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Das sind die 5 wichtigsten Baustellen für die Chipindustrie in Sachsen

Die Arbeiten für die beiden Chipfabriken von ESMC und Infineon liegen „voll im Zeitplan“. Damit die Produktionen 2026 und 2027 erfolgreich starten können, müssen aber noch weitere Baustellen gemeistert werden.

Lesedauer: 5 Minuten

In der deutschen Wirtschaft häufen sich die Insolvenzmeldungen, von Deindustrialisierung ist die Rede. Auf den Dresdner Norden trifft das nicht zu. Dort drehen sich die Kräne gleich für zwei neue Mikrochipfabriken von Infineon und ESMC. Und auch Globalfoundries kann ausbauen. Derzeit kommt jeder dritte in Europa produzierte Chip aus Dresden. Wenn alle Bauprojekte abgeschlossen sind, könnte es sogar jeder zweite Chip sein, mutmaßt Thomas Richter, Standortleiter von Infineon Dresden.

Bis dahin müssen noch einige Baustellen bewältigt werden. „Global sind wir Konkurrenten, doch lokal haben wir die gleichen Herausforderungen und müssen zusammenarbeiten“, sagt Manfred Horstmann, der den Dresdner Standort von Globalfoundries mit ca. 3000 Beschäftigten leitet. Hier ist ein Überblick, welche Herausforderungen das sind.

Fünf Herausforderungen für die Dresdner Chipindustrie

1. Großbaustellen managen

Im Mai vor zwei Jahren setzte Infineon den Spatenstich für seine Smart Power Fab, die eine der modernsten Halbleiterfabriken Europas wird. Mit fünf Milliarden Euro ist es die größte Einzelinvestition des deutschen Halbleiterunternehmens. Ende Juni wird der Rohbau fertiggestellt sein. Zu Spitzenzeiten drehten sich auf der Baustelle 26 Kräne, jetzt sind es noch zehn. Seit Herbst werden schon die technischen Anlagen eingebracht. „Wir sind sehr gut unterwegs“, sagt Bauprojektleiter Holger Hasse. Das setze den Maßstab dafür, wie schnell in Europa Chipfabriken errichtet werden können, heißt es. Vor allem der weltgrößte Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan verfolgt das genau. Er baut zeitgleich Fabriken in den USA, Japan und Europa. „Aktuell sind wir näher an Japan als an den USA, das fühlt sich gut an“, sagt Infineon-Manager Richter.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, M.), lässt sich die Baustelle der neuen Infineon-Fabrik zeigen von Baustellenleiter Ralf Blumtritt (l.), und Raik Brettschneider, Geschäftsführer von Infineon Dresden.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, M.), lässt sich die Baustelle der neuen Infineon-Fabrik zeigen von Baustellenleiter Ralf Blumtritt (l.), und Raik Brettschneider, Geschäftsführer von Infineon Dresden.
Quelle: Robert Michael/dpa

Auch die erste europäische Chipfabrik von TSMC in Dresden ist „voll im Zeitplan“. Im August 2024 wurde der Grundstein für das Gemeinschaftsunternehmen ESMC mit den Partnern Infineon, Bosch und NXP gelegt, zehn Monate stehen schon „die ersten Stützen für den Rohbau und für das Bürogebäude“, kann ESMC-Chef Christian Koitzsch berichten. Auf der Baustelle sind derzeit an die 20 Kräne zu zählen und es arbeiten dort 600 Menschen. In der Spitze werden es bis zu 6000 sein, kündigt Koitzsch an.

„Bei uns werden es nicht 20 Kräne sein, aber vielleicht drei“, sagt Globalfoundries-Standortleiter Horstmann. Der US-Halbleiterkonzern will 1,1 Milliarden Euro in den weiteren Ausbau investieren und hat dafür bei der Bundesregierung Förderung beantragt. Diese muss noch in Brüssel genehmigt werden, aber die Erlaubnis für den vorzeitigen Maßnahmenbeginn wurde kürzlich erteilt. „Wir werden anfangen, sichtbar wird das ab dem ersten Quartal 2026″, so Horstmann. Mehr Details zu den Ausbauplänen darf er noch nicht verraten.

2. Hunger nach Energie und Wasser stillen

Die Fertigung dieser winzigen Mikrochips für Smartphones, Autos oder elektronische Reisepässe verschlingt enorme natürliche Ressourcen. Allein die jetzige Produktion von Globalfoundries benötigt 3,5 Terrawattstunden Strom im Jahr. Das sind 0,4 Prozent des deutschen Energieverbrauchs. 60 Prozent des Wasserverbrauchs in Dresden geht für die Chipindustrie drauf. Mit den neuen Fabriken wächst der Bedarf weiter. Deshalb wird ein neues Versorgungssystem gebaut, unter Federführung der Sachsenenergie AG.

Der kommunale Energiekonzern koppelt bewusst die Industriewasserversorgung von der Trinkwasserversorgung ab. „Der Bedarf der Industrie soll nicht auf Kosten der Trinkwasserversorgung erfolgen“, betont eine Unternehmenssprecherin. Aus diesem Grund soll Ende 2027 mit dem Bau eines neuen Flusswasserwerks begonnen werden, das Ende 2030 in Betrieb gehen soll. Aktuell hat Sachsenenergie daran gearbeitet, die Pläne für das Flusswasserwerk im Gewerbegebiet Dresden-Kaditz zu optimieren. Über den endgültigen Standort soll noch vor der Sommerpause entschieden werden. Ausgebaut wird dagegen schon die bestehende Wasserinfrastruktur. Die Taiwaner selbst bringen ihre modernsten Wiederbenutzungstechnologien für Wasser mit.

