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Wie die Bosch-Werker in Sebnitz für ihre Jobs kämpfen

Bosch will Ende nächsten Jahres seine Sebnitzer Fabrik mit 280 Beschäftigten schließen. Vor der Schranke zeigen sich die Mitarbeiter kämpferisch – und die Auszubildenden nachdenklich.

Lesedauer: 4 Minuten

Georg Moeritz

Sebnitz. Immer wenn die Schranke hochgeht vor der Bosch-Fabrik in Sebnitz, treten die Mitarbeiter respektvoll zu den Seiten und machen Platz. Sie wollen eigentlich geschlossen vor dem Werkstor protestieren. Aber sie wissen auch, der Fahrer des grünen Lieferwagens von Weka Wellpappe Sebnitz muss durch. Kurz darauf der weiße Lieferwagen von Riesner Textilpflege. Auch deren Arbeitsplätze haben mit der Fabrik zu tun – wie die 280 direkten Bosch-Jobs, die Ende nächsten Jahres abgeschafft werden sollen.

Jens Ehrlichmann dirigiert seine Kollegen vom Mikrofon aus. Auf seinen Wunsch schwenken sie rote IG-Metall-Fahnen, lassen die ausgeteilten Ratschen und Trillerpfeifen hören. Der Betriebsratsvorsitzende spricht kämpferisch: Er sehe hier vor sich fast die komplette Mannschaft, auch Führungskräfte: „So will ich euch auch in Zukunft sehen.“ Für die Fabrik zu kämpfen lohne sich, „damit auch unsere Kinder und Enkel hier noch arbeiten“.

Werkzeugproduktion künftig in Ungarn

Dass der Bosch-Konzern die Schließung ankündigen würde, damit hat Ehrlichmann nach eigenen Worten nicht gerechnet. Der 54-jährige Elektromaschinenbauer arbeitet seit 1987 in dieser Fabrik. „Ich habe hier gelernt, da hieß es noch EWS Elektrowerkzeuge Sebnitz.“ Den Übergang zu Bosch nach der Wende habe er mitgemacht, zeitweise auch für den Konzern in Stuttgart und in der Schweiz gearbeitet.

An einer „Motorenlinie“ hat Ehrlichmann lange gearbeitet, an der Produktion von Motoren für Bohrhämmer und Winkelschleifer. Bosch Power Tools lässt die Elektrowerkzeuge in Versionen für Profis und für Heimwerker herstellen. Doch am Mittwoch hat der Konzern angekündigt, zwei Fabriken Ende nächsten Jahres zu schließen: die Werke in Sebnitz sowie in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart.

Der Betriebsratsvorsitzende Jens Ehrlichmann arbeitet seit 1987 in dem Werk für Elektrowerkzeuge.
Der Betriebsratsvorsitzende Jens Ehrlichmann arbeitet seit 1987 in dem Werk für Elektrowerkzeuge.
Quelle: Foto: SZ/Georg Moeritz

Der Elektrokonzern will die Werkzeuge künftig im Ausland herstellen lassen und nennt als Beispiel in einer Pressemitteilung das bestehende ungarische Werk in Miskolc. Nach Angaben von Bosch reichen die „bereits laufenden Kosten- und Effizienzprogramme“ nicht aus, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Fabriken langfristig zu stärken. In Leinfelden geht es um 230 Beschäftigte in der Fertigung. Außerdem ist dort bereits voriges Jahr ein Stellenabbau für Entwicklung und Verwaltung angekündigt worden.

