatoren gebaut.

Auch nicht im Krieg. Vermutlich haben die Experten aus dem Westen das mit der Meißner Keramik-Firma Ernst Teichert verwechselt. Nach Graffs Einschätzung gehören die drei Porzellan-Teile zur Anschlagmechanik von Porzellan-Glockenspielen aus der Manufaktur Meissen. In dem hohlen Körper wurde die Technik mit dem Magnethammer eingebaut, der hintere abgerundete Teil diente als Wetterschutz.

Insbesondere wurde diese Technik bei den drei bekannten mobilen Meissener Porzellanglockenspielen aus der DDR-Zeit verwendet. Alle drei sind 1990 spurlos verschwunden. „Da frag ich mich doch, wie kommen solche seltenen Porzellan-Teile auf einen Kasseler Flohmarkt“, sagte Graff.

Im einzelnen handelte es sich um das kleine Glockenspiel für den Dresdner Striezelmarkt. Es bestand aus sechs Glocken, war schon 1946 in der Nordhalle zu sehen und ab 1954 in einer Pyramide auf dem Dresdner Striezelmarkt. Es stand gewöhnlich in der Nähe des großen Pflaumentoffels.

 Auf dem Weihnachtsmarkt in Ost-Berlin gab es ab 1955 ebenfalls ein Porzellanglockenspiel mit 13, später mit 25 weißen Glocken. Eigentümer war der Berliner Magistrat. Zuerst war es auf dem Weihnachtsmarkt am Marx-Engels-Platz, danach in der Stalinallee und späteren Karl-Marx-Allee aufgestellt.

Schließlich stand es bis 1989 in einem Turm auf dem Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz. Mit dem Spiel wurde jedes Jahr die Weihnachtszeit symbolisch eingeläutet. Das dritte Glockenspiel gehörte der Kammer für Außenhandel der DDR . Zuerst war es ein Spiel mit 18 Glocken, das am Stand der DDR auf internationalen Messen von 1964 an betrieben wurde. Ab 1966 erweiterte man das Spiel auf 24 Porzellanglocken.

 Zu sehen war es zum Beispiel im Jahr 1965 in Wien, 1966 in Budapest und Helsinki und 1967 in Bari, Paris und Wien. Die Kammer wurde im August 1990 aufgelöst. Alle drei Glockenspiele sind seit dem Jahr 1990 nicht mehr auffindbar.

Anzeigen lägen aber auch nicht vor. Graff sagt, dass die Glockenspiele in der Leipziger Turmuhrenfabrik Zachariä eingelagert wurden. Die Firma, zu DDR-Zeiten ein VEB, stellte gemeinsam mit der Niederauer Firma Turmuhrenbau Klaus Ferner den Anschlagmechanismus für die mobilen Glockenspiele aus Meißen her. Doch über den Verbleib der Glockenspiele wusste die Leipziger laut Graff auch nichts.

Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen bestätigte am Dienstag Abend, dass es sich bei den drei Teilen um Magnethülsen für den Anschlagmechanismus von Meissener Glockenspielen handelt. Die Fertigungszeit lag laut Sprecherin Bianca Herbst zwischen den Jahren 1945 und etwa 1960.

1960 waren die Glocken im Hof

Auch der Meißner Konrad Wittig unterstützt in seinem Youtube-Kommentar die Mitteilung von Graff: „Diese Porzellanteile gehören zum Porzellanglockenspiel. Darin wurde der Elektromagnet untergebracht, der den Klöppel an die Glocke geschossen hat.“

 Zur 250-Jahr-Feier der Manufaktur hätte ein solches Glockenspiel im Hof der Manufaktur gestanden. „Als Kind habe ich da drunter gespielt.“ Das war 1960. Damals spielten die drei mobilen Glockenspiele noch schön ihre Weihnachtslieder.

Ob im ZDF tatsächlich Teile dieser gestohlenen oder unauffindbaren Glockenspiele vor einem Millionenpublikum verkauft wurden, könne man laut Graff mit letzter Gewissheit aber noch nicht sagen.

 

Von Ulf Mallek

Foto: © Screenshot Youtube

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