Der Bedarf der Industrie soll nicht auf Kosten der Trinkwasserversorgung erfolgen. – Unternehmenssprecherin von Sachsenenergie

Durch die Ansiedlung wird in den nächsten Jahren auch ein Anstieg der Stromlast um ein Vielfaches prognostiziert. Infineon will die neue Fabrik in Dresden ganz ohne Erdgas betreiben – eine Premiere für das Unternehmen. Aber auch ESMC will mit Solarstrom aus der Lausitz und mit Windkraft aus Norddeutschland versorgt werden. Dafür wird ein neues Umspannwerk gebaut, das ab 2030 Strom aus dem 380-Kilovolt-Höchstspannungsnetz des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz aufnehmen, umwandeln und in das Hochspannungsnetz von Sachsennetze verteilen wird. Schon jetzt werden bestehende Umspannwerke erweitert und neue 110-Kilovolt-Hochspannungstrassen unter der Erde verlegt.

3. Fachkräftebedarf und Nachwuchs sichern

Das Branchennetzwerk Silicon Saxony e.V. geht davon aus, dass im Jahr 2030 rund 100.000 Menschen in Sachsen in der Mikroelektronik und Softwarebranche arbeiten werden. Derzeit sind es 81.000, so viele wie im Jahr zuvor. Auch wenn die Zahl der Beschäftigten momentan stagniert, „halten wir an der Prognose von 100.000 bis 2030 fest“, sagte Clustermanager Frank Bösenberg am Dienstag auf dem 19. Silicon Saxony Day in Dresden. Die Faustregel ist, auf jeden direkten Arbeitsplatz in der Chipfabrik kommen bis zu drei Jobs bei den Zulieferern. Infineon hat den Großteil der 1000 Arbeitsplätze in der neuen Fab schon besetzt. „Bei den akademischen Stellen wirkt die Strahlkraft von Silicon Saxony und Infineon sehr stark. Wir bekommen die Leute nach Sachsen“, berichtet Werkleiter Richter.

Schwieriger sei es auf der Facharbeiterseite, im Raum Dresden herrsche Vollbeschäftigung. Deshalb schrauben die Chipproduzenten die Ausbildungszahlen in die Höhe. Infineon hat im letzten Jahr 140 neue Lehrlinge eingestellt. Auch die nächste Ausbildungsklasse ist schon voll. „Wir hatten so viele Bewerbungen, dass wir empfohlen haben, die Bewerbungen an ESMC weiterzuleiten“, sagt Richter. Auch dort wird im Herbst mit zwei Ausbildungsklassen gestartet. Für den Hochlauf der Fabrik ab 2027 setzen die Taiwaner anfangs stark auf eigene Kräfte, die sie nach Dresden holen wollen.

4. Lieferkette für lokale Zulieferer öffnen

130 Aussteller präsentierten sich am Dienstag auf dem Silicon Saxony Day, auch in der Hoffnung, durch Aufträge von den neuen Chipfabriken zu profitieren. Mit 1000 Teilnehmenden war es das bisher größte Branchentreffen von Silicon Saxony. Doch Lieferant von ESMC zu werden, ist nicht einfach. Die Taiwaner wollen kein Risiko eingehen und errichten deshalb die Kopie einer Fab, wie TSMC sie auch in Asien baut – bis auf Anpassungen in der Gebäudehülle. Daher können sächsische Firmen wie Deaxo, die Halbleiterfabriken planen, nicht beteiligt werden. Deaxo-Chef Torsten Thieme hat Verständnis: „Ich würde es genauso machen“. Dagegen kommt kaum eine Halbleiterfabrik weltweit ohne die Reinigungsanlagen von DAS Environmental Experts aus Dresden aus. „Wir sind schon Teil des Ökosystems“, sagt Geschäftsführer René Reichardt. Er kennt Firmen, die das zwar noch nicht sind, aber dennoch in Dresden zum Zug kommen werden. Generell würden sächsische Zulieferer aber eher erst mittelfristig von der Chipfabrik profitieren und das dann vor allem durch Service-Aufträge.

5. Standort sichern durch Zukunftstechnologien

Bislang produzieren die Chiphersteller in Sachsen vor allem für die Autoindustrie. Doch was ist mit Chips für Künstliche Intelligenz (KI)-Anwendungen? Die Europäische Kommission will den Aufbau von fünf KI-Rechenzentren mit 20 Milliarden Euro fördern. Bis Freitag läuft die Ausschreibungsfrist zur Interessensbekundung. Silicon Saxony will laut Bösenberg eine Interessensbekundung abgeben, nicht um ein KI-Rechenzentrum nach Sachsen zu holen. Das Netzwerk fordert von der EU, dass beim Aufbau der KI-Rechenzentren konsequent auf Chipdesign-Komponenten und Technologien gesetzt wird, die schon heute in Europa gefertigt werden können. Der Dresdner Globalfoundries-Chef Horstmann unterschrieb am Mittwoch den Vertrag über eine strategische Partnerschaft mit dem KI-Chip-Lehrstuhl der Technischen Universität München.

SZ

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