Vor vier Jahren noch 500 Beschäftigte

Betriebsrat Ehrlichmann hat den Schrumpfkurs natürlich mitbekommen. Vor vier Jahren seien sie noch 500 gewesen in Sebnitz. Eine Motorenlinie sei bereits stillgelegt worden, immer weniger neue Auszubildende wurden eingestellt. Aber komplette Schließung? „Wir haben immer Qualitätsarbeit geleistet“, sagt Ehrlichmann. „Wir sind eine Super-Truppe.“

Bosch stand bisher für Sicherheit. – Ronald Kretzschmar, Oberbürgermeister von Sebnitz

Immer wieder wird der Betriebsratsvorsitzende von Applaus ermutigt. Dann sprechen Gewerkschafter der IG Metall. Höhepunkt der anderthalb Stunden Protest ist der Moment, als einige Bengalos gezündet werden – hauptsächlich für die anwesenden Journalisten. Außer einem älteren Paar aus der Nachbarschaft sind keine Zuschauer gekommen – das Werk liegt am Stadtrand, dort kommt man nicht einfach vorbei.

Der Sebnitzer Oberbürgermeister Ronald Kretzschmar ermutigt die Beschäftigten, weiter zu kämpfen. Der größte Betrieb der Region sei in Gefahr.
Der Sebnitzer Oberbürgermeister Ronald Kretzschmar ermutigt die Beschäftigten, weiter zu kämpfen. Der größte Betrieb der Region sei in Gefahr.
Quelle: Foto: SZ/Georg Moeritz

Doch Oberbürgermeister Ronald Kretzschmar ist gekommen, stellt sich demonstrativ an die Seite der Arbeitnehmervertreter und ermutigt sie, weiter für ihre Stellen zu kämpfen. Auch ihn habe die Schließungs-Ankündigung unerwartet getroffen, sagt Kretzschmar. Bosch sei mit Abstand der größte Arbeitgeber in der Gegend. „Die Region wird massiv geschwächt“, sagt der Oberbürgermeister.

Betriebsratsmitglied René Kothe ist seit 34 Jahren im Unternehmen. Er sagt, die Fabrik habe voriges Jahr Gewinn gemacht, es gebe keinen wirtschaftlichen Grund für die Schließung.
Betriebsratsmitglied René Kothe ist seit 34 Jahren im Unternehmen. Er sagt, die Fabrik habe voriges Jahr Gewinn gemacht, es gebe keinen wirtschaftlichen Grund für die Schließung.
Quelle: Foto: SZ/Georg Moeritz

Kretzschmar sagt, Bosch habe bisher für Sicherheit gestanden. Freilich seien gerade „schwierige Zeiten“. Doch von einem starken Konzern habe er erwartet, eine Rezessionsphase zu überstehen. Der Oberbürgermeister bietet den Beschäftigten Hilfe an. Landrat Michael Geisler kündigt per Pressemitteilung an, gemeinsam mit allen Akteuren nach tragfähigen Lösungen zu suchen – vor allem nach einer möglichen Nachfolgelösung für den Standort Sebnitz.

Manager verwerfen Recycling-Konzept

In der Bosch-Mitteilung heißt es, das Unternehmen prüfe die Möglichkeit, die Fabrik an einen „externen Erwerber“ zu verkaufen. In den vergangenen Wochen hatten die Manager nach eigenen Angaben noch geprüft, ob der Sebnitzer Betrieb vielleicht andere Aufgaben übernehmen könnte. Von „Kreislaufwirtschaft“ war die Rede.

Laut IG Metall gab es die Idee, in Sebnitz gebrauchte Werkzeuge und ihre Bestandteile zu recyceln. Doch dieses Konzept sei „unter fadenscheinigen Begründungen“ fallengelassen worden. Uwe Garbe, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen, ruft ins Mikrofon: „Man hat uns hingehalten, man hat uns verarscht!“

Garbe kündigt mehr Protest an: „Das muss hier Auftakt sein für eine Riesen-Bewegung!“ Stephan Lauckner, Betriebsratsvorsitzender der Batteriefabrik Accumotive aus Kamenz mit 1000 Beschäftigten, überbringt solidarische Grüße. Die Bosch-Mitarbeiter applaudieren. In den hinteren Reihen stehen die Auszubildenden, darunter die 19-jährige Lana Arnold. Sie habe bald ausgelernt und werde sich sicherheitshalber auch anderswo umsehen, sagt sie. Es sei ja „nicht 100 Prozent sicher“, dass Bosch in Sebnitz bleibt.

SZ